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Grundsätzlich kein ermäßigter Steuersatz für Personenbeförderungsleistungen

BFH 2.7.2014, XI R 22/10 u.a.

Die Re­ge­lung in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG zur An­wen­dung des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes auf Per­so­nen­beförde­rungs­leis­tun­gen im Nah­ver­kehr mit Ta­xen ist grundsätz­lich uni­ons­rechts­kon­form, ob­wohl ent­spre­chende Leis­tun­gen mit Miet­wa­gen nicht von der Vergüns­ti­gung er­fasst sind, son­dern nach § 12 Abs. 1 UStG dem Re­gel­steu­er­satz un­ter­lie­gen. Die Rechts­lage kann aber an­ders zu be­ur­tei­len sein, wenn von einem Miet­wa­gen­un­ter­neh­mer durch­geführte Kran­ken­fahr­ten auf mit Großkun­den ge­schlos­se­nen Son­der­ver­ein­ba­run­gen be­ru­hen, die auch für Ta­xi­un­ter­neh­mer gel­ten.

Der Sach­ver­halt:
Im Ver­fah­ren Az.: XI R 22/10 be­trieb die Kläge­rin seit 1994 ein Miet­wa­gen­un­ter­neh­men mit Fah­rer­ge­stel­lung. Der Leis­tungs­ka­ta­log um­fasste u.a. Kran­ken­trans­porte (sit­zend), Dia­ly­se­fahr­ten, Beförde­rung von Schülern, Ku­rier­dienste, Ho­tel- und Flug­haf­en­trans­fers so­wie Stadt­rund­fahr­ten. Zu ih­ren Kun­den gehörten ne­ben Pri­vat­per­so­nen auch eine Reihe von Dauer- und Großkun­den. Aufträge bzw. Vor­be­stel­lun­gen wur­den te­le­fo­ni­sch bzw. per Te­le­fax oder E-Mail ent­ge­gen­ge­nom­men. Die Fahr­preis­ge­stal­tung rich­tete sich nach einem fes­ten Ta­rif­zo­nen­plan, aus dem sich die End­preise für die Kun­den er­ga­ben. Die Kläge­rin verfügte in den Streit­jah­ren 2003 bis 2006 über be­triebs­ei­gene Fahr­zeuge.

In ih­ren Um­satz­steu­er­erklärun­gen für die Streit­jahre berück­sich­tigte die Kläge­rin ihre Umsätze bei Beförde­rungs­stre­cken von nicht mehr als 50 km bzw. in­ner­halb der Stadt mit dem ermäßig­ten Steu­er­satz (7 %). Das Fi­nanz­amt un­ter­warf diese Umsätze al­ler­dings dem Re­gel­steu­er­satz (16 %). Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage im We­sent­li­chen ab.

Im Ver­fah­ren Az.: XI R 39/10 verfügte die Kläge­rin zwar über eine Ge­neh­mi­gung für den Ver­kehr mit Miet­wa­gen, aber nicht über eine Ge­neh­mi­gung für den Ver­kehr mit Ta­xen. In den Streit­jah­ren 2006 und 2007 führte sie im Auf­trag von Kran­ken­kas­sen Kran­ken­fahr­ten mit hierfür nicht be­son­ders ein­ge­rich­te­ten Fahr­zeu­gen durch. Mit der Kran­ken­kasse A. hatte sie da­bei Son­der­ver­ein­ba­run­gen ab­ge­schlos­sen, die glei­chermaßen für Ta­xi­un­ter­neh­mer gal­ten.

Die Kläge­rin be­gehrte für diese Fahr­ten eine Be­steue­rung mit dem ermäßig­ten Steu­er­satz gem. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG. Das Fi­nanz­amt ging nicht dar­auf ein. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage blieb dies­bezüglich er­folg­los.

