Jedoch sind Inventuren in Unternehmen gerade mit großen und heterogenen Lagerbeständen jedes Jahr wieder eine planerische und finanzielle Herausforderung - und das unabhängig vom Lagerhaltungsprinzip. Doch es wäre nicht das Zeitalter von „Industrie 4.0“, wenn nicht bereits diverse Ansätze zur Optimierung bestünden.
Bereits in anderen Bereichen der Logistik hat sich gezeigt, dass der Einsatz von Drohnen die Branche verändern kann. Was liegt hier - technologisch und zeitlich - näher, als die Idee, mit Hilfe von Drohnen eine Inventur durchzuführen. Abseits der technischen Voraussetzungen, insbesondere in der Sensorik, müssen jedoch, wie bei jeder anderen Inventur, bestimmte Voraussetzungen erfüllt und diverse Regelungen eingehalten werden.
Voraussetzungen für die Drohneninventur
Genau wie Einzelbuchungen in den Hauptbüchern unterliegt auch die Inventur den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Buchführung (GoB bzw. steuerlich GoBD) - im Speziellen den Grundsätzen der ordnungsmäßigen Inventur (GoI). Dabei sind folgende Kriterien einzuhalten:
- Vollständigkeit,
- Richtigkeit,
- Zeitgerechtigkeit,
- Ordnung,
- Nachvollziehbarkeit,
- Unveränderlichkeit und
- Wirtschaftlichkeit.
In den meisten Fällen werden diese Kriterien heutzutage durch Software forciert, welche im Rahmen der Erfassung nur einen geringen Fehlerspielraum zulassen. So werden viele Daten - bspw. das Erfassungsdatum, der Benutzer und die erfasste Ware - automatisch eingetragen und durch das verwendete MDE-Gerät automatisiert an eine zentrale, nicht veränderbare Datenbank oder direkt in das ERP-System übermittelt. Dabei melden Kontrollmechanismen bereits in dieser Phase Abweichungen zum Soll-Zustand direkt an den Erfasser, so dass noch vor der endgültigen Festschreibung überprüft werden kann, ob alle relevanten Bestände erfasst wurden.
The Next Big Thing
Doch was wäre, wenn sich der Scanner allein durch das Lager bewegen würde mit nur einer sehr geringen inventurbedingten Beeinträchtigung des laufenden Betriebs?
Diesen Ansatz verfolgen neben dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) auch diverse Start-ups und Universitäten. Eine beindruckende Lösung, die wir auf unserer Mandantenveranstaltung des Geschäftsbereichs IT-Revision (GBIT) vorgestellt haben, kommt z. B. von der doks.Innovation GmbH in Kassel.
Die Idee ist einfach: Eine Drohne bewegt sich in der Regel außerhalb der Betriebszeiten des Lagers durch die Regalreihen und erfasst die Bestände. Dies kann über ein eingebautes MDE-Gerät oder eine vollständige visuelle Aufzeichnung („Video des Flugweges“) und spätere Verarbeitung der Bilder erfolgen. Das Zählen erfolgt über die Verarbeitung des Barcodes direkt mit dem eingebauten MDE Gerät oder über die spätere Auswertung der Bildinformationen. Gerade bei chaotischer Lagerhaltung oder großen Lagerflächen mit heterogenen Lagergütern (wie z. B. im Baustoffhandel) ist diese Art der Datenerfassung von Vorteil.
Dabei erfolgt die Navigation der fliegenden Helfer vollautonom - die Software der Drohnen erfasst die dreidimensionale Struktur des Lagerhauses in Eigenregie, so dass kein fester Flugpfad vorgegeben werden muss und auch Veränderungen im Regalaufbau oder bei der Lagerstruktur ohne Weiteres erfolgen können. Die erfassten Daten werden entweder kontinuierlich oder als größere Pakete an eine zentrale Datenbank übertragen und dort mit dem Soll-Zustand verglichen. Bei Abweichungen wird dann z. B. ein Mitarbeiter informiert, der sowohl den Soll- als auch den Ist-Zustand auf Korrektheit überprüft.
Dies bedeutet, dass der Arbeitsaufwand der Mitarbeiter auf die Nachkontrolle sowie das Auffinden von fehlenden Beständen reduziert wird (das Auffinden kann natürlich auch ggf. durch einen „Drohnensucheinsatz“ erfolgen - indem die Drohne sucht im Lager den fehlenden Artikel sucht), während die Drohnen auf Kundenwunsch gleichzeitig noch zusätzliche Daten wie Feuchtigkeit, Temperatur und der Zustand der Verpackungen miterfassen können, ohne dass dabei weiterer Aufwand entstünde.
Bei dieser Möglichkeit zur Automatisierung bietet sich gleichzeitig der Wechsel von der Stichtags- zur kontinuierlichen Inventur an. Dadurch werden Diskrepanzen in den Lagerbeständen nicht erst nach Monaten, sondern innerhalb von wenigen Tagen oder sogar Stunden offensichtlich und können entsprechend untersucht werden.
Technische Umsetzung: Anforderungen an Mensch und Maschine
Auf der technischen Seite gibt es mehrere Ansätze, die alle demselben grundlegenden Prinzip folgen: Ein Fluggerät - meist ein Quadrocopter - mit unterschiedlich vielen Sensoren zur Navigation, Umgebungs- und Datenerfassung wird auf einem entweder vorprogrammierten oder autonom anpassbaren Pfad durch das Lager gesteuert und erfasst dort die vorhandenen Waren und Leerstände in den Regalen. Dabei können entweder klassische Bar- oder QR-Codes erfasst werden.
Bei der Erfassung durch rein optische Systeme muss dementsprechend darauf geachtet werden, dass die maschinenlesbaren Codes sichtbar gelagert werden.
Die Drohne als Zukunft?
Grundsätzlich stellen wir fest, dass der Automatisierung die Zukunft gehört. Das Potenzial zur Kosteneinsparung bei gleichzeitig kürzeren Intervallen zwischen Inventuren - potenziell täglich - ist zu hoch, als profitorientierte Unternehmen es ignorieren könnten. Hinreichend große bzw. umsatzstarke Lager wären jedoch weiterhin mit einer vollautomatischen Lagerhauslösung besser beraten, da sie zwar anfänglich teurer ist, jedoch langfristig Personal und damit Geld einspart und eine Echtzeitüberwachung der Bestände ermöglicht.
Das wird jeder begrüßen der bei Minusgraden eine Inventur in einem Außenlager im Winter durchgeführt oder beobachtet hat.
Pauschal ist kein Grund ersichtlich, der einer ordnungsmäßigen, drohnengestützten Inventur entgegensteht. Jedoch muss im Einzelfall geprüft werden, ob die eingesetzte Hard- und Software den Ansprüchen der GoB gerecht wird. Hier hilft eine Bescheinigung zur GoB-Tauglichkeit der am Markt verfügbaren Lösungen, um sicherzustellen, dass das angebotene System die nötigen Voraussetzungen mit sich bringt.