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Doppelte Haushaltsführung: Auseinanderfallen von Ort des eigenen Hausstandes und Beschäftigungsort

FG Baden-Württemberg 16.6.2016, 1 K 3229/14

Vor­aus­set­zung für das Vor­lie­gen ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung ist, dass der Ort des ei­ge­nen Haus­stan­des und des Be­schäfti­gungs­or­tes i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG aus­ein­an­der­fal­len, wo­bei un­ter Be­schäfti­gungs­ort nicht die je­wei­lige po­li­ti­sche Ge­meinde zu ver­ste­hen ist, son­dern der Be­reich, der zu der kon­kre­ten An­schrift der Ar­beitsstätte noch als Ein­zugs­ge­biet an­zu­se­hen ist. Ein Ar­beit­neh­mer wohnt des­halb be­reits dann am Be­schäfti­gungs­ort, wenn er von sei­ner Woh­nung aus un­ge­ach­tet von Ge­meinde- und Lan­des­gren­zen seine Ar­beitsstätte in zu­mut­ba­rer Weise täglich auf­su­chen kann.

Der Sach­ver­halt:
Strei­tig ist, ob die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung im Streit­jahr (2013) vor­lie­gen. Die Kläger sind zu­sam­men­ver­an­lagte Ehe­leute. Der Kläger ist nicht­selbständig in B tätig. Die Kläger sind seit 2010 ver­hei­ra­tet und wohn­ten bis zur Ab­mel­dung der Woh­nung im April 2013 in A in einem Haus mit 160 qm. Der Kläger schloss im De­zem­ber 2012 einen Miet­ver­trag über eine Zwei-Zim­mer­woh­nung mit 53 qm in C ab. Das Miet­verhält­nis be­gann am 1.3.2013. Im Fe­bruar 2013 mie­tete die Kläge­rin eine Drei-Zim­mer­woh­nung mit 82 qm in A. Das Miet­verhält­nis be­gann am 15.4.2013 auf un­be­stimmte Zeit zu lau­fen.

Im Ok­to­ber 2013 stellte der Kläger einen An­trag auf Lohn­steuer-Ermäßigung für 2014. Hierin be­an­tragte er auf­grund ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung eine Erhöhung sei­nes bis­he­ri­gen Jah­res­frei­be­trags. Dem An­trag wurde statt­ge­ge­ben. Im De­zem­ber 2013 teilte der Kläger dem Fi­nanz­amt mit, dass er be­ab­sich­tige, eine Ei­gen­tums­woh­nung in D zu kau­fen und diese ab 1.4.2014 zu nut­zen. Diese Woh­nung be­finde sich im Ein­zugs­be­reich sei­ner re­gelmäßigen Ar­beitsstätte, so dass nach wie vor ein schnel­les und un­mit­tel­ba­res tägli­ches Auf­su­chen der Ar­beitsstätte möglich sei. Eine Ände­rung des Jah­res­frei­be­trags durch das Fi­nanz­amt er­folgte dar­auf­hin nicht. Der Kläger wurde je­doch im De­zem­ber 2013 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die endgültige Ent­schei­dung über das Vor­lie­gen der Vor­aus­set­zun­gen ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung bei der Be­ar­bei­tung der Ein­kom­men­steu­er­erklärung ge­trof­fen werde. Im De­zem­ber 2013 er­warb der Kläger die Ei­gen­tums­woh­nung in D und nutzt diese seit 1.4.2014.

In der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr setzte der Kläger die ein­fa­che Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte mit 47 km an. Außer­dem machte er Mehr­auf­wen­dun­gen für dop­pelte Haus­haltsführung gel­tend. Das Fi­nanz­amt er­kannte die in der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen für eine dop­pelte Haus­haltsführung nicht an. Eine aus­schließli­che oder weit über­wie­gende be­ruf­li­che Ver­an­las­sung sei auf­grund der Ge­samt­umstände nicht ge­ge­ben sei. Zu­dem liege die zeit­li­che Er­spar­nis für das tägli­che Auf­su­chen der re­gelmäßigen Ar­beitsstätte un­ter ei­ner Stunde, so dass - ge­nauso wie bei Um­zugs­kos­ten - ein Ab­zug der Auf­wen­dun­gen als Wer­bungs­kos­ten nicht in Be­tracht komme.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Es ist zwar nicht an­zu­zwei­feln, dass der Kläger sei­nen Le­bens­mit­tel­punkt auch nach der An­mie­tung der Woh­nung in C wei­ter­hin in A hatte. Den­noch war der Klage der Er­folg zu ver­sa­gen, denn als wei­tere Vor­aus­set­zung ei­ner dop­pel­ten Haus­haltsführung müssen der Ort des ei­ge­nen Haus­stan­des und des Be­schäfti­gungs­or­tes i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG aus­ein­an­der­fal­len.

