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Keine "arglistige Täuschung" bei unzutreffender rechtlicher Würdigung des Arbeitgebers

BFH 8.7.2015, VI R 51/14

Hat ein Steu­er­pflich­ti­ger dem Fi­nanz­amt den für die Be­steue­rung maßgeb­li­chen Sach­ver­halt im Ver­an­la­gungs­ver­fah­ren vollständig of­fen­ge­legt, han­delt er nicht arg­lis­tig und be­dient sich auch nicht sons­ti­ger un­lau­te­rer Mit­tel i.S.d. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2c AO, wenn er sich im Ein­spruchs­ver­fah­ren wei­ter­hin auf An­ga­ben in der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung be­zieht, de­nen nach Auf­fas­sung der Fi­nanz­behörde eine un­zu­tref­fende recht­li­che Würdi­gung des Ar­beit­ge­bers zu­grunde liegt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger hat­ten in ih­rer ge­mein­sa­men Ein­kom­men­steu­er­erklärung in der An­lage N zu den Einkünf­ten der Kläge­rin aus nicht­selbständi­ger Ar­beit einen Brut­to­ar­beits­lohn i.H.v. 20.201 € und Ent­schädi­gun­gen i.H.v. 174.034 € erklärt. Die Ar­beit­ge­ber der Kläge­rin über­mit­tel­ten dem Fi­nanz­amt elek­tro­ni­sch für die Zeit von Ja­nuar bis Ende Juni 2007 einen Brut­to­ar­beits­lohn von 26.980 € und einen ermäßigt be­steu­er­ten Ar­beits­lohn i.H.v. 174.034 € und für den Rest des Jah­res einen Brut­to­ar­beits­lohn i.H.v. 6.920 €.

Nach­dem das Fi­nanz­amt die Kläger auf­ge­for­dert hatte, Un­ter­la­gen zur Be­rech­nung und Zah­lungs­weise des ermäßigt be­steu­er­ten Ar­beits­lohns der Kläge­rin und eine Auf­stel­lung ein­zu­rei­chen, aus der sich der ne­ga­tive Brut­to­ar­beits­lohn der Kläge­rin er­gebe, reich­ten die Kläger im Sep­tem­ber 2008 einen Auf­he­bungs­ver­trag der Kläge­rin aus Juni 2007 ein. Da­nach sollte die Kläge­rin we­gen Auflösung ih­res Ar­beits­verhält­nis­ses eine Ab­fin­dung i.H.v. 174.034 € er­hal­ten ha­ben, von der ein Teil­be­trag i.H.v. 50.017 € in eine Di­rekt­ver­si­che­rung für die Kläge­rin ein­be­zahlt wer­den sollte. Außer­dem reich­ten die Kläger eine Be­schei­ni­gung mit ei­ner "Auf­stel­lung der be­schei­nig­ten Summe in der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung Zeile 3" ein. Da­nach war bei der Be­rech­nung des in Zeile 3 der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung ein­ge­tra­ge­nen Brut­to­ar­beits­lohns die "Ein­zah­lung aus Ab­fin­dung in Di­rekt­ver­si­che­rung" i.H.v. 50.017 € als Ab­zugs­pos­ten berück­sich­tigt und ge­langte so zu einem Wert i.H.v. 26.980 €.

Im No­vem­ber 2008 setzte das Fi­nanz­amt die Ein­kom­men­steuer fest. Es wies dar­auf hin, dass der Brut­to­ar­beits­lohn der Kläge­rin 29.956 € be­trage. Der Be­trag für die Di­rekt­ver­si­che­rung i.H.v. 50.017 € sei nach § 3 Nr. 63 EStG steu­er­frei und von der Ab­fin­dung ab­zu­zie­hen, so dass 124.017 EUR als ermäßigt be­steu­er­ter Ar­beits­lohn zu berück­sich­ti­gen seien. Ein Ab­zug des steu­er­freien Be­trags vom Brut­to­ar­beits­lohn sei nicht vor­zu­neh­men, da die Zah­lun­gen im Rah­men der Auflösung des Dienst­verhält­nis­ses er­folgt und auch von der ver­ein­bar­ten Ab­fin­dung ein­be­hal­ten wor­den seien. Hier­ge­gen leg­ten die Kläger Ein­spruch ein. Eine an­dere Sach­be­ar­bei­te­rin half dem Ein­spruch mit Ände­rungs­be­scheid aus Fe­bruar 2009 ab.

