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Mit Steuerpolitik aus dem Krisenmodus

Die Zei­ten ei­nes jähr­lich si­cher stei­gen­den Brut­to­in­lands­pro­dukts sind seit der Corona-Pan­de­mie vor­bei und die Kon­junk­tur­er­ho­lung lässt an­ge­sichts En­er­gie­krise, Kli­ma­krise und Fachkräfte­man­gel auf sich war­ten. Trotz die­ser im­men­sen Her­aus­for­de­run­gen hat sich Deutsch­land bis­her ge­samt­wirt­schaft­lich aber ganz gut ge­schla­gen - nicht zu­letzt we­gen der zahl­rei­chen Steu­er­pa­kete, die seit 2020 ge­schnürt wur­den und Un­ter­neh­men wie Ver­brau­cher steu­er­lich ent­las­te­ten. Ein „Wei­ter so“ ist al­ler­dings fis­ka­li­sch kaum möglich. Die CDU sieht des­halb den drin­gen­den Be­darf, eine um­fas­sende Steu­er­re­form auf den Weg zu brin­gen. Wel­che Ziele ver­folgt und wie diese er­reicht wer­den sol­len, darüber spre­chen wir mit Fritz Günt­zler. Als Wirt­schaftsprüfer und Steu­er­be­ra­ter, der seit 2013 dem Deut­schen Bun­des­tag an­gehört, ist er ei­ner der führen­den Köpfe in der CDU, wenn es um steu­er­po­li­ti­sche Fra­gen geht.

Herr Günt­zler, wie zu­frie­den sind Sie mit der ak­tu­el­len Steu­er­po­li­tik? Hat die Am­pel­re­gie­rung bis­lang zu we­nig, ge­nug oder zu viel für die Un­terstützung von Un­ter­neh­men und Ver­brau­chern in Deutsch­land ge­tan?

Es ist zu we­nig pas­siert. Die Re­gie­rung macht große Ankündi­gun­gen und Ver­spre­chun­gen, da­bei ha­ben wir in den letz­ten sechs Mo­na­ten im Fi­nanz­aus­schuss kein ein­zi­ges Steu­er­ge­setz ge­se­hen. Übe­rall in un­se­ren Nach­barländern se­hen wir eine steu­er­li­che Ent­las­tung der Un­ter­neh­men. Die USA hat mit dem In­fla­tion Re­duc­tion Act ein um­fas­sen­des Pa­ket für Un­ter­neh­men ge­schnürt. Nur in Deutsch­land herrscht steu­er­po­li­ti­scher Still­stand.

Seit ei­ni­gen Wo­chen drin­gen in den Me­dien im­mer wie­der In­for­ma­tio­nen zu neuen Steu­erplänen der CDU durch. Na­tur­gemäß wer­den da­bei grif­fige Bot­schaf­ten, wie ein höherer Spit­zen­steu­er­satz in der Ein­kom­men­steuer oder eine Flat Tax in der Erb­schaft­steuer, be­son­ders gerne in die Head­line ge­stellt. Worum geht es der CDU aber wirk­lich? Eine große Un­ter­neh­mens­steu­er­re­form wie etwa in 2008 oder le­dig­lich Re­pa­ra­tu­ren an den be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen?

Uns geht es um eine faire und ein­fa­che Be­steue­rung. Je­der soll den Bei­trag für un­sere Ge­sell­schaft leis­ten, den er auf­grund sei­ner Leis­tungsfähig­keit auf­brin­gen kann. Da­bei muss sich Leis­tung nach wie vor loh­nen. Um dies zu er­rei­chen, reicht es nicht aus, im steu­er­li­chen Fli­cken­tep­pich neue Fli­cken ein­zunähen. Wir brau­chen tief­grei­fen­dere Re­for­men. Den steu­er­po­li­ti­schen Tief­schlaf der Bun­des­re­gie­rung in den letz­ten Mo­na­ten können wir uns nicht mehr leis­ten.

Zwei­fels­ohne be­darf es in Deutsch­land neuer bzw. wei­te­rer Wachs­tums- und In­ves­ti­ti­ons­im­pulse. Wie kann Deutsch­land als Stand­ort wie­der at­trak­tiv und in­ter­na­tio­nal wett­be­werbsfähig wer­den?

Zwei Punkte müssen wir ver­bes­sern: Ein­mal die Steu­er­last sen­ken. Und zum an­de­ren be­darf es struk­tu­rel­ler Ände­run­gen. Denn wir ha­ben ja nicht nur das Pro­blem der ho­hen Steu­er­last. Es kom­men auch im­mer mehr Un­ter­neh­men auf mich zu, die sa­gen, sie wis­sen gar nicht, wie sie all ih­ren Com­pli­ance-Pflich­ten nach­kom­men sol­len. Al­lein die Erfüllung der De­kla­ra­ti­ons­pflich­ten ist für Un­ter­neh­men zu einem er­heb­li­chen Kos­ten- und Ri­si­ko­fak­tor ge­wor­den. Auch die recht­li­chen Un­si­cher­hei­ten und büro­kra­ti­schen Hürden hem­men In­ves­ti­tio­nen in Deutsch­land. Da­hin­ge­hend müssen un­sere Pro­zesse end­lich schlan­ker, di­gi­ta­ler und prag­ma­ti­scher wer­den. Die Un­ter­neh­men sol­len sich wie­der auf ihre Wert­schöpfung kon­zen­trie­ren können, an­statt zu einem großen Teil dar­auf, all die auf­er­legte Büro­kra­tie zu bewälti­gen.

