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Einheitlicher Erwerbsgegenstand im Grunderwerbsteuerrecht

BFH 6.7.2016, II R 5/15

Die Ver­pflich­tung des Er­wer­bers, das im Zeit­punkt des Er­werbs noch un­be­baute Grundstück als­bald nach den ge­stal­te­ri­schen Vor­ga­ben der Veräußerer­seite zu be­bauen, reicht für sich al­lein nicht aus um an­zu­neh­men, dass der Er­wer­ber das Grundstück im be­bau­ten Zu­stand er­wirbt. Hin­zu­kom­men muss, dass das vom Er­wer­ber mit der Be­bau­ung be­auf­tragte Bau­un­ter­neh­men in die­sem Zeit­punkt zur Veräußerer­seite gehörte.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger und seine Ehe­frau be­ab­sich­tig­ten, ein Grundstück der Stadt­werke-AG zu kau­fen. Ent­spre­chend den Vor­ga­ben der AG konn­ten die Ehe­leute das Grundstück zunächst nur re­ser­vie­ren und muss­ten vor Ab­schluss des Kauf­ver­trags einen Bau­vor­schlag er­stel­len las­sen, der ne­ben dem Be­bau­ungs­plan auch den An­for­de­run­gen ei­nes Ge­stal­tungs­hand­buchs ent­sprach. Nach­dem dies ge­sche­hen war und die von der AG ein­ge­setzte Len­kungs­gruppe den Bau­vor­schlag ge­neh­migt hatte, wurde der Kauf­ver­trag am 20.5.2009 ge­schlos­sen. Der Kauf­preis für das Grundstück be­trug ins­ge­samt 165.000 €.

Die Ehe­leute ver­pflich­te­ten sich im Kauf­ver­trag, un­verzüglich nach Be­sitzüberg­ang und Er­tei­lung der Bau­ge­neh­mi­gung bzw. Frei­gabe des Bau­vor­ha­bens auf dem Grundstück mit der Er­rich­tung der Bau­werke und Ne­ben­an­la­gen ent­spre­chend den von der Len­kungs­gruppe ge­neh­mig­ten und mit Prüfver­merk ver­se­he­nen Plänen nebst Flächen­be­rech­nun­gen zu be­gin­nen und diese in­ner­halb von 24 Mo­na­ten in einem Zuge be­zugs­fer­tig zu er­stel­len. Eine Ver­pflich­tung, ein be­stimm­tes Un­ter­neh­men mit der Er­rich­tung des Gebäudes zu be­auf­tra­gen, ent­hielt der Kauf­ver­trag nicht.

Am 22.6.2009 schlos­sen die Ehe­leute mit der von ih­nen aus­gewähl­ten Bau­firma einen Bau­er­rich­tungs­ver­trag zu einem Fest­preis von rd. 300.000 € ab. Der Ver­trag war von der Bau­firma be­reits am 30.4.2009 aus­ge­fer­tigt und un­ter­schrie­ben wor­den. Das Fi­nanz­amt nahm an, dass das Grundstück nach den Grundsätzen über den ein­heit­li­chen Er­werbs­ge­gen­stand in be­bau­tem Zu­stand Ge­gen­stand des Er­werbs­vor­gangs ge­we­sen sei, und be­zog die Bau­er­rich­tungs­kos­ten an­tei­lig in die Be­mes­sungs­grund­lage der Grund­er­werb­steuer mit ein. Es setzte dem­gemäß ge­gen den Kläger Grund­er­werb­steuer i.H.v. rd. 8.000 € fest.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hat auf der Grund­lage der von ihm ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen zu Un­recht ent­schie­den, dass die an­tei­li­gen Bau­er­rich­tungs­kos­ten in die Be­mes­sungs­grund­lage der Grund­er­werb­steuer ein­zu­be­zie­hen sind. Die vom Er­wer­ber ei­nes Grundstücks zi­vil­recht­lich über­nom­mene Ver­pflich­tung, das Grundstück zu be­bauen und da­bei be­stimmte ge­stal­te­ri­sche Vor­ga­ben des Grundstücks­veräußer­ers ein­zu­hal­ten, genügt nicht für die An­nahme ei­nes ein­heit­li­chen Er­werbs­ge­gen­stands "be­bau­tes Grundstück". Die auf der Veräußerer­seite han­deln­den Per­so­nen müssen zur Verände­rung des körper­li­chen Zu­stands des Grundstücks ver­pflich­tet sein.

