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Rechtsberatung

Nachfüllen eines Behältnisses des Originalherstellers mit anderen Waren

BGH 17.10.2018, I ZR 136/17

Grundsätz­lich liegt eine Mar­ken­ver­let­zung vor, wenn ein mit der Marke des Ori­gi­nal­her­stel­lers ge­kenn­zeich­ne­tes wie­der­befüll­ba­res Behält­nis mit Wa­ren ei­nes an­de­ren Her­stel­lers nach­gefüllt wird und der Ver­kehr die Marke auf dem Behält­nis als Hin­weis nicht nur auf die be­trieb­li­che Her­kunft des Behält­nis­ses, son­dern auch auf die be­trieb­li­che Her­kunft des In­halts ver­steht. Für die Frage, ob der Ver­kehr eine sol­che Ver­bin­dung im Ein­zel­fall tatsäch­lich her­stellt, kann maßgeb­lich sein, ob die Nachfüll­ware selbst ein für den Ver­kehr bei der Be­nut­zung der Ware er­kenn­ba­res Kenn­zei­chen trägt, Ver­brau­cher den Vor­gang der Befüllung selbst vor­neh­men und der Ver­kehr es ge­wohnt ist, dass das Behält­nis mit Ware an­de­rer Her­stel­ler bestückt wird.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist In­ha­be­rin der am 8.1.2008 ein­ge­tra­ge­nen Uni­ons­marke Nr. 06561211 (Kla­ge­marke) TORK, die u.a. Schutz be­an­sprucht für Pa­pier und Wa­ren aus Pa­pier, nämlich u.a. Ab­tro­cken- und Rei­ni­gungstücher aus Pa­pier, Haus­halts­pa­pier, Pa­pier­handtücher, Küchen- und Toi­let­ten­pa­pier­rol­len so­wie für Ge­stelle, Hal­te­run­gen und Spen­der für Küchen- und Toi­let­ten­pa­pier und für Pa­pier u.a. zum Ab­trock­nen und Rei­ni­gen; Ge­stelle, Hal­te­run­gen und Spen­der für Sei­fen. Sie ver­treibt un­ter die­ser Marke Pa­pier­hand­tuch­spen­der­sys­teme und dazu pas­sende Pa­pier­handtücher auf Rol­len als Nachfüll­ware für die Gas­tro­no­mie, die In­dus­trie und das Ge­sund­heits­we­sen. Die Hand­tuch­spen­der sind mit der Kla­ge­marke ge­kenn­zeich­net.

Die Be­klagte zu 1), de­ren Ge­schäftsführer der Be­klagte zu 2) ist, be­treibt einen Großhan­del mit Hy­gie­ne­pro­duk­ten und bie­tet u.a. Pa­pier­hand­tuch­rol­len als Nachfüll­ware für Spen­der an mit dem Hin­weis "pas­send auch für Tork-Spen­der". Die Nachfüll­ware der Be­klag­ten ist nicht mit ei­ner Marke ge­kenn­zeich­net. Die Kläge­rin ist der An­sicht, das Befüllen der mit der Kla­ge­marke ge­kenn­zeich­ne­ten Spen­der mit Pa­pier­hand­tuch­rol­len der Be­klag­ten ver­letze die Kla­ge­marke. Die Be­klagte zu 1) sei zu­min­dest mit­tel­bare Täte­rin die­ser Mar­ken­rechts­ver­let­zung.

Nach er­folg­lo­ser Ab­mah­nung be­an­tragte die Kläge­rin - so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von In­ter­esse -, die Be­klagte zu ver­ur­tei­len, es zu un­ter­las­sen, neu­trale Pa­pier­hand­tuch­rol­len die nicht von der Kläge­rin stam­men, als Nachfüll­ware zum Zwecke der Auf­nahme und Ab­gabe durch mit der Marke TORK ge­kenn­zeich­nete, öff­ent­lich zugäng­li­che Sys­tem-Pa­pier­hand­tuch­spen­der an Be­sit­zer sol­cher Spen­der zu lie­fern oder lie­fern zu las­sen, so­fern die mar­kenmäßige Kenn­zeich­nung der Sys­tem-Pa­pier­hand­tuch­spen­der durch den Schrift­zug TORK er­folgt. We­gen in Deutsch­land ver­trie­be­ner Ware ver­langt die Kläge­rin fer­ner Aus­kunfts­er­tei­lung und die Fest­stel­lung der Scha­dens­er­satz­pflicht.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:

Mit der vom OLG ge­ge­be­nen Begründung kann eine mar­ken­ver­let­zende Be­nut­zung nicht ab­ge­lehnt wer­den.

