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Steuerberatung

Genügen gegensätzliche Interessen für ermäßigte Besteuerung einer Abfindung?

FG Münster 17.3.2017, 1 K 3037/14 E

Es ist nicht ab­schließend geklärt, wel­che An­for­de­run­gen an eine Kon­flikt­lage, die als "be­son­de­res Er­eig­nis" i.S.d. BFH-Recht­spre­chung zur An­nahme ei­ner Ent­schädi­gung führt, zu stel­len sind; v.a., ob das Be­ste­hen ei­ner von ge­gensätz­li­chen In­ter­es­sen zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer, aus­reicht.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war bis März 2013 als kom­mu­na­ler Ver­wal­tungs­an­ge­stell­ter be­schäftigt. Da­nach be­zog er Ren­ten­einkünfte aus der Kom­mu­na­len Ver­sor­gungs­kasse für West­fa­len-Lippe und eine Rente der Deut­schen Ren­ten­ver­si­che­rung Bund. Grund­lage für die Be­en­di­gung des Ar­beits­verhält­nis­ses des Klägers war ein Ende 2012 zwi­schen ihm und der Stadt ge­schlos­se­ner Auflösungs­ver­trag. Die­ser sah vor, dass das Ar­beits­verhält­nis im ge­gen­sei­ti­gen Ein­ver­neh­men und ohne Ein­hal­tung ei­ner Kündi­gungs­frist be­en­det werde. Zu­dem war ge­re­gelt, dass der Kläger zum Zeit­punkt sei­nes Aus­schei­dens eine Ab­fin­dung i.H.v. 36.250 € er­hal­ten sollte. Alle ge­gen­sei­ti­gen An­sprüche aus dem Ar­beits­verhält­nis soll­ten erlöschen und der Kläger ver­zich­tete auf wei­tere recht­li­che Schritte et­wai­ger Höher­grup­pie­rungs- und Gleich­be­hand­lungs­be­geh­ren.

Die ver­ein­barte Ab­fin­dung zahlte die Stadt an den Kläger mit der Ge­halts­ab­rech­nung für März 2013 aus. In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Jahr 2013 be­an­tragte der Kläger, den Ab­fin­dungs­be­trag dem ermäßig­ten Steu­er­satz gem. § 34 Abs. 1 u. Abs. 2 EStG, der sog. Fünf­tel-Re­ge­lung, zu un­ter­wer­fen. Dem folgte das Fi­nanz­amt al­ler­dings nicht und ver­an­lagte den Kläger zur Ein­kom­men­steuer, ohne den ermäßig­ten Steu­er­satz. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte un­zu­tref­fend den ermäßig­ten Steu­er­sat­zes gem. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG nicht auf die von der Stadt ge­zahlte Ab­fin­dung an­ge­wandt. Da­nach un­ter­lie­gen Ent­schädi­gun­gen als außer­or­dent­li­che Einkünfte einem be­son­de­ren (ermäßig­ten) Steu­er­satz. Die hier ge­zahlte Ab­fin­dung erfüllte die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Ent­schädi­gung gem. § 24 Nr. 1 a) EStG.

Durch den Ab­schluss des Auflösungs­ver­tra­ges er­litt der Kläger einen Scha­den in Form des Weg­falls sei­ner Bezüge aus dem An­stel­lungs­ver­trag. Die Ab­fin­dungs­zah­lung war un­mit­tel­bar zum Aus­gleich die­ses Scha­dens be­stimmt. Neue Rechts­grund­lage für die Ab­fin­dung war der Auflösungs­ver­trag. Der Kläger stand bei dem Ab­schluss des Auflösungs­ver­tra­ges auch un­ter dem von der BFH-Recht­spre­chung ge­for­der­ten nicht un­er­heb­li­chen tatsäch­li­chen Druck, denn er han­delte in ei­ner Kon­flikt­lage zur Ver­mei­dung von Strei­tig­kei­ten über die wei­tere Fort­set­zung des Ar­beits­verhält­nis­ses und über die von ihm be­gehrte Höher­grup­pie­rung.

Der An­wen­dung des § 24 Nr. 1 a) EStG stand da­bei nicht ent­ge­gen, dass der Kläger auf die Stadt zu­ge­gan­gen war und den Ab­schluss ei­nes Auflösungs­ver­tra­ges mit Ab­fin­dungs­re­ge­lung ein­ge­for­dert hatte. Für die An­nahme ei­ner Kon­flikt­si­tua­tion i.S.d. BFH-Recht­spre­chung, die das von der Recht­spre­chung ent­wi­ckelte Merk­mal der "Zwangs­si­tua­tion" erfüllen soll, muss es aus­rei­chen, dass über­haupt eine ge­gensätz­li­che In­ter­es­sen­lage zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer be­stand, beide Kon­flikt­par­teien zur Ent­ste­hung des Kon­flikts bei­ge­tra­gen ha­ben und die Par­teien den Kon­flikt im Kon­sens lösen. Diese Vor­aus­set­zun­gen wa­ren im vor­lie­gen­den Fall erfüllt, denn der Kläger und die Stadt hat­ten durch die Auflösungs­ver­ein­ba­rung ihre In­ter­es­sen­kon­flikte bezüglich ei­nes vor­zei­ti­gen Aus­schei­dens des Klägers aus dem Dienst und bezüglich ei­ner Höher­grup­pie­rung des Klägers be­rei­nigt. Hätte der Kläger - an­ders als im Streit­fall - ohne Auf­lage des Pro­gramms zur Per­so­nal­re­du­zie­rung die vor­zei­tige Auflösung sei­nes Ar­beits­ver­tra­ges ge­gen Ab­fin­dung be­gehrt und vor­an­ge­trie­ben, wäre eine An­wen­dung des § 24 Nr. 1 a) EStG aus­ge­schlos­sen.

Es ist je­doch nicht ab­schließend geklärt, wel­che An­for­de­run­gen an eine Kon­flikt­lage, die als "be­son­de­res Er­eig­nis" i.S.d. BFH-Recht­spre­chung zur An­nahme ei­ner Ent­schädi­gung i.S.v. § 24 Nr. 1 a) EStG führt, zu stel­len sind, ins­be­son­dere, ob hierfür das Be­ste­hen ei­ner ge­gensätz­li­chen In­ter­es­sen­lage zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer, zu de­ren Ent­ste­hung beide Kon­flikt­par­teien bei­ge­tra­gen ha­ben und die im Kon­sens gelöst wird, aus­reicht, ohne dass es auf das Ge­wicht und den Zeit­punkt der je­wei­li­gen Ver­ur­sa­chungs­beiträge für die Ent­ste­hung der Kon­flikt­lage an­kommt. In­fol­ge­des­sen wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

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