Da­bei ist un­ter Be­schäfti­gungs­ort nicht die je­wei­lige po­li­ti­sche Ge­meinde zu ver­ste­hen, son­dern der Be­reich, der zu der kon­kre­ten An­schrift der Ar­beitsstätte noch als Ein­zugs­ge­biet an­zu­se­hen ist. Ein Ar­beit­neh­mer wohnt des­halb be­reits dann am Be­schäfti­gungs­ort, wenn er von sei­ner Woh­nung aus un­ge­ach­tet von Ge­meinde- und Lan­des­gren­zen seine Ar­beitsstätte in zu­mut­ba­rer Weise täglich auf­su­chen kann. Denn dann ist der Ar­beit­neh­mer nicht i.S.v. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG "außer­halb des Or­tes", in dem er einen ei­ge­nen Haus­stand un­terhält, son­dern be­reits am Ort des ei­ge­nen Haus­stan­des be­schäftigt. Dies schließt eine dop­pelte Haus­haltsführung aus.

Aus­schlag­ge­bend ist in­so­weit nicht al­lein die Ent­fer­nung zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte. Es ist viel­mehr auf alle we­sent­li­chen Umstände des Ein­zel­falls ab­zu­stel­len und ne­ben der Ent­fer­nung u.a. auch auf die Ver­kehrs­an­bin­dung mit pri­va­ten und öff­ent­li­chen Ver­kehrs­mit­teln ab­zu­stel­len. Eine Woh­nung am Be­schäfti­gungs­ort kann da­nach re­gelmäßig an­ge­nom­men wer­den, wenn sie in einem Be­reich liegt, von dem aus der Ar­beit­neh­mer übli­cher­weise täglich zu die­sem Ort fah­ren kann. Da­bei lie­gen Fahr­zei­ten von etwa ei­ner Stunde für die ein­fa­che Stre­cke noch in einem zeit­li­chen Rah­men, in dem es einem Ar­beit­neh­mer zu­ge­mu­tet wer­den kann, von sei­nem Haus­stand die Ar­beitsstätte auf­zu­su­chen.

Für das Streit­jahr hat der Kläger in sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung erklärt, an 42 Ta­gen mit dem ei­ge­nen oder zur Nut­zung über­las­se­nen Pkw 47 km und an 178 Ta­gen 10 km zur re­gelmäßigen Ar­beitsstätte zurück­ge­legt zu ha­ben. Auf­grund von Stau­la­gen zu den Haupt­ver­kehrs­zei­ten ist zur Be­stim­mung der tatsäch­li­chen ar­beitstägli­chen Fahr­zeit ein Zu­schlag von täglich rund 20 bis 30 Mi­nu­ten je ein­fa­che Fahrt zu ma­chen, so dass da­von aus­zu­ge­hen ist, dass die Fahr­zeit für eine ein­fa­che Stre­cke im Be­reich von ei­ner Stunde liegt. Selbst wenn man öff­ent­li­che Ver­kehrs­mit­tel ein­be­zieht, er­gibt sich ein ver­gleich­ba­res Bild, denn der kläge­ri­sche Ar­beits­platz ist von A nach der elek­tro­ni­schen Aus­kunft des Ver­kehrs- und Ta­rif­ver­bund B durch­schnitt­lich in 1:05 Stun­den bis 1:11 Stun­den er­reich­bar.

Un­ter den Be­din­gun­gen ei­ner Großstadt, in der sich schon auf­grund des im In­nen­stadt­be­reich herr­schen­den Preis­ni­veaus ty­pi­scher­weise die Wohnstätten der Be­schäftig­ten in Rand­be­rei­che und auch über die po­li­ti­schen Gren­zen ei­ner Ge­meinde hin­aus ver­la­gern, sind sol­che Fahr­zei­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte von etwa ei­ner Stunde üblich und ohne wei­te­res zu­mut­bar. Dies gilt ins­be­son­dere dann, wenn es - wie hier - ein aus­ge­bau­tes Straßen­netz so­wie gut er­reich­bare öff­ent­li­che Nah­ver­kehrs­ver­bin­dun­gen gibt. Bei der Be­ur­tei­lung der Ge­samt­umstände kommt es i.Ü. nicht dar­auf an, ob eine tägli­che Fahr­zeit­verkürzung von min­des­tens ei­ner Stunde ein­tritt. Denn diese Vor­aus­set­zung be­steht nur bei der Frage der steu­er­li­chen Berück­sich­ti­gung von Um­zugs­kos­ten

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