Wol­len wir et­was ins De­tail ge­hen. In Deutsch­land ansässige Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten un­ter­lie­gen ei­ner Er­trag­steu­er­be­las­tung von ca. 30 % bei Ge­winnthe­sau­rie­rung. Da­mit nimmt Deutsch­land einen Spit­zen­platz in­ner­halb der OECD ein und der in­ter­na­tio­nale Steu­er­wett­be­werb ver­schärft sich im­mer mehr. Das will die CDU ändern?

Rich­tig. The­sau­ri­erte Ge­winne sol­len rechts­form­neu­tral mit ma­xi­mal 25 % be­steu­ert wer­den. Da­mit bleibt den Un­ter­neh­men mehr Ka­pi­tal für Neu­in­ves­ti­tio­nen, sie sind im in­ter­na­tio­na­len Kon­text wett­be­werbsfähi­ger und der höhere An­teil an Ei­gen­ka­pi­tal­fi­nan­zie­rung stärkt ihre Kri­sen-Re­si­li­enz. Zusätz­lich sol­len ei­nige struk­tu­relle Verände­run­gen für Er­leich­te­rung sor­gen, so etwa die Ver­bes­se­rung der Ab­schrei­bungsmöglich­kei­ten und die Re­duk­tion von Mel­de­pflich­ten.

Sind die von der CDU vor­ge­schla­ge­nen Maßnah­men an­ge­sichts der ak­tu­el­len fis­ka­li­schen Lage über­haupt fi­nan­zier­bar?

Für Steu­er­sen­kun­gen gibt es aus Haus­halts­sicht nie den rich­ti­gen Zeit­punkt. Auch in den „fet­ten“ Jah­ren konn­ten wir uns dazu nicht durch­rin­gen. Aber ge­rade in Zei­ten von Kri­sen und Re­zes­sion müssen wir Möglich­kei­ten dafür schaf­fen, dass Steu­er­sen­kun­gen fi­nan­zier­bar sind. Die Staats­aus­ga­ben sind mit den ste­tig stei­gen­den Steu­er­ein­nah­men stark an­ge­wach­sen. Im Jahr 2022 ha­ben Bund, Länder und Ge­mein­den knapp 900 Mil­li­ar­den Euro Steu­er­gel­der ein­ge­nom­men. Im Ver­gleich dazu wa­ren es im Jahr 2012 noch 600 Mil­li­ar­den. Es kann also nicht an den Ein­nah­men lie­gen. Wir müssen uns die Aus­ga­ben drin­gend an­se­hen und eine neue Prio­ri­sie­rung vor­neh­men.

Mit dem Op­ti­ons­mo­dell, das bis­lang eher ein Schat­ten­da­sein führt, und der The­sau­rie­rungs­begüns­ti­gung sollte die Steu­er­be­las­tung von Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten an die der Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten an­ge­gli­chen wer­den. Was schla­gen Sie vor, um diese bei­den In­stru­mente at­trak­ti­ver zu ma­chen und da­mit dem Ziel der Rechts­form­neu­tra­lität doch noch ein Stück näher­zu­kom­men?

Das Op­ti­ons­mo­dell und die The­sau­rie­rungs­begüns­ti­gung müssen ins­ge­samt prak­ti­ka­bler und an­wen­dungs­freund­li­cher wer­den.

Da­her möch­ten wir bei der The­sau­rie­rungs­begüns­ti­gung ein Ent­nah­me­vo­lu­men fest­le­gen, bis zu des­sen Höhe lau­fende Ent­nah­men aus Altrück­la­gen auch während der An­wen­dung der The­sau­rie­rungs­begüns­ti­gung möglich sind. Außer­dem soll eine Ta­rif­ab­sen­kung des The­sau­rie­rungs­sat­zes auf 10 % er­fol­gen. Die auf den Begüns­ti­gungs­be­trag ent­fal­len­den Steu­ern sol­len zukünf­tig mit in den Begüns­ti­gungs­be­trag ein­be­zo­gen wer­den. Die Nach­be­las­tung soll an den in­di­vi­du­el­len Steu­er­satz an­ge­passt wer­den. Für die Pro­ble­ma­tik der Altrück­la­gen müssen wir außer­dem eine Lösung fin­den.

Das Op­ti­ons­mo­dell möch­ten wir auch auf Ein­zel­un­ter­neh­men und GbRs, so­wie Son­der­be­triebs­vermögen aus­wei­ten. Des Wei­te­ren muss der Wech­sel zwi­schen dem Mo­dell der The­sau­rie­rungs­begüns­ti­gung und der Ausübung der Op­ti­ons­mo­dells hin­sicht­lich der the­sau­ri­er­ten Ge­winne nach­ver­steue­rungs­frei möglich sein.

Trans­for­ma­tion ist der­zeit das be­herr­schende Thema in den Un­ter­neh­men: De­kar­bo­ni­sie­rung, kli­ma­neu­trale Pro­duk­ti­ons­pro­zesse, Di­gi­ta­li­sie­rung, An­pas­sung der Pro­dukt­pa­lette, ef­fi­zi­en­ter