Die Richtlinie 93/131 sieht vor, dass missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden nach dessen Vorgaben geschlossen wurde, für den Verbraucher unverbindlich sind. Dabei ist eine Vertragsklausel als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht. Ein Vertrag, der eine solche Klausel enthält, bleibt jedoch für beide Parteien bindend, wenn er ohne die Klausel bestehen kann.
Der Sachverhalt:
Die Kläger nahmen bei der beklagten slowakischen SOS financ, die kein Kreditinstitut ist, aber Verbraucherkreditverträge auf der Grundlage von Standardformularverträgen gewährt, einen Kredit i.H.v. rs. 150.000 SKK (4.979 €) auf. Nach dem Kreditvertrag ist der Kredit in 32 Monatsraten von je 6.000 SKK (199 €) zzgl. einer 33. Monatsrate in Höhe des bewilligten Kredits zurückzuzahlen. Die Kreditnehmer sind somit verpflichtet, einen Betrag von 342.000 SKK (11.352 €) zurückzuzahlen.
Der effektive Jahreszins des Kredits, d.h. die Summe der mit ihm verbundenen und vom Verbraucher zu tragenden Kosten, wurde in diesem Vertrag mit 48,63 Prozent angesetzt, während er nach Berechnung des slowakischen Gerichts, das den EuGH befragt, in Wirklichkeit 58,76 Prozent beträgt. Die Kläger erhoben beim Bezirksgericht Preov, Slowakei, Klage auf Feststellung, dass ihr Kreditvertrag mehrere missbräuchliche Klauseln wie die ungenaue Angabe des effektiven Jahreszinses enthält; ferner beantragen sie, die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags festzustellen.
Das slowakische Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Richtlinie es ihm erlaubt, die Unwirksamkeit eines Verbrauchervertrags, der missbräuchliche Klauseln enthält, festzustellen, wenn eine solche Lösung für den Verbraucher günstiger wäre. Nach seinen Ausführungen müssten die betroffenen Verbraucher im Fall der Feststellung der Unwirksamkeit nämlich nur die Verzugszinsen i.H.v. 9 Prozent und nicht die gesamten Kosten des bewilligten Kredits zahlen.
Die Gründe:
Ziel der Richtlinie ist es, missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu beseitigen, und dabei - soweit möglich - die Wirksamkeit des Vertrags in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten, nicht aber darin, sämtliche Verträge, die solche Klauseln enthalten, für nichtig zu erklären. Es ist demnach nicht zulässig, bei der Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag, der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, ohne diese Klauseln bestehen kann, ausschließlich die Vorteilhaftigkeit der Nichtigerklärung des gesamten Vertrags für den Verbraucher zu berücksichtigen.
Allerdings nimmt die Richtlinie nur eine teilweise und minimale Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften in Bezug auf missbräuchliche Klauseln vor und stellt es den Mitgliedstaaten frei, für den Verbraucher ein höheres als das von ihr vorgesehene Schutzniveau zu gewährleisten. Folglich hindert die Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, im Einklang mit dem Unionsrecht eine nationale Regelung vorzusehen, die es erlaubt, einen Vertrag, den ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat und der eine oder mehrere missbräuchliche Klauseln enthält, in seiner Gesamtheit für nichtig zu erklären, wenn sich erweist, dass dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird.
Darüber hinaus war festzustellen, dass eine Geschäftspraxis, die darin besteht, in einem Kreditvertrag einen geringeren als den realen effektiven Jahreszins anzugeben, eine falsche Angabe der Gesamtkosten des Kredits darstellt, die als irreführende Geschäftspraxis im Sinne der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken einzustufen ist - vorausgesetzt, diese Angabe veranlasst den Durchschnittsverbraucher tatsächlich oder voraussichtlich zu einer geschäftlichen Entscheidung, die er ansonsten nicht getroffen hätte.
Nach Ansicht des EuGH kann dieser Umstand neben anderen berücksichtigt werden, um den missbräuchlichen Charakter der Klauseln eines Vertrags gemäß der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln festzustellen; er ist aber nicht geeignet, automatisch und für sich allein den missbräuchlichen Charakter dieser Klauseln zu begründen. Vor einer Entscheidung über die Einstufung der fraglichen Klauseln sind nämlich alle Umstände des konkreten Falls zu prüfen. Ebenso hat die Feststellung des unlauteren Charakters einer Geschäftspraxis keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Frage, ob der Vertrag in seiner Gesamtheit wirksam ist.
Linkhinweis:Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.