Im Mai 2009 stellte das Fi­nanz­amt fest, dass durch eine fal­sche Lohn­steu­er­ver­schlüsse­lung Beiträge zur Di­rekt­ver­si­che­rung nicht mit der Ab­fin­dung, son­dern mit dem Brut­to­ar­beits­lohn ver­rech­net wor­den wa­ren. Da­durch wurde auf der elek­tro­ni­schen Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung ein ne­ga­ti­ver Brut­to­ar­beits­lohn aus­ge­wie­sen. Dar­auf­hin er­ließ das Fi­nanz­amt einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänder­ten Ein­kom­men­steu­er­be­scheid und berück­sich­tigte da­bei - wie im ur­sprüng­li­chen Be­scheid - einen Brut­to­ar­beits­lohn der Kläge­rin i.H.v. 29.956 € und eine Ent­schädi­gung i.H.v. 124.017 €.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Die Gründe:
Der Ein­kom­men­steu­er­be­scheid 2007 aus Fe­bruar 2009 durfte nicht durch das Fi­nanz­amt geändert wer­den.

Dem FA wa­ren be­reits bei Er­lass des Ein­kom­men­steu­er­be­scheids sämt­li­che für die Be­steue­rung maßgeb­li­chen Tat­sa­chen be­kannt. Tat­sa­chen wa­ren, dass die Kläge­rin im Juni 2007 einen Auflösungs­ver­trag ge­schlos­sen hatte, eine Ab­fin­dungs­summe i.H.v. 174.034 € ge­zahlt wurde und ein Teil­be­trag i.H.v. 50.017 € in eine Di­rekt­ver­si­che­rung ein­be­zahlt wurde. Tat­sa­che war auch, dass in der Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung bei der Be­rech­nung des Brut­to­ar­beits­lohns der Kläge­rin die Ein­zah­lung in die Di­rekt­ver­si­che­rung als Ab­zugs­pos­ten berück­sich­tigt wurde. Diese Tat­sa­chen wa­ren im Sep­tem­ber 2008 ak­ten­kun­dig. Auf die in­di­vi­du­elle Kennt­nis der neu zuständi­gen Sach­be­ar­bei­te­rin kam es nicht an.

Nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2c AO darf ein Steu­er­be­scheid geändert wer­den, so­weit er durch un­lau­tere Mit­tel, wie arg­lis­tige Täuschung, Dro­hung oder Be­ste­chung er­wirkt wurde. Für Arg­list reicht be­reits das Be­wusst­sein aus, wahr­heits­wid­rige An­ga­ben zu ma­chen. Nicht er­for­der­lich ist die Ab­sicht, da­mit das Fi­nanz­amt zu ei­ner Ent­schei­dung zu ver­an­las­sen. Ein Mit­ver­schul­den der Fi­nanz­behörde ist un­er­heb­lich.

In­fol­ge­des­sen lag hier keine arg­lis­tige Täuschung vor. Die Kläger hat­ten le­dig­lich eine an­dere recht­li­che Würdi­gung hin­sicht­lich der lohn­steu­er­li­chen Be­hand­lung der Ein­zah­lung in die Di­rekt­ver­si­che­rung mit­ge­teilt. Der schlichte Vor­trag ei­ner an­de­ren Rechts­auf­fas­sung im Rah­men des Ein­spruchs­ver­fah­rens ist je­doch nicht "arg­lis­tig" oder in sons­ti­ger Weise "un­lau­ter". Zu­dem ent­fal­tet die Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung le­dig­lich einen Be­weis­wert da­hin­ge­hend, wie der Lohn­steu­er­ab­zug tatsäch­lich statt­ge­fun­den hat und ge­rade nicht darüber, wie er hätte durch­geführt wer­den müssen, so dass auch aus die­sem Grund durch die Be­zug­nahme auf die Lohn­steu­er­be­schei­ni­gung keine "un­rich­ti­gen (tatsäch­li­chen) An­ga­ben" ge­macht wur­den.

Link­hin­weis:

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