Um was geht es?
Das MLI setzt zunächst verschiedene Mindeststandards, die im Rahmen des BEPS-Projekts vereinbart wurden, in den DBA zwischen den teilnehmenden Staaten um. Über die Mindeststandards hinaus enthält das MLI weitere im Zuge von BEPS erarbeitete Regelungen zur Anpassung von DBA. Die teilnehmenden Staaten besitzen hier jedoch bestimmte Wahlfreiheiten, ob sie diese weitergehenden Regelungen in ihren DBA umsetzen möchten. Auch bestimmen die Staaten selbst, welche DBA durch das MLI angepasst werden sollen („Covered Tax Agreements“). Eine vollständige Harmonisierung der bestehenden DBA zwischen den teilnehmenden Staaten geht mit dem MLI im Ergebnis also nicht einher.
Deutschland hat anlässlich der Unterzeichnung des MLI 35 der derzeit bestehenden 96 DBA ausgewählt (z.B. die DBA mit Österreich und UK). Umgekehrt haben bislang 33 Staaten ihr DBA mit Deutschland für eine Anwendung des MLI ausgewählt. Erforderlich für die Anwendung des MLI im Allgemeinen und der konkreten weitergehenden Regelungen ist, dass sich der jeweils andere Staat ebenfalls für die Anwendung des MLI bzw. der entsprechenden weitergehenden Regelung entschieden hat.
Regelungen, die Deutschland anwenden will
Insbesondere bezüglich der folgenden Regelungen hat Deutschland erklärt, sie anwenden zu wollen:
- „DBA-Schachtelprivileg“: Eine Mindesthaltedauer von 365 Tagen wird als Voraussetzung für eine Quellensteuerentlastung bei Dividendenzahlungen eingeführt (Art. 8 des MLI); bereits vorhandene Mindesthaltedauern (z.B. DBA Italien) sollen aber unverändert bleiben.
- „Immobiliengesellschaften“: Gewinne aus dem Verkauf von Kapitalgesellschaftsanteilen und Personengesellschaftsbeteiligungen können in dem Staat besteuert werden, in dem die Immobilien belegen sind, sofern der Wert dieser Anteile innerhalb der letzten 365 Tage vor der Veräußerung zu mehr als 50 % unmittelbar oder mittelbar auf in diesem anderen Vertragsstaat belegenem Grundvermögen beruhte (Art. 9 des MLI).
- „Betriebsstätten“: Bei der Prüfung des Ausnahmekatalogs begründen generell nur mehr vorbereitende Tätigkeiten und Hilfstätigkeiten keine Betriebsstätten (Art. 13 MLI; zu überprüfen anhand des Geschäftsmodells des jeweiligen Gesamtunternehmens).
- „Verständigungsverfahren zwischen den Staaten zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung“ (Art. 16 MLI). Verständigungsverfahren werden derzeit bereits vom Bundeszentralamt für Steuern durchgeführt. Auf EU-Ebene haben sich die Finanzminister am 23.5.2017 auf eine Richtlinie zur Streitbeilegung bei Doppelbesteuerungen geeinigt; vorbehaltlich der Annahme durch den Rat der Europäischen Union findet diese Richtlinie für Steuerjahre ab dem 1.1.2018 Anwendung.
- „Verbindliches steuerliches Schiedsverfahren“ (Art. 18 ff.; Durchführung nach einem erfolglosen Verständigungsverfahren binnen einer Frist von drei Jahren).
Regelungen, die Deutschland nicht anwenden will
Insbesondere bezüglich der folgenden Regelungen hat Deutschland erklärt, sie nicht anwenden zu wollen:
- „Transparente Rechtsträger“ (hybride Gestaltungen, Art. 3 MLI); hierzu sind auf EU-Ebene bereits die sog. ATAD I- und ATAD II-Richtlinien erlassen worden, die Deutschland im Rahmen einer „Gesamtlösung“ umsetzen möchte.
- „Doppelansässige Rechtsträger“ (Art. 4 MLI); es verbleibt also dabei, dass im Regelfall der Staat das Besteuerungsrecht hat, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Eine wichtige Ausnahme hiervon findet sich im DBA mit den USA - hier ist das in der Praxis schwierige Einvernehmen der Staaten entscheidend.
- „Erweiterung des Betriebsstättenbegriffs bei Kommissionärsmodellen und ähnlichen Gestaltungen“ (Art. 12 MLI); hierzu hat Deutschland bereits im Vorfeld Vorbehalte erklärt, da befürchtet wird, dass die ausländischen Staaten vermehrt Betriebsstätten annehmen und damit Besteuerungssubstrat von Deutschland in das Ausland wandert.
- „Dauer von Bau- und Montagebetriebsstätten“ - Zusammenfassung von verschiedenen Verträgen (Art. 14 MLI); hierzu existieren bereits nationale Regelungen in den Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa).
Wie geht es weiter?
Auf Ebene der OECD müssen zunächst mindestens fünf Staaten die Ratifikationsurkunden hinterlegen. Drei Monate nach Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde tritt das MLI dann für diese ersten fünf Staaten in Kraft. Weitere Staaten können hinzutreten.
Für Deutschland findet das MLI allerdings erst drei Monate nach Hinterlegung seiner Ratifikationsurkunde Anwendung, sofern Deutschland nicht bereits zu den ersten fünf Staaten gehören sollte. Dem Vernehmen nach wird die Ratifizierung in Deutschland erst nach der Bundestagswahl erfolgen, so dass mit der Anwendung auf die ausgewählten DBA ab 2019 zu rechnen ist.
Das MLI wurde in zwei bindenden Sprachfassungen (Englisch und Französisch) erlassen und so auch vom Bundesfinanzminister unterzeichnet. Auf Deutsch existiert lediglich eine nicht bindende Übersetzung. Es bleibt abzuwarten, wie hiermit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in Deutschland umgegangen wird.