Auf der Veräußerer­seite können auch meh­rere Per­so­nen als Ver­trags­part­ner auf­tre­ten, so dass sich die An­sprüche des Er­wer­bers auf Übe­reig­nung des Grundstücks und auf Er­rich­tung des Gebäudes zi­vil­recht­lich ge­gen ver­schie­dene Per­so­nen rich­ten. Ent­schei­dend ist in­so­weit, dass (auch) der den Grundstücksübe­reig­nungs­an­spruch begründende Ver­trag in ein Ver­trags­ge­flecht mit­ein­be­zo­gen ist, das un­ter Berück­sich­ti­gung al­ler Umstände dar­auf ge­rich­tet ist, dem Er­wer­ber als ein­heit­li­chen Er­werbs­ge­gen­stand das Grundstück in be­bau­tem Zu­stand zu ver­schaf­fen. Dies ist re­gelmäßig an­zu­neh­men, wenn die auf der Veräußerer­seite auf­tre­ten­den Per­so­nen ent­we­der per­so­nell, wirt­schaft­lich oder ge­sell­schafts­recht­lich eng ver­bun­den sind oder auf­grund von (nicht not­wen­di­ger­weise ver­trag­li­chen) Ab­re­den auf den Ab­schluss so­wohl des Grundstücks­kauf­ver­trags als auch der Verträge, die der Be­bau­ung des Grundstücks die­nen, hin­wir­ken.

Ein beim Ab­schluss des Kauf­ver­trags un­be­bau­tes Grundstück kann nur dann in be­bau­tem Zu­stand Ge­gen­stand des Er­werbs­vor­gangs sein, wenn der Veräußerer oder ein zur Veräußerer­seite gehören­der Drit­ter zi­vil­recht­lich zur Gebäude­er­rich­tung ver­pflich­tet ist. Eine im Grundstücks­kauf­ver­trag über­nom­mene zi­vil­recht­li­che Bau­ver­pflich­tung des Er­wer­bers ge­genüber dem Veräußerer ist für die An­nahme ei­ner Her­stel­lungs­pflicht auf der Veräußerer­seite nicht aus­rei­chend. Hier­bei han­delt es sich le­dig­lich um eine ei­gennützige Leis­tung des Er­wer­bers, die keine Ge­gen­leis­tung für den Er­werb des Grundstücks dar­stellt. Ein "De­le­gie­ren" ei­ner dem Veräußerer ob­lie­gen­den Her­stel­lungs­pflicht auf den Er­wer­ber mit der Folge, dass die Her­stel­lung des Gebäudes der Sphäre des Veräußer­ers zu­zu­rech­nen ist, kann in der Über­nahme ei­ner Bau­ver­pflich­tung durch den Er­wer­ber nicht ge­se­hen wer­den.

Aus­ge­hend von die­sen Grundsätzen ist das FG auf der Grund­lage der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass der Kläger das Grundstück an­tei­lig im be­bau­ten Zu­stand er­wor­ben habe und die Bau­er­rich­tungs­kos­ten an­tei­lig in die Be­mes­sungs­grund­lage der Grund­er­werb­steuer ein­zu­be­zie­hen seien. Nach den Fest­stel­lun­gen des FG war die AG zi­vil­recht­lich nicht zur Her­stel­lung des Gebäudes ver­pflich­tet. Dass die von den Ehe­leu­ten aus­gewählte Bau­firma beim Ab­schluss des Grundstücks­kauf­ver­trags zur Veräußerer­seite gehört habe, geht aus den Fest­stel­lun­gen nicht her­vor. Die Ent­schei­dung des FG war da­her auf­zu­he­ben und die Sa­che dort­hin zurück­zu­ver­wei­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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