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Steuerpolitik in Zeiten von Corona - und danach…

Schon vor der Corona-Krise hat sich ge­zeigt, dass Un­ter­neh­men in Deutsch­land an­ge­sichts sich ändern­der Tech­no­lo­gien, der Di­gi­ta­li­sie­rung und der wei­ter zu­neh­men­den In­ter­na­tio­na­li­sie­rung vor großen Her­aus­for­de­run­gen ste­hen und In­no­va­tio­nen drin­gend er­for­der­lich sind. Der Hand­lungs­druck wurde durch die ge­genwärtige Pan­de­mie noch­mals deut­lich verstärkt. Die Bun­des­re­gie­rung hat zunächst rich­tig rea­giert und der Wirt­schaft mit zahl­rei­chen sinn­vol­len steu­er­li­chen So­fortmaßnah­men un­ter die Arme ge­grif­fen - mit der Folge ei­ner ho­hen Ver­schul­dung der öff­ent­li­chen Haus­halte. Wie sollte an­ge­sichts die­ses Di­lem­mas zwi­schen drin­gend er­for­der­li­cher Stand­ort­po­li­tik zur Förde­rung von In­no­va­tio­nen und der Zurückführung der Staats­ver­schul­dung die künf­tige Steu­er­po­li­tik aus­se­hen? Darüber spre­chen wir mit Dr. Mo­nika Wünne­mann, Lei­te­rin der Ab­tei­lung Steu­ern und Fi­nanz­po­li­tik beim Bun­des­ver­band der Deut­schen In­dus­trie e.V. (BDI).

Frau Dr. Wünne­mann, star­ten wir mit der ge­genwärti­gen Steuer- und Fi­nanz­po­li­tik, be­vor wir den Blick in die Zu­kunft wa­gen. Hat die Bun­des­re­gie­rung die Wirt­schaft in der Corona-Krise mit sinn­vol­len Maßnah­men gestützt?

Mit zahl­rei­chen steu­er­li­chen So­fortmaßnah­men hat die Bun­des­re­gie­rung die Un­ter­neh­men un­terstützt und weit­rei­chende Ver­wal­tungs- und Voll­zugs­er­leich­te­run­gen für die Jahre 2020/2021 ge­schaf­fen. Die bei­den Corona-Steu­er­hil­fe­ge­setze ermöglich­ten darüber hin­aus sinn­volle Maßnah­men, wie die be­fris­tete de­gres­sive AfA und eine Erhöhung der Höchst­grenze des Ver­lustrück­trags. Al­ler­dings war die mil­li­ar­den­schwere be­fris­tete Mehr­wert­steu­er­sen­kung rei­ner Ak­tio­nis­mus, mit dem mehr Büro­kra­tie als Nut­zen ent­stand.

Trotz brei­ter For­de­run­gen aus der Wirt­schaft wurde vor al­lem keine durch­grei­fende Aus­wei­tung der Ver­lust­ver­rech­nung vor­ge­nom­men, um die not­wen­dige Li­qui­dität der Un­ter­neh­men zu stärken. Ein Großteil der Wirt­schaft kann die kri­sen­be­ding­ten Ver­luste, die sich selbst im Mit­tel­stand häufig in zwei­stel­li­ger Mil­lio­nenhöhe be­we­gen, da­mit nach wie vor nicht vollständig mit den Ge­win­nen der Vor­jahre ver­rech­nen.

Dr. Monika Wünnemann, Leiterin der Abteilung Steuern und Finanzpolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) © Dr. Monika Wünnemann, Leiterin der Abteilung Steuern und Finanzpolitik beim Bundesverband der Deutsc

Zahl­rei­che Un­ter­neh­men sind mit der Corona-Krise in wirt­schaft­li­che Tur­bu­len­zen ge­ra­ten oder se­hen sich zu­min­dest mit ei­ner deut­lich ge­rin­ge­ren Ei­gen­ka­pi­tal­de­cke kon­fron­tiert. Nicht die bes­ten Vor­aus­set­zun­gen, um er­for­der­li­che In­no­va­tio­nen an­zu­ge­hen. Um Un­ter­neh­men zu ent­las­ten und Spiel­raum für In­ves­ti­tio­nen zu schaf­fen, wird schnell der Ruf nach Steu­er­satz­sen­kun­gen laut. Können wir uns das über­haupt noch leis­ten?

