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Corona-Krise und Liquidität: Maßnahmen zur Eindämmung des Insolvenzrisikos

Die wirt­schaft­li­che Si­tua­tion zahl­rei­cher Ein­rich­tun­gen des Ge­sund­heits­we­sens hat sich durch die Corona-Krise wei­ter ver­schärft. Dar­auf muss jetzt ge­ach­tet wer­den, um das In­sol­venz­ri­siko nicht zu erhöhen.

Zahl­rei­che Ein­rich­tun­gen des Ge­sund­heits­we­sens ste­hen seit vie­len Jah­ren vor großen wirt­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen. Ins­be­son­dere in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren hat sich diese Dy­na­mik wei­ter ver­schärft. In der Folge hat die An­zahl von In­sol­ven­zen in die­ser Bran­che dra­ma­ti­sch zu­ge­nom­men. Die ak­tu­elle Corona-Pan­de­mie könnte nun für diese Ein­rich­tun­gen der letzte Trop­fen auf den heißen Stein sein, der die wirt­schaft­li­chen Pro­bleme zum Über­lau­fen bringt. Trotz um­fas­sen­der Fi­nanz­hil­fen durch die Bun­des­re­gie­rung ist zu befürch­ten, dass viele Ein­rich­tun­gen zusätz­li­che Fi­nanz­mit­tel benöti­gen wer­den, um ihr wirt­schaft­li­ches Über­le­ben zu si­chern.

Finanzmittel aus dem Gesetzespaket der Bundesregierung voraussichtlich nicht ausreichend

Die durch die Bun­des­re­gie­rung im Rah­men des CO­VID19-Kran­ken­hau­sent­las­tungs­ge­set­zes in Gang ge­setz­ten Un­terstützungsmaßnah­men ver­fol­gen vor­ran­gig das Ziel, durch Aus­gleichs­zah­lun­gen die Li­qui­dität zu si­chern. Vor dem Hin­ter­grund der mas­si­ven wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise auf diese Ein­rich­tun­gen, ist es je­doch frag­lich, ob diese Mit­tel aus­rei­chen, den deut­lich erhöhten kri­sen­be­ding­ten Li­qui­ditäts­be­darf zu de­cken. Es ist da­von aus­zu­ge­hen, dass in vie­len Fällen wei­tere Mit­tel er­for­der­lich sein wer­den. So­fern es da­her keine zusätz­li­chen An­pas­sun­gen in der Art und Höhe der durch die Bun­des­re­gie­rung gewähr­ten Fi­nanz­hil­fen gibt, soll­ten Ein­rich­tun­gen des Ge­sund­heits­we­sens frühzei­tig al­ter­na­tive Li­qui­ditätshil­fen, z. B. durch die Haus­ban­ken, die KfW, die Bürg­schafts­ban­ken oder die Lan­des­kre­dit­ban­ken, in Be­tracht zie­hen. Eine frühzei­tige Kennt­nis über die mögli­chen Fi­nan­zie­rungs- und Fördermaßnah­men und die zu­grun­de­lie­gen­den An­trags­pro­zesse ist da­her un­erläss­lich.

Allgemeine Sorgfaltspflichten der Geschäftsführung in der Krise

Auch in ei­ner dro­hen­den oder gar be­reits be­ste­hen­den Krise be­ste­hen die all­ge­mei­nen Sorg­falts­pflich­ten der Ge­schäftsführung wei­ter fort. Ins­be­son­dere tref­fen die Ge­schäftsführung in ei­ner sol­chen Si­tua­tion erhöhte Pflich­ten im Hin­blick auf die lau­fende Pla­nung, Über­wa­chung und Steue­rung der Ge­schäftstätig­keit. Im Vor­der­grund steht da­bei die Si­cher­stel­lung ei­ner aus­rei­chen­den Li­qui­dität, um die Zah­lungsfähig­keit zu gewähr­leis­ten.

