Der Kläger war Inhaber eines Hotel- und Gastronomiebetriebs. Gemäß der Corona-Eindämmungsverordnung waren Gaststätten für den Publikumsverkehr zu schließen und das Beherbergen von Personen zu touristischen Zwecken war untersagt. Während der Gaststättenschließung bot er Speisen und Getränke im Außerhausverkauf an. Auch erhielt er eine Corona Soforthilfe in Höhe von 60.000 Euro. Er machte geltend, dass es verfassungsrechtlich geboten sei, ihn und andere Unternehmer für die durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie erlittenen Umsatz- und Gewinneinbußen zu entschädigen.
Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes nicht anwendbar
Laut BGH gewähren die Entschädigungsvorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) Gewerbetreibenden, die infolge der auf § 28 Abs. 1 IfSG gestützten flächendeckenden Lockdowns, insbesondere eine Betriebsschließung oder Betriebsbeschränkung, wirtschaftliche Einbußen erlitten haben, weder in unmittelbarer noch in entsprechender Anwendung einen Entschädigungsanspruch.
Der Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG sei von vornherein nicht einschlägig, weil die durch Verordnung angeordneten Verbote gegenüber einer unbestimmten Vielzahl von Personen ergangen sind und nicht gezielt personenbezogen angeordnet wurden.
Ein Anspruch auf Zahlung einer Geldentschädigung bei behördlichen Maßnahmen, § 65 Abs. 1 IfSG bestehe nicht. Ein solcher sie nur bei Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten und nicht zur Bekämpfung der bereits deutschlandweit ausgebreiteten Krankheit einschlägig. Eine erweiterte Auslegung der Vorschrift auf Bekämpfungsmaßnahmen, die zugleich eine die Ausbreitung der Krankheit verhütende Wirkung haben, komme nicht in Betracht.
Eine Auslegung dieser beiden Regeln dahingehend, dass auch in der vorliegenden Fallgestaltung eine Entschädigung zu gewähren ist, wie es in einem Beschluss einer Kammer des BVerfG vom 10.02.2022 (Az. 1 BvR 1073/21) kursorisch in Erwägung gezogen wurde, scheidet laut BGH aus. Dies setze voraus, dass mehrere Deutungen möglich sind. Sie findet ihre Grenze an dem klaren Wortlaut der Bestimmung und darf nicht im Widerspruch zu dem eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzes stehen. Der Wortlaut von § 56 und § 65 IfSchG sei klar und lasse eine ausdehnende Auslegung nicht zu. Zudem würde der eindeutige Wille des Gesetzgebers konterkariert, nur ausnahmsweise aus Gründen der Billigkeit eine Entschädigung für Störer im infektionsschutzrechtlichen Sinn vorzusehen.
Der Entschädigungsanspruch könne mangels planwidriger Regelungslücke auch nicht auf eine analoge Anwendung von § 56 Abs. 1 oder § 65 Abs. 1 IfSG gestützt werden. Den infektionsschutzrechtlichen Entschädigungstatbeständen liege die abschließende gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, Entschädigungen auf wenige Fälle punktuell zu begrenzen und Erweiterungen ausdrücklich ins Gesetz aufzunehmen. Darüber hinaus fehle es auch an der Vergleichbarkeit der Interessenlage zwischen den Entschädigungsregelungen nach §§ 56, 65 IfSG und flächendeckenden Betriebsschließungen, die auf gegenüber der Allgemeinheit getroffenen Schutzmaßnahmen beruhen.
Nachrangigkeit des Ordnungsrechts
Auch sei ein Entschädigungsanspruch aus § 38 Abs. 1 Buchst. a i.V.m. § 18 des Ordnungsbehördengesetzes für das Land Brandenburg abzulehnen. Als spezialgesetzliche Vorschriften der Gefahrenabwehr hätten die Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes Anwendungsvorrang und entfalteten eine Sperrwirkung gegenüber den Regelungen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts.
Kein enteignender Eingriff
Darüber hinaus scheitern nach den Ausführungen des BGH Ansprüche aus dem richterrechtlich entwickelten Haftungsinstitut des enteignenden Eingriffs daran, dass das den §§ 56, 65 IfSG zugrundeliegende und gesetzgeberisch als abschließend gedachte Konzept einer punktuellen Entschädigung im Bereich der Eigentumseingriffe nicht durch die Gewährung richterrechtlicher Ansprüche unterlaufen werden dürfe. Unabhängig davon sei der Anwendungsbereich des Rechtinstituts des enteignenden Eingriffs nicht eröffnet, wenn es darum geht, im Rahmen einer Pandemie durch flächendeckende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen, die als Inhalts- und Schrankenbestimmung der Eigentumsgarantie gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen sind, verursachte Schäden auszugleichen. Es stünde in einem offenen Widerspruch zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Entschädigung, wenn die Gerichte – gestützt auf das richterrechtliche Institut des enteignenden Eingriffs – im Zusammenhang mit einer Pandemiebekämpfung im Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG massenhafte und großvolumige Entschädigungen zuerkennen würden.
Kein Anspruch aus ausgleichspflichtiger Inhaltsbestimmung
Ebenso wenig könne eine Entschädigung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der sog. ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung des Eigentums eine Entschädigung zuerkannt werden. Zweifelhaft sei bereits, ob dieses Rechtsinstitut, das bislang vor allem auf Härtefälle bei unzumutbaren Belastungen einzelner Eigentümer angewandt worden ist, geeignet ist, auf Pandemielagen sachgerecht im Sinne einer gerechten Lastenverteilung zu reagieren. Nach Auffassung des BGH wäre es aber jedenfalls im Hinblick auf den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Entschädigung nicht zulässig, vorliegend einen Ausgleichsanspruch kraft Richterrechts unter dem Gesichtspunkt der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung zu gewähren.
Kein Staatshaftungsanspruch
Weiter führen die Richter aus, dass Hilfeleistungen für von einer Pandemie schwer getroffene Wirtschaftsbereiche keine Aufgabe der Staatshaftung seien. Vielmehr folge aus dem Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG, dass die staatliche Gemeinschaft Lasten mitträgt, die aus einem von der Gesamtheit zu tragenden Schicksal entstanden sind und nur zufällig einen bestimmten Personenkreis treffen. Hieraus folge zunächst nur die Pflicht zu einem innerstaatlichen Ausgleich, dessen nähere Gestaltung weitgehend dem Gesetzgeber überlassen ist. Erst eine solche gesetzliche Regelung könne konkrete Ausgleichsansprüche der einzelnen Geschädigten begründen.
Dieser sozialstaatlichen Verpflichtung könne der Staat etwa dadurch nachkommen, dass er – wie bei COVID-19-Pandemie geschehen – haushaltsrechtlich durch die Parlamente abgesicherte Corona-Unterstützungsmaßnahmen auflegt, die die gebotene Beweglichkeit aufweisen und eine lageangemessene Reaktion zum Beispiel durch kurzfristige existenzsichernde Unterstützungszahlungen an betroffene Unternehmen erlauben.
Kein Amtshaftungsanspruch
Weiter bestünden auch keine Ansprüche aus Amtshaftung (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG) und enteignungsgleichem Eingriff sowie nach § 1 Abs. 1 des Staatshaftungsgesetzes des Landes Bandenburg. Die Corona-Eindämmungsverordnung und die Folgeverordnungen waren als solche rechtmäßig. Die getroffenen Schutzmaßnahmen, insbesondere die angeordneten Betriebsschließungen, waren erforderlich, um die weitere Ausbreitung der COVID-19-Krankheit zu verhindern.