Wir können uns die Krise leis­ten, denn Deutsch­land ist mit ei­ner der bes­ten fis­ka­li­schen Aus­gangs­po­si­tio­nen in die Krise ge­ra­ten. Die Bun­des­re­gie­rung hat ge­rade das „Sta­bi­litätspro­gramm 2021“ be­schlos­sen. Die Zah­len aus dem Pro­gramm zei­gen, dass Deutsch­land wei­ter­hin fi­nan­zi­ell gut auf­ge­stellt ist. Da­nach steigt die Schul­den­quote ge­rin­ger als er­war­tet und kann zügig und ge­zielt zurück­geführt wer­den. Dafür brau­chen wir Wirt­schafts­wachs­tum und eine Stärkung der Un­ter­neh­men. Deutsch­land ist bei der Steu­er­be­las­tung der Un­ter­neh­men im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich mitt­ler­weile Spit­zen­rei­ter und das kann sich Deutsch­land auf Dauer nicht mehr leis­ten.

Wäre es an­ge­sichts knap­per staat­li­cher Kas­sen nicht sinn­vol­ler, In­no­va­tio­nen ge­zielt staat­lich zu fördern oder zu­min­dest bes­sere Ab­schrei­bungsmöglich­kei­ten zu schaf­fen?

Ge­zielte In­ves­ti­ti­ons­an­reize sind si­cher­lich ge­nauso wich­tig wie eine wett­be­werbsfähige Steu­er­be­las­tung. Des­halb ha­ben wir die Einführung der For­schungs­zu­lage im Jahr 2020 sehr begrüßt. Al­ler­dings kann das nur als Ein­stieg in eine steu­er­li­che For­schungsförde­rung an­ge­se­hen wer­den, denn im Ver­gleich zu an­de­ren Ländern, wie z. B. Frank­reich, sind wir hier­bei im­mer noch nicht kon­kur­renzfähig. Eine Erhöhung des Förd­er­sat­zes und eine Förde­rung von Sach­kos­ten würde wei­tere In­ves­ti­ti­ons­an­reize schaf­fen, ins­be­son­dere im Mit­tel­stand. Ebenso set­zen wir uns für eine Verlänge­rung der de­gres­si­ven AfA für In­ves­ti­tio­nen auch nach 2021 ein.

Soll­ten kon­krete Ge­gen­fi­nan­zie­rungsmaßnah­men er­grif­fen wer­den, um die enor­men Be­las­tun­gen durch die Corona-Krise aus­zu­glei­chen und Spiel­raum für steu­er­po­li­ti­sche Maßnah­men zu schaf­fen? Im Ge­spräch ist ja hier u. a. eine Erhöhung des Spit­zen­steu­er­sat­zes in der Ein­kom­men­steuer, eine Um­wid­mung des So­li­da­ritätszu­schlags oder gar die Einführung ei­ner Vermögens­ab­gabe.

Wir brau­chen keine Steu­er­erhöhun­gen oder eine Vermögen­steuer, um die Corona-Krise zu fi­nan­zie­ren. Um die Fol­gen der Krise für die Wirt­schaft und den Staats­haus­halt zu über­win­den, sind Wachs­tums­im­pulse ge­fragt und Steu­er­erhöhun­gen sind kon­tra­pro­duk­tiv. Eine Vermögen­steuer wäre ge­rade jetzt ein Ei­gen­tor für eine schnelle wirt­schaft­li­che Er­ho­lung. Eine Vermögen­steuer trifft ins­be­son­dere den Mit­tel­stand ins Mark und kappt Be­triebs­ka­pi­tal für not­wen­dige In­no­va­tio­nen. Den Wirt­schafts­mo­tor kur­beln wir nicht mit po­pu­lis­ti­schen For­de­run­gen nach höheren Steu­ern und Ab­ga­ben an, son­dern über In­ves­ti­tio­nen und die Si­che­rung des be­trieb­li­chen Vermögens.

Der ak­tu­el­len Un­ter­neh­mens­be­steue­rung in Deutsch­land wird von der Wirt­schaft ins­ge­samt kein gu­tes Zeug­nis aus­ge­stellt. Der Ruf nach ei­ner struk­tu­rel­len Re­form wird auch Sei­tens des BDI im­mer lau­ter. Jetzt wurde das Ge­setz zur Mo­der­ni­sie­rung des Körper­schaft­steu­er­rechts ver­ab­schie­det. Ist das der große Wurf oder wie sollte aus Ih­rer Sicht die künf­tige Be­steue­rung aus­se­hen?

