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Kindergeld: Zum Wohnsitz einer natürlichen Person

BFH 8.5.2014, III R 21/12

An­ge­mie­tete Zim­mer können nur dann den Wohn­sitz von natürli­chen Per­so­nen i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 AO dar­stel­len, wenn es sich hier­bei um eine auf Dauer zum Be­woh­nen ge­eig­nete Räum­lich­keit han­delt, die der Be­tref­fende - wenn auch in größeren Zeit­abständen - mit ei­ner ge­wis­sen Re­gelmäßig­keit tatsäch­lich zu Wohn­zwe­cken nutzt. Ob dies bei einem Ge­wer­be­trei­ben­den der Fall ist, lässt sich im All­ge­mei­nen nicht aus der Höhe der im In­land er­ziel­ten Einkünfte fol­gern.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist pol­ni­scher Staats­an­gehöri­ger und Va­ter zweier min­derjähri­ger Kin­der. Er hatte im Streit­zeit­raum Sep­tem­ber 2007 bis März 2008 ein Wohn­sitz und ein Ge­werbe für eine GbR in Deutsch­land an­ge­mel­det. Die Kin­der leb­ten in die­ser Zeit bei ih­ren Müttern in Po­len. Nach den vor­ge­leg­ten Ein­kom­men­steu­er­be­schei­den für 2006 und für 2007 er­zielte der Kläger im Jahr 2007 ein zu ver­steu­ern­des Ein­kom­men und im Jahr 2008 Einkünfte aus Ge­wer­be­be­trieb. Der Kläger legte einen von Herrn A. als Un­ter­ver­mie­ter un­ter­zeich­ne­ten - in­halt­lich kurz ge­fass­ten - Un­ter­miet­ver­trag vor, der mit den Worten "Miet­ver­trag über das Zim­mer und Be­triebsstätte" über­schrie­ben war. Zu­dem legte er einen von Frau O. als Ver­mie­te­rin und Herrn A. un­ter­zeich­ne­ten Haupt­miet­ver­trag vor, mit dem Herrn A. die Un­ter­ver­mie­tung des von ihm an­ge­mie­te­ten Ein­fa­mi­li­en­hau­ses ge­stat­tet wurde.

Der Kläger war in den Jah­ren 2006 bis 2008 we­der in der pol­ni­schen noch in der deut­schen So­zi­al­ver­si­che­rung er­fasst. Seit Ende Ok­to­ber 2008 lebt der Kläger wie­der in Po­len und erhält dort seit März 2009 wie­der pol­ni­sche Fa­mi­li­en­leis­tun­gen. Be­reits für den Zeit­raum Juni 2006 bis Mai 2007 hatte er für seine Kin­der pol­ni­sche Fa­mi­li­en­leis­tun­gen er­hal­ten. Die für den Zeit­raum Fe­bruar 2007 bis Mai 2007 be­zo­ge­nen pol­ni­schen Fa­mi­li­en­leis­tun­gen zahlte er später zurück. Im April 2007 be­an­tragte der Kläger bei der Fa­mi­li­en­kasse Kin­der­geld für seine Kin­der. Er gab an, in Deutsch­land nicht so­zi­al­ver­si­chert zu sein. We­der er noch seine Ehe­frau hätten in den letz­ten fünf Jah­ren Fa­mi­li­en­leis­tun­gen für die Kin­der be­an­tragt oder er­hal­ten. Nach Aus­kunft des pol­ni­schen Leis­tungsträgers übten we­der seine Ehe­frau noch seine Ex-Frau be­ruf­li­che Tätig­kei­ten aus.

Die Fa­mi­li­en­kasse ent­sprach dem Kin­der­geld­an­trag al­ler­dings nur teil­weise. Sie setzte deut­sches Kin­der­geld für beide Kin­der ab Juni 2006 in je­weils hälf­ti­ger Höhe fest. Zur Begründung führte die Behörde aus, dass zwar die na­tio­na­len An­sprüche zweier Staa­ten auf­ein­an­der­tref­fen würden, aber ein ge­sam­ter Aus­schluss des deut­schen Kin­der­geld­an­spruchs nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG nicht ge­recht­fer­tigt sei. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion der Fa­mi­li­en­kasse hob der BFH je­doch das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die Fest­stel­lun­gen des FG reich­ten nicht aus, um ab­schließend be­ur­tei­len zu können, ob der Kläger im Streit­zeit­raum nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG an­spruchs­be­rech­tigt ist. Da­nach ist an­spruchs­be­rech­tigt, wer im In­land einen Wohn­sitz oder sei­nen gewöhn­li­chen Auf­ent­halt hat. Das FG hat ent­schie­den, dass der Kläger über einen inländi­schen Wohn­sitz verfügt hatte. Diese An­nahme hielt je­doch ei­ner re­vi­si­ons­recht­li­chen Nachprüfung nicht stand, weil es hierfür an ei­ner tragfähi­gen Tat­sa­chen­grund­lage fehlte.

Dem­nach hat je­mand sei­nen Wohn­sitz dort, wo er eine Woh­nung u.U. in­ne­hat, die dar­auf schließen las­sen, dass er die Woh­nung bei­be­hal­ten oder be­nut­zen wird. Hier­nach setzt ein Wohn­sitz eine Woh­nung, d.h. eine sta­tionäre Räum­lich­keit vor­aus, die auf Dauer zum Be­woh­nen ge­eig­net ist. Dies wie­derum er­for­dert eine den persönli­chen und wirt­schaft­li­chen Verhält­nis­sen des In­ha­bers ent­spre­chende Bleibe. Eine nur vorüber­ge­hende oder notdürf­tige Un­ter­brin­gungsmöglich­keit reicht al­ler­dings nicht aus. In­fol­ge­des­sen kann ein an­ge­mie­te­tes Zim­mer nur dann der Wohn­sitz ei­ner natürli­chen Per­son i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 AO sein, wenn es sich hier­bei um eine auf Dauer zum Be­woh­nen ge­eig­nete Räum­lich­keit han­delt, die der Be­tref­fende - wenn auch in größeren Zeit­abständen - mit ei­ner ge­wis­sen Re­gelmäßig­keit tatsäch­lich zu Wohn­zwe­cken nutzt.

Nach al­le­dem blieb im Er­geb­nis of­fen, ob der Kläger - ggf. auch in größeren Zeit­abständen - eine auf Dauer zum Be­woh­nen ge­eig­nete Räum­lich­keit mit ei­ner ge­wis­sen Re­gelmäßig­keit tatsäch­lich zu Wohn­zwe­cken ge­nutzt hatte. Das FG hatte keine Fest­stel­lun­gen dazu ge­trof­fen, für wel­che Zwecke das an­ge­mie­tete Zim­mer tatsäch­lich ge­nutzt wurde. An­lass hierzu hätte ge­rade auch des­halb be­stan­den, weil der Un­ter­miet­ver­trag als "Miet­ver­trag über das Zim­mer und Be­triebsstätte" über­schrie­ben war. Das Vor­lie­gen die­ser Vor­aus­set­zun­gen ließ sich im All­ge­mei­nen auch nicht aus der Höhe der vom Kläger im In­land er­ziel­ten Einkünfte fol­gern. Ins­be­son­dere er­gab sich hier­aus nicht, in wel­cher Häufig­keit und über wel­che Dauer der Kläger die Räum­lich­keit ge­nutzt hatte.

Link­hin­weis:

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