Das OLG hat zu­tref­fend bei der mar­ken­recht­li­chen Be­ur­tei­lung auf die Sicht des Durch­schnitts­ver­brau­chers ab­ge­stellt. Die Be­ur­tei­lung des Ver­kehrs­verständ­nis­ses durch das OLG ist je­doch nicht frei von Rechts­feh­lern. Grundsätz­lich liegt eine Mar­ken­ver­let­zung vor, wenn ein mit der Marke des Ori­gi­nal­her­stel­lers ge­kenn­zeich­ne­tes wie­der­befüll­ba­res Behält­nis mit Wa­ren ei­nes an­de­ren Her­stel­lers nach­gefüllt wird und der Ver­kehr die Marke auf dem Behält­nis als Hin­weis nicht nur auf die be­trieb­li­che Her­kunft des Behält­nis­ses, son­dern auch auf die be­trieb­li­che Her­kunft des In­halts ver­steht. Ohne eine ent­spre­chende Fest­stel­lung des Ver­kehrs­verständ­nis­ses kann da­ge­gen die bloße Ge­fahr ei­ner Her­kunftstäuschung keine Mar­ken­ver­let­zung begründen.

Für die Frage, ob der Ver­kehr eine sol­che Ver­bin­dung im Ein­zel­fall tatsäch­lich her­stellt, kann maßgeb­lich sein, ob die Nachfüll­ware selbst ein für den Ver­kehr bei der Be­nut­zung der Ware er­kenn­ba­res Kenn­zei­chen trägt. Durch eine Zweit­kenn­zeich­nung der Nachfüll­ware wird die her­kunfts­hin­wei­sende Funk­tion der Marke auf dem Behält­nis für den In­halt entkräftet. Auch die Be­din­gun­gen, un­ter de­nen die Nachfüll­ware aus­ge­tauscht wird, müssen für die Be­ant­wor­tung der Frage her­an­ge­zo­gen wer­den, ob der Ver­kehr von der be­trieb­li­chen Her­kunft des Behält­nis­ses einen Schluss auf die be­trieb­li­che Her­kunft des In­halts zieht. Da­bei sind die Prak­ti­ken im je­wei­li­gen Wirt­schafts­zweig ein­zu­be­zie­hen so­wie der Um­stand, ob die Ver­brau­cher es ge­wohnt sind, dass das Behält­nis mit Ware an­de­rer Her­stel­ler bestückt wird. Er­heb­lich kann schließlich sein, ob die Ver­brau­cher den Vor­gang der Befüllung selbst vor­neh­men. Diese Kri­te­rien hat das OLG hier nicht hin­rei­chend berück­sich­tigt.

Im wie­dereröff­ne­ten Be­ru­fungs­ver­fah­ren wird das OLG das Verständ­nis der an­ge­spro­che­nen Ver­kehrs­kreise mit Blick auf die Kenn­zeich­nung der Hand­tuch­spen­der mit der Kla­ge­marke und ei­ner mögli­chen Ver­bin­dung zum In­halt er­neut zu prüfen ha­ben. Da­bei hat es zu berück­sich­ti­gen, dass die von der Be­klag­ten ge­lie­ferte Nachfüll­ware keine ei­genständige Kenn­zeich­nung auf­weist und die an­ge­spro­che­nen Ver­brau­cher den Nachfüll­vor­gang re­gelmäßig nicht selbst ver­an­las­sen oder durchführen. Das OLG wird al­ler­dings zu berück­sich­ti­gen ha­ben, dass nach den Fest­stel­lun­gen des LG bei Pro­duk­ten im sog. AFH-Be­reich (Away-from-home-Be­reich) Mar­ken eine ge­rin­gere Rolle spie­len als bei an­de­ren Pro­duk­ten und es eine Viel­falt vor­han­de­ner Hand­tuch­spen­der und Sys­teme gibt. Das OLG muss prüfen, ob und in­wie­weit die­ser Um­stand auf die Ver­kehrs­auf­fas­sung der maßgeb­li­chen Ver­kehrs­kreise Aus­wir­kun­gen hat. Das könnte der Fall sein, wenn bei der Be­nut­zung von Pa­pier­handtüchern in öff­ent­li­chen Waschräumen und Toi­let­ten über­haupt nicht oder we­ni­ger auf Mar­ken ge­ach­tet wird, zu­mal diese Pro­dukte von den Ver­brau­chern nicht selbst er­wor­ben, son­dern re­gelmäßig kos­ten­los in An­spruch ge­nom­men wer­den, und die Ver­kehrs­kreise an eine ge­wisse Spen­der­viel­falt gewöhnt sind.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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