Eine Mo­der­ni­sie­rung des Körper­schaft­steu­er­rechts wurde von der Wirt­schaft seit lan­gem ge­for­dert und das KöMoG ist kein großer Wurf, aber es wird end­lich ein Ein­stieg hierzu vor­ge­nom­men. Mit dem Op­ti­ons­mo­dell wird die Wett­be­werbsfähig­keit deut­scher Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten im in­ter­na­tio­na­len Ver­gleich gestärkt. Ver­passt wird mit dem KöMoG je­doch die große Chance, die The­sau­rie­rungs­begüns­ti­gung für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men (§ 34a EStG) pra­xis­taug­lich aus­zu­ge­stal­ten.
Von ho­her prak­ti­scher Re­le­vanz und eine deut­li­che Ver­bes­se­rung ist die Möglich­keit, künf­tig Ver­luste aus Währungs­kurs­schwan­kun­gen im Zu­sam­men­hang mit Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen als Be­triebs­aus­gabe gel­tend zu ma­chen. Zu begrüßen ist auch, dass künf­tig be­trieb­lich sinn­volle Um­struk­tu­rie­rungsmaßnah­men in Dritt­staa­ten (z.B. Ver­schmel­zun­gen, Spal­tun­gen, Form­wech­sel) steu­erneu­tral durch­geführt wer­den können.
Ein großer Wurf wäre eine um­fas­sende Re­form der Un­ter­neh­mens­steu­ern, bei der die Ge­wer­be­steuer in die Er­trag­steu­ern in­te­griert wird und die steu­er­li­che Ver­lust­ver­rech­nung sys­te­ma­ti­sch re­for­miert wird, so dass eine sach­ge­rechte Be­steue­rung der Un­ter­neh­men nach der wirt­schaft­li­chen Leis­tungsfähig­keit er­folgt.

Wird Steu­er­po­li­tik ei­gent­lich über­haupt noch in Ber­lin ge­macht oder muss sich der deut­sche Ge­setz­ge­ber weit­ge­hend dar­auf be­schränken, Vor­ga­ben aus Brüssel um­zu­set­zen, wie bei­spiels­weise be­reits im Be­reich der Mehr­wert­steuer? Müssen wir Steu­er­po­li­tik künf­tig even­tu­ell eu­ropäischer den­ken und kann dann Steu­er­po­li­tik über­haupt noch als na­tio­na­les Len­kungs­in­stru­ment ein­ge­setzt wer­den?

In der Tat ist die deut­sche Steu­er­po­li­tik im­mer stärker von eu­ropäischen Vor­ga­ben und in­ter­na­tio­na­len Ent­wick­lun­gen geprägt. Bis­her wur­den primär im Be­reich der Mehr­wert­steuer oder im Be­reich der En­er­gie­steu­ern eu­ropäische Vor­ga­ben um­ge­setzt, aber seit dem BEPS-Pro­jekt er­streckt sich dies auch auf die Er­trag­steu­ern. Nun wer­den wir vor­aus­sicht­lich über das ak­tu­elle OECD-Pro­jekt Vor­ga­ben für eine glo­bale Min­dest­steuer er­hal­ten, die der deut­sche Ge­setz­ge­ber um­set­zen muss, aber im Vor­feld kei­nen Ein­fluss hier­auf hatte. Die na­tio­nale Len­kungs­funk­tion des Steu­er­rechts wird da­mit ein­ge­schränkt, ob­wohl der ak­tu­elle Wahl­kampf zeigt, dass im Rah­men der Dis­kus­sion über Um­ver­tei­lung und Ge­rech­tig­keit im­mer noch die Steu­er­po­li­tik im Fo­kus steht.

Zu gu­ter Letzt: Wel­che steu­er­po­li­ti­schen For­de­run­gen stel­len Sie an die neue Bun­des­re­gie­rung?

In ers­ter Li­nie muss die The­sau­rie­rungs­begüns­ti­gung für Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men (§ 34a EStG) end­lich pra­xis­taug­lich aus­ge­stal­tet wer­den. Ge­rade in Kri­sen­zei­ten ist es not­wen­dig, dass Ge­winne, die für In­ves­ti­tio­nen im Kon­zern ver­blei­ben, begüns­tigt be­steu­ert wer­den.

Außer­dem brau­chen wir eine wei­tere Ver­bes­se­rung der Ver­lust­ver­rech­nung, in dem der Ver­lustrück­trag zeit­lich und der Höhe nach aus­ge­wei­tet wird und die Min­dest­steuer (zu­min­dest be­fris­tet) aus­ge­setzt wird.

Um stärkere In­ves­ti­ti­ons­an­reize zu schaf­fen, sollte die For­schungs­zu­lage erhöht und die de­gres­sive AfA nach 2021 für eine ge­wisse Zeit fort­ge­schrie­ben wer­den. Und schließlich hat die Krise wie­der­holt die Schwächen der Ge­wer­be­steuer ge­zeigt, so dass die neue Bun­des­re­gie­rung end­lich den Mut für eine Re­form der Kom­mu­nal­fi­nan­zen und eine In­te­gra­tion der Ge­wer­be­steuer in die Er­trag­steu­ern auf­brin­gen muss.

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