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Cum-ex-Schadensersatzklage abgewiesen

OLG Frankfurt a.M. v. 2.7.2020 - 1 U 111/18

Das OLG Frank­furt a.M. hat in dem Rechts­streit zweier Ban­ken um Scha­dens­er­satz we­gen Ak­ti­en­ge­schäften über den Di­vi­den­den­stich­tag (cum-ex-Ge­schäfte) der Be­ru­fung der be­klag­ten Bank ge­gen ein Ur­teil des LG Frank­furt a.M. statt­ge­ge­ben. Die auf Zah­lung von rd. 23 Mio. € Scha­dens­er­satz ge­rich­tete Klage hatte da­nach kei­nen Er­folg.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gende Bank or­derte im ers­ten Halb­jahr 2007 bei der deut­schen Zweig­nie­der­las­sung ei­ner - mitt­ler­weile nicht mehr be­ste­hen­den - Toch­ter­ge­sell­schaft der be­klag­ten Bank (F) größere Men­gen an Ak­tien deut­scher Un­ter­neh­men. Die Be­stel­lung er­folgte vor, die Lie­fe­rung nach dem Ter­min der Haupt­ver­samm­lung der je­wei­li­gen Ak­ti­en­ge­sell­schaft, also über den sog. Di­vi­den­den­stich­tag. Die be­stell­ten Ak­tien er­warb F nach der Be­haup­tung der Be­klag­ten in glei­cher Zahl und Menge durch Ein­de­ckungs­ge­schäfte von Drit­ten ("back-to-back"). In zeit­li­chem Zu­sam­men­hang mit dem Er­werb der Ak­tien schloss die Kläge­rin auf Ver­mitt­lung von F Fu­ture-Ge­schäfte über den Ver­kauf der er­wor­be­nen Ak­tien ab.

Bei Käufen über den Di­vi­den­den­stich­tag erhält der Käufer nicht die von der Ak­ti­en­ge­sell­schaft aus­ge­zahlte Di­vi­dende, son­dern ne­ben der Ak­tie eine Kom­pen­sa­ti­ons­zah­lung in Höhe der um die Ka­pi­tal­er­trag­steuer ver­min­der­ten Net­to­di­vi­dende. Die Kläge­rin rech­nete auf­grund ent­spre­chen­der Steu­er­be­schei­ni­gun­gen die auf die Brut­to­di­vi­dende ent­fal­lende Ka­pi­tal­er­trag­steuer auf ihre Körper­schafts­steu­er­schuld an. Das zuständige Fi­nanz­amt be­an­stan­dete diese An­rech­nung als un­zulässig, weil die An­rech­nung vor­aus­setze, dass zu­vor für Rech­nung der Kläge­rin Ka­pi­tal­er­trag­steuer in ent­spre­chen­der Höhe ab­geführt wor­den sei, und setzte in einem noch nicht be­standskräfti­gen Be­scheid noch zu zah­lende Steuer und Zin­sen i.H.v. rd. 23 Mio. € fest. Zwi­schen den Par­teien des Rechts­streits ist un­strei­tig, dass F Ka­pi­tal­er­trag­steuer für Rech­nung der Kläge­rin nicht ab­geführt hat.

Mit ih­rer Klage macht die Kläge­rin die Be­klagte als Rechts­nach­fol­ge­rin der F für diese Steu­er­nach­zah­lung haft­bar. Sie meint, F habe ihr die Ak­tien ver­kauft und die Lie­fe­rung zu­gleich als De­pot­bank und da­mit als das "für den Verkäufer der Ak­tien den Ver­kaufs­auf­trag ausführende inländi­sche Kre­dit­in­sti­tut" i.S.v. § 44 Abs. 1 S. 3 EStG 2007 aus­geführt. Des­halb sei F ver­pflich­tet ge­we­sen, Ka­pi­tal­er­trag­steuer ein­zu­be­hal­ten und ab­zuführen. Es be­stehe eine Ne­ben­pflicht des Verkäufers, dem Käufer die Möglich­keit zu ver­schaf­fen, Ka­pi­tal­er­trag­steuer an­zu­rech­nen, ins­be­son­dere für den Käufer Körper­schafts­steuer ab­zuführen bzw. die De­pot­bank des Verkäufers dazu an­zu­hal­ten.

