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FG Münster: Keine Aussetzung der Vollziehung trotz ernstlicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Zinsschranke

Beschluss des FG Münster vom 29.4.2013 - 9 V 2400/12 K

Es be­ste­hen zwar ernst­li­che Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit der sog. Zins­schranke (§ 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 KStG). Das FG Müns­ter folgt in dem vor­lie­gen­den Be­schluss den­noch der von der Recht­spre­chung des BFH bis­her noch über­wie­gend ver­tre­te­nen ein­schränken­den Aus­le­gung des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO.

Hin­ter­grund:
Die Zins­schranke be­grenzt die Möglich­keit von Un­ter­neh­men, Zins­auf­wen­dun­gen als Be­triebs­aus­ga­ben ab­zu­zie­hen. Die Be­schränkung be­trifft Un­ter­neh­men, de­ren Zins­auf­wen­dun­gen 3 Mio. € über­stei­gen. Zin­sen sind da­nach - von Aus­nah­men ab­ge­se­hen - grundsätz­lich nur i.H.v. 30 Pro­zent des um Zins­auf­wen­dun­gen und be­stimmte Ab­schrei­bun­gen erhöhten Ein­kom­mens ab­zieh­bar. Ver­blei­bende, nicht ab­zieh­bare Auf­wen­dun­gen können le­dig­lich in die fol­gen­den Wirt­schafts­jahre vor­ge­tra­gen wer­den. Die Zins­schranke be­wirkt da­her, dass Zins­auf­wen­dun­gen teil­weise nicht in dem Jahr als Be­triebs­aus­ga­ben steu­er­min­dernd berück­sich­tigt wer­den, in dem sie an­ge­fal­len sind.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin ist eine GmbH. Die An­wen­dung der Zins­schranke führte vor­lie­gend dazu, dass die An­trag­stel­le­rin von den im Jahr 2008 an­ge­fal­le­nen Zin­sen i.H.v. rd. 9,6 Mio. € im Jahr 2008 le­dig­lich 3,3 Mio. € als Be­triebs­aus­ga­ben ab­zie­hen und die wei­te­ren etwa 6,3 Mio. € le­dig­lich in die Fol­ge­jahre vor­tra­gen konnte. Die An­trag­stel­le­rin hält die Re­ge­lung zur Zins­schranke für ver­fas­sungs­wid­rig und be­gehrte da­her im Rah­men des ge­richt­li­chen Ver­fah­rens die Aus­set­zung der Voll­zie­hung des Körper­schaft­steu­er­be­schei­des 2008. Sie wies dar­auf hin, dass sie durch die An­wen­dung der Zins­schranke i.H.v. etwa 600.000 € be­las­tet sei.

Das FG wies den An­trag auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung zurück. Die Be­schwerde zum BFH wurde we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung des Körper­schaft­steu­er­be­schei­des 2008 ist trotz ernst­li­cher Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit des § 4h EStG i.V.m. § 8 Abs. 1, § 8a Abs. 1 KStG und da­mit an der Rechtmäßig­keit des vor­ge­nann­ten Be­schei­des aus Gründen des öff­ent­li­chen In­ter­es­ses ab­zu­leh­nen.

Es be­ste­hen ernst­li­che Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit der Zins­schranke. Mit ihr ist der Ge­setz­ge­ber von sei­ner Grund­ent­schei­dung ab­ge­wi­chen, dass Be­triebs­aus­ga­ben in dem Jahr ab­zieh­bar sind, in dem sie an­fal­len und den Steu­er­pflich­ti­gen be­las­ten. Die Zins­schranke wurde ins­bes. ein­geführt, um missbräuch­li­che kon­zern­in­terne Ge­winn­ver­la­ge­run­gen zu ver­hin­dern. Die Re­ge­lung geht al­ler­dings in ih­rer Wir­kung weit über der­ar­tige Fälle hin­aus. Si führt auch im Be­reich übli­cher Fremd­fi­nan­zie­run­gen zu er­heb­li­chen Be­las­tungs­wir­kun­gen bzw. ei­ner Sub­stanz­be­steue­rung, die be­son­ders die Si­tua­tion in­sol­venz­be­droh­ter Un­ter­neh­men ver­schlech­tern kann. Es ist zwei­fel­haft, ob die ge­setz­li­che Be­schränkung des Be­triebs­aus­ga­ben­ab­zu­ges dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 GG) und dem ver­fas­sungs­recht­li­chen Ge­bot der Verhält­nismäßig­keit ent­spricht.

Trotz der er­heb­li­chen ver­fas­sungs­recht­li­chen Be­den­ken konnte dem Aus­set­zungs­an­trag der An­trag­stel­le­rin nicht ent­spro­chen wer­den. Bei ernst­haf­ten Zwei­feln an der Ver­fas­sungsmäßig­keit ei­ner dem Ver­wal­tungs­akt zu­grun­de­lie­gen­den Rechts­norm kommt vorläufi­ger Rechts­schutz in Form ei­ner Aus­set­zung nur nach Abwägung des in­di­vi­du­el­len Aus­set­zungs­in­ter­es­ses ge­gen das öff­ent­li­che Voll­zie­hungs­in­ter­esse in Be­tracht. Im Streit­fall lässt sich kein ge­genüber dem öff­ent­li­chen In­ter­esse an dem Ge­set­zes­voll­zug über­wie­gen­des be­son­de­res Aus­set­zungs­in­ter­esse der An­trag­stel­le­rin - ins­bes. eine durch die Zins­schranke begründete Exis­tenz­gefähr­dung - fest­stel­len.

Das FG folgt da­mit der von der Recht­spre­chung des BFH bis­her noch über­wie­gend ver­tre­te­nen ein­schränken­den Aus­le­gung des § 69 Abs. 2 S. 2 FGO. We­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che war die Be­schwerde zum BFH zu­zu­las­sen. Ne­ben der Frage der Ver­fas­sungsmäßig­keit der Zins­schranke dürfte auch die Klärung der Frage, nach wel­chen Maßstäben eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung zu gewähren ist, wenn die Ver­fas­sungs­wid­rig­keit ei­ner Norm gerügt wird, grundsätz­lich sein.

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