Hierfür sollte eine rol­lie­rende kurz­fris­tige Li­qui­ditätsvor­schau als zen­tra­les be­triebs­wirt­schaft­li­ches In­stru­ment der Kri­senüber­wa­chung und -steue­rung er­stellt wer­den. Darin sind für einen Zeit­raum von drei Mo­na­ten die er­war­ten Zah­lungs­ströme un­ter Berück­sich­ti­gung be­ste­hen­der Kre­dit­li­nien und Fi­nan­zie­rungs­zu­sa­gen zu er­fas­sen. Flan­kiert wer­den sollte eine sol­che Li­qui­ditätsvor­schau durch die Ein­rich­tung ei­nes Li­qui­ditätsbüros. Die­ses zeich­net für die ta­ges­ge­naue Über­wa­chung der Li­qui­dität ver­ant­wort­lich, z. B. durch die Ein­rich­tung ei­nes spe­zi­fi­schen Kri­sen-Be­richts­we­sens. We­sent­li­che Kenn­zah­len hierfür können ne­ben dem tägli­chen Bank-/ Kas­sen­be­stand, auch die An­zahl nicht ab­ge­rech­ne­ter Leis­tun­gen und Fälle so­wie die Höhe der fälli­gen Ver­bind­lich­kei­ten sein. Aus die­sen Er­kennt­nis­sen sind dann in einem nächs­ten Schritt ent­spre­chende in­terne Maßnah­men zur Li­qui­ditäts­steue­rung und -si­che­rung ab­zu­lei­ten.

Wenn der akute Krisenfall eintritt - Besonderheiten durch die Corona-Krise

Tritt der akute Kri­sen­fall ein und ist das Un­ter­neh­men zah­lungs­unfähig bzw. über­schul­det, be­steht grundsätz­lich die Pflicht für die Ge­schäftsführung bin­nen drei Wo­chen einen In­sol­venz­an­trag zu stel­len. Das sog. Corona-In­sol­venz-Aus­set­zungs­ge­setz (Co­rIn­sAG) setzt je­doch während der ak­tu­el­len Pan­de­miel­age die In­sol­venz­an­trags­pflicht außer Kraft, es sei denn, die fol­gen­den Vor­aus­set­zun­gen lie­gen ku­mu­liert vor:

  • Die In­sol­venz­reife ist nicht auf die Aus­wir­kun­gen der Corona-Pan­de­mie zurück­zuführen
  • Es be­ste­hen keine Aus­sich­ten, eine ein­ge­tre­tene Zah­lungs­unfähig­keit zu be­sei­ti­gen

War der Schuld­ner am 31.12.2019 nicht zah­lungs­unfähig, wird da­bei ge­setz­lich ver­mu­tet, dass die In­sol­venz­reife auf den Aus­wir­kun­gen der Corona-Pan­de­mie be­ruht und Aus­sich­ten dar­auf be­ste­hen, eine be­ste­hende Zah­lungs­unfähig­keit zu be­sei­ti­gen. Zen­tra­les Kri­te­rium ist da­her die Frage, ob am 31.12.2019 die Zah­lungsfähig­keit ge­ge­ben war.

Auch Ein­rich­tun­gen des Ge­sund­heits­we­sens sind trotz ih­rer be­deu­ten­den Sys­tem­re­le­vanz für die Bewälti­gung der Corona-Krise nicht von die­sen Re­ge­lun­gen aus­ge­nom­men, so dass ent­spre­chende Nach­weise auch in die­sen Fällen trans­pa­rent und plau­si­bel dar­zu­le­gen sind. Nicht zu­letzt die­nen diese Nach­weise auch als Grund­lage für die Gewährung zusätz­li­cher Fi­nanz­mit­tel, z. B. durch die Haus­ban­ken oder die KfW.

Krisenbedingte Dokumentationen - oberste Maxime ist Planung und laufende Überwachung

Es emp­fiehlt sich, frühzei­tig und da­mit im Ide­al­fall be­reits vor Ein­tritt der aku­ten Krise, pro­ak­tiv zu han­deln und die ent­spre­chen­den Nach­weise zur Fi­nanz­lage auf­zu­be­rei­ten.