Das LG gab der Klage statt. Auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten änderte das OLG das Ur­teil ab und wies die Klage ab. Die Re­vi­sion zum BGH wurde we­gen der grundsätz­li­chen Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
F war ent­ge­gen der An­sicht der Be­klag­ten Verkäuferin der Ak­tien und nicht bloße Ver­mitt­le­rin oder In­ter­mediärin der Ak­ti­en­lie­fe­rung. Eine kauf­ver­trag­li­che Ne­ben­pflicht des Verkäufers, dem (inländi­schen) Käufer bei Ak­ti­enkäufen über den Di­vi­den­den­stich­tag eine steu­er­li­che An­rech­nungsmöglich­keit im Um­fang der Dif­fe­renz von Brutto- und Net­to­di­vi­dende zu ver­schaf­fen, be­steht aber nicht. Denn die in §§ 20, 44 EStG 2007 be­stimmte Ab­zugs­pflicht rich­tet sich nicht ge­gen den Verkäufer, son­dern ge­gen die den Ver­kaufs­auf­trag ausführende Stelle, also des­sen De­pot­bank. Der Zu­fall, dass Verkäufer und De­pot­bank in Ge­stalt von F per­so­nen­iden­ti­sch sind, recht­fer­tigt keine Er­wei­te­rung der Verkäufer­pflich­ten.

Auch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Gleich­wer­tig­keit von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung ist eine an­dere Be­ur­tei­lung nicht ge­recht­fer­tigt. Die Kläge­rin war zwar für den Er­folg des aus An­kauf und (Fu­ture-)Ver­kauf be­ste­hen­den Ge­schäfts auf das Be­ste­hen der An­rech­nungsmöglich­keit an­ge­wie­sen. Nach den gewöhn­li­chen Umständen ist aber auch da­von aus­zu­ge­hen, dass bei der Verkäuferin nur eine Kom­pen­sa­tion in Höhe der Net­to­di­vi­dende er­folgt ist. Da Ak­ti­en­ge­schäfte über den Di­vi­den­den­stich­tag re­gelmäßig dar­auf be­ru­hen, dass be­stimmte Grup­pen von Ak­ti­en­be­sit­zern vom Ver­fah­ren der An­rech­nung der Ka­pi­tal­er­trag­steuer aus­ge­schlos­sen sind, ist es wirt­schaft­lich nicht möglich, dass die Verkäufer­seite auf ihre Kos­ten dem Käufer eine die Net­to­di­vi­dende über­stei­gende Brut­to­kom­pen­sa­tion ver­schafft.

Die Klage war auch ab­zu­wei­sen, so­weit die Kläge­rin ih­ren Scha­dens­er­satz­an­spruch auf an­dere An­spruchs­grund­la­gen (Ver­let­zung von Aufklärungs- oder Schutz­pflich­ten, Weg­fall der Ge­schäfts­grund­lage) gestützt hat. We­gen des außer­dem er­ho­be­nen An­spruchs auf Ge­samt­schuld­ner­aus­gleich gem. § 426 BGB we­gen ei­nes zwi­schen Steu­er­schuld­ner und Ab­zugs­ver­pflich­te­tem be­ste­hen­den Ge­samt­schuld­verhält­nis­ses ist die Klage un­zulässig, weil die in­ter­na­tio­nale Zuständig­keit der deut­schen Ge­richte nicht ge­ge­ben ist. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass die Be­klagte mit ih­rem Be­ru­fungs­vor­brin­gen zur un­zu­tref­fen­den An­wen­dung eu­ropäischer Zuständig­keits­vor­schrif­ten die Rüge der in­ter­na­tio­na­len Zuständig­keit auch in der Be­ru­fungs­in­stanz er­ho­ben hat, dass aber für den Aus­gleichs­an­spruch un­ter Steuer- und Haf­tungs­schuld­nern eine Zuständig­keit nach Art. 7 Nr. 1, 2 Eu­GVVO nicht begründet ist.

Die außer­dem er­ho­bene Aus­kunfts­klage, mit der die Kläge­rin be­stimmte An­ga­ben über die Ein­de­ckungs­ge­schäfte der Be­klag­ten ver­langt hat, war we­gen Erfüllung ab­zu­wei­sen, da die Be­klagte im Lauf des Rechts­streits die ge­for­der­ten Auskünfte er­teilt hat.

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