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Rechtsberatung

Nichtigkeit eines Geschmacksmusters für Porsche 911 wegen fehlender Eigenart

EuG v. 6.6.2019 - T-209/18 u.a.

Die Ei­gen­art ei­nes Ge­schmacks­mus­ters muss sich aus einem Ge­samt­ein­druck der Unähn­lich­keit oder des Feh­lens ei­nes "déjà vu" aus der Sicht des in­for­mier­ten Be­nut­zers im Ver­gleich zu je­dem älte­ren Ge­schmacks­mus­ter er­ge­ben. Hier­bei können die Un­ter­schiede nicht berück­sich­tigt wer­den, die nicht mar­kant ge­nug sind, um die­sen Ge­samt­ein­druck zu be­einträch­ti­gen; nur die Un­ter­schiede, die hin­rei­chend aus­geprägt sind, um einen unähn­li­chen Ge­samt­ein­druck her­vor­zu­ru­fen, können maßgeb­lich sein.

Der Sach­ver­halt:
2004 trug das Amt der Eu­ropäischen Union für Geis­ti­ges Ei­gen­tum (EU­IPO) zu­guns­ten von Por­sche ein Ge­mein­schafts­ge­schmacks­mus­ter für die Bau­reihe 997 des Por­sche 911 ein, 2010 ei­nes für die Bau­reihe 991 des Por­sche 911 ein. 2014 be­an­tragte die Au­tec AG aus Nürn­berg beim EU­IPO, die bei­den Ge­mein­schafts­ge­schmacks­mus­ter für nich­tig zu erklären, da es ih­nen so­wohl an Neu­heit als auch an Ei­gen­art fehle. Sie un­ter­schie­den sich nicht spürbar von den an­de­ren Mo­del­len des Por­sche 911, die seit des­sen Ur­ver­sion aus dem Jahr 1963 auf den Markt ge­bracht wor­den seien.

Hin­sicht­lich des strei­ti­gen Ge­mein­schafts­ge­schmacks­mus­ters der Bau­reihe 997 ver­wies Au­tec auf zwei ältere deut­sche Ge­schmacks­mus­ter von 1997 und 1999 für das Vorgänger­mo­dell, die Bau­reihe 996, hin­sicht­lich der Bau­reihe 991 auf ein 2008 für Por­sche ein­ge­tra­ge­nes Ge­mein­schafts­ge­schmacks­mus­ter für die Bau­reihe 997. Das EU­IPO gab den Anträgen von Au­tec auf Nich­ti­gerklärung der bei­den strei­ti­gen Ge­mein­schafts­ge­schmacks­mus­ter statt und erklärte diese we­gen feh­len­der Ei­gen­art für nich­tig. Nach An­sicht des EU­IPO rei­chen die bei­den älte­ren deut­schen Ge­schmacks­mus­ter der Bau­reihe 996 (bzw. 997) aus, um der An­er­ken­nung ei­ner Ei­gen­art des strei­ti­gen, 2004 ein­ge­tra­ge­nen Ge­mein­schafts­ge­schmacks­mus­ters der Bau­reihe 997 (991) ent­ge­gen­zu­ste­hen.

Das EuG wies die Kla­gen, die Por­sche ge­gen die Ent­schei­dun­gen des EU­IPO er­ho­ben hat, ab und bestätigte da­mit die Nich­ti­gerklärung der bei­den strei­ti­gen, für Por­sche ein­ge­tra­ge­nen Ge­mein­schafts­ge­schmacks­mus­ter.

Die Gründe:
Die Ei­gen­art ei­nes Ge­schmacks­mus­ters muss sich aus einem Ge­samt­ein­druck der Unähn­lich­keit oder des Feh­lens ei­nes "déjà vu" aus der Sicht des in­for­mier­ten Be­nut­zers im Ver­gleich zu je­dem älte­ren Ge­schmacks­mus­ter er­ge­ben. Hier­bei können die Un­ter­schiede nicht berück­sich­tigt wer­den, die nicht mar­kant ge­nug sind, um die­sen Ge­samt­ein­druck zu be­einträch­ti­gen; nur die Un­ter­schiede, die hin­rei­chend aus­geprägt sind, um einen unähn­li­chen Ge­samt­ein­druck her­vor­zu­ru­fen, können maßgeb­lich sein. Da­her ist zu prüfen, ob aus der Sicht des in­for­mier­ten Be­nut­zers und un­ter Berück­sich­ti­gung des Gra­des der Ge­stal­tungs­frei­heit, der dem Ent­wer­fer von Ge­schmacks­mus­tern vor­lie­gend zu­kom­men kann, der von den strei­ti­gen Ge­schmacks­mus­tern her­vor­ge­ru­fene Ge­samt­ein­druck von dem durch die älte­ren Ge­schmacks­mus­ter her­vor­ge­ru­fe­nen ab­weicht.

Das EU­IPO hat den Be­griff des "in­for­mier­ten Be­nut­zers" feh­ler­frei de­fi­niert als Be­nut­zer von Pkw im All­ge­mei­nen, der die Mo­delle kennt und einen erhöhten Auf­merk­sam­keits­grad und ein erhöhtes In­ter­esse auf­weist. Zu­dem hat das EU­IPO zu Recht ent­schie­den, dass die po­ten­zi­el­len Er­war­tun­gen des Mark­tes nicht zu berück­sich­ti­gen sind, um im vor­lie­gen­den Fall den Grad der Ge­stal­tungs­frei­heit des Ent­wer­fers zu be­stim­men. Je be­schränk­ter die Ge­stal­tungs­frei­heit des Ent­wer­fers bei der Ent­wick­lung des Ge­schmacks­mus­ters ist, ins­be­son­dere durch tech­ni­sche oder ge­setz­li­che Vor­ga­ben, desto eher genügen kleine Un­ter­schiede zwi­schen den ein­an­der ge­genüber­ste­hen­den Ge­schmacks­mus­tern, um beim in­for­mier­ten Be­nut­zer einen un­ter­schied­li­chen Ge­samt­ein­druck her­vor­zu­ru­fen.

Die Er­war­tun­gen der Ver­brau­cher, wie die von Por­sche gel­tend ge­mach­ten, nämlich die "Ge­stal­tungs­idee" oder die Form des Ur­mo­dells des Per­so­nen­kraft­wa­gens Por­sche 911 in den fol­gen­den Bau­rei­hen wie­der­zu­fin­den, können keine nor­ma­tive Vor­gabe dar­stel­len, die die Ge­stal­tungs­frei­heit des Ent­wer­fers ei­nes Per­so­nen­kraft­wa­gens zwin­gend ein­schränken. Schließlich ist das EU­IPO auch ohne Be­ur­tei­lungs­feh­ler zu dem Schluss ge­langt, dass der von den ein­an­der ge­genüber­ste­hen­den Ge­schmacks­mus­tern beim in­for­mier­ten Be­nut­zer je­weils her­vor­ge­ru­fene Ge­samt­ein­druck nicht we­sent­lich un­ter­schied­lich ist.

Link­hin­weis:

  • Für den auf den Web­sei­ten des EuGH veröff­ent­lich­ten Voll­text der Ent­schei­dung im Ver­fah­ren T-209/18 kli­cken Sie bitte hier.
  • Für den Voll­text der Ent­schei­dung im Ver­fah­ren T-210/18 kli­cken Sie bitte hier.
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