Schritt 1: Er­stel­lung ei­nes stich­tags­be­zo­ge­nen Fi­nanz­sta­tus
Als Nach­weis für die Zah­lungsfähig­keit am 31.12.2019 sollte im ers­ten Schritt ein stich­tags­be­zo­ge­ner Fi­nanz­sta­tus er­stellt wer­den. Darin ist re­tro­grad die frei verfügbare Li­qui­dität den fälli­gen Ver­bind­lich­kei­ten am Stich­tag ge­genüber zu stel­len.

Schritt 2: Er­stel­lung ei­ner in­te­grier­ten Pla­nungs­rech­nung
Auf­bau­end auf dem Fi­nanz­sta­tus ist dann eine in­te­grierte Pla­nungs­rech­nung - be­ste­hend aus ei­ner Er­folgs-, Vermögens- und Li­qui­ditätspla­nung min­des­tens für das Jahr 2020, im Ide­al­fall zu­dem für das 2021, zu er­stel­len. Der Fo­kus liegt hier auf der Li­qui­ditätspla­nung, an­hand de­rer zunächst der Fi­nan­zie­rungs­be­darf in der Krise ab­zu­lei­ten ist. Ein­rich­tun­gen des Ge­sund­heits­we­sens ha­ben in der Li­qui­ditätspla­nung be­reits auch die fi­nan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen der gewähr­ten Fi­nanz­hil­fen der Bun­des­re­gie­rung dar­zu­le­gen. Auf­grund der ho­hen Kom­ple­xität in der Pro­gnose ih­rer fi­nan­zi­el­len Aus­wir­kun­gen, sollte das Pla­nungs­mo­dell ins­be­son­dere die Möglich­keit ei­ner fle­xi­blen An­pas­sung der Prämis­sen und die Aus­wahl mehr­di­men­sio­na­ler Sze­na­rien ermögli­chen. Darüber hin­aus sind auch die Ef­fekte zusätz­li­cher Sa­nie­rungsmaßnah­men in die Pla­nung zu in­te­grie­ren. Die Pla­nungs­rech­nung ist lau­fend durch neue Er­kennt­nisse, z. B. in­folge re­gu­la­to­ri­scher Ände­run­gen, an­zu­pas­sen.

Um schließlich den Nach­weis ei­ner po­si­ti­ven Fortführungs­pro­gnose zu er­brin­gen, ist in der Pla­nungs­rech­nung die Zah­lungsfähig­keit im Pro­gno­se­zeit­raum 2020 und 2021 mit ei­ner über­wie­gen­den Wahr­schein­lich­keit dar­zu­le­gen.

Hinweis

Die Er­stel­lung und lau­fende Fort­schrei­bung von Pla­nungs­rech­nun­gen, ins­be­son­dere zur Über­wa­chung der Li­qui­dität soll­ten nicht als Selbst­zweck ge­se­hen wer­den. In ei­ner wirt­schaft­li­chen Kri­sen­si­tua­tion sind diese von zen­tra­ler Be­deu­tung für die Ein­hal­tung der Sorg­falts­pflich­ten der Ge­schäftsführung so­wie die schnelle Be­an­tra­gung von Fi­nanz­hil­fen. Ein­rich­tun­gen des Ge­sund­heits­we­sens dürfen sich der­zeit nicht aus­schließlich auf die Fi­nanz­mit­tel der Bun­des­re­gie­rung ver­las­sen. So­fern diese im Ein­zel­fall nicht aus­rei­chen, um die Li­qui­ditätslücke zu schließen, sind un­verzüglich al­ter­na­tive Fi­nan­zie­rungsmöglich­kei­ten in Be­tracht zu zie­hen. Es sollte zu­dem lau­fend über den ge­sam­ten Zeit­raum der Krise do­ku­men­tiert wer­den, wie die Krise letzt­lich ge­meis­tert wer­den soll. Dazu ist die Pla­nungs­rech­nung ein Bau­stein: Denn wenn keine Aus­sich­ten mehr be­ste­hen, die Krise zu über­win­den, lebt die In­sol­venz­an­trags­pflicht wie­der auf.

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