Auf die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen setzte der BFH die Ver­fah­ren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vor­ab­ent­schei­dung vor, ob Art. 12 Abs. 3a Un­ter­abs. 3 i.V.m. An­hang H Ka­te­go­rie 5 der Richt­li­nie 77/388/EWG und Art. 98 Abs. 1 i.V.m. An­hang III Ka­te­go­rie 5 MwSt­Sys­tRL un­ter Be­ach­tung des Neu­tra­litätsprin­zips ei­ner na­tio­na­len Re­ge­lung ent­ge­gen­ste­hen, die für die Beförde­rung von Per­so­nen im Ver­kehr mit Ta­xen im Nah­ver­kehr den ermäßig­ten Um­satz­steu­er­satz vor­sieht, wo­hin­ge­gen für die Beförde­rung von Per­so­nen mit sog. Miet­wa­gen im Nah­ver­kehr der Re­gel­steu­er­satz gilt.

Der EuGH hat diese Frage mit Ur­teil vom 27.2.2014 in den ver­bun­de­nen Rechts­sa­chen C-454/12 (Pro Med Lo­gis­tik GmbH) und C-455/12 (Eckard Pon­gratz) be­ant­wor­tet. Dar­auf­hin hat der BFH im Ver­fah­ren XI R 22/10 die Re­vi­sion ab­ge­wie­sen und im Ver­fah­ren XI R 39/10 die Sa­che an das FG zurück­ver­wie­sen.

Die Gründe:
Das FG hatte im Ver­fah­ren XI R 22/10 zu Recht ent­schie­den, dass die Miet­wa­gen­umsätze nicht mit dem ermäßig­ten Steu­er­satz zu ver­steu­ern wa­ren.

Die Be­schränkung der An­wen­dung des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes auf Per­so­nen­beförde­rungs­leis­tun­gen mit Ta­xen ent­spricht im Hin­blick auf die Vor­ga­ben des EuGH den Richt­li­ni­en­be­stim­mun­gen und stellt in­so­weit auch keine Ver­let­zung des Neu­tra­litätsge­bots dar. Denn der na­tio­nale Ge­setz­ge­ber ist be­rech­tigt, die Per­so­nen­beförde­rung im Nah­ver­kehr per Taxi als öff­ent­li­che Dienst­leis­tung, die be­son­de­ren Ver­pflich­tun­gen un­ter­liegt - u.a. Be­triebs­pflicht, all­ge­meine Beförde­rungs­pflicht und Be­ach­tung fest­ge­leg­ter Beförde­rungs­ent­gelte - mit der An­wen­dung des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes zu begüns­ti­gen.

Im Ver­fah­ren XI R 39/10 reich­ten die bis­lang vom FG ge­trof­fe­nen tatsäch­li­chen Fest­stel­lun­gen nicht aus, um eine ab­schließende Ent­schei­dung zur Frage der An­wen­dung des ermäßig­ten Steu­er­sat­zes auf die streit­be­fan­ge­nen Umsätze zu tref­fen.

Ent­spre­chend den Ausführun­gen des EuGH in sei­nem Ur­teil vom 27.2.2014 (Rz. 61 - 64) kann die grundsätz­lich auf­ge­wor­fene Rechts­frage an­ders zu be­ur­tei­len sein, wenn von einem Miet­wa­gen­un­ter­neh­mer durch­geführte Kran­ken­trans­porte auf mit Kran­ken­kas­sen ge­schlos­se­nen Son­der­ver­ein­ba­run­gen be­ru­hen, die glei­chermaßen für Ta­xi­un­ter­neh­mer gel­ten. Denn in einem sol­chen Fall ist das Beförde­rungs­ent­gelt in der Ver­ein­ba­rung fest­ge­legt und es gibt auch keine über die­sen Ver­trag hin­aus­ge­hende Beförde­rungs- und Be­triebs­pflicht.

Da sich dem Sach­ver­halt bis­lang u.a. aber nicht ent­neh­men ließ, ob und in wel­chem Um­fang die Kläge­rin ihre Leis­tun­gen im streit­be­fan­ge­nen Zeit­raum auf der Grund­lage ei­nes der­ar­ti­gen Ver­tra­ges er­bracht hatte, muss das FG die ent­spre­chen­den tatsäch­li­chen Fest­stel­lun­gen nun im zwei­ten Rechts­gang nach­ho­len.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text von XI R 22/10 zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
  • Um di­rekt zum Voll­text von XI R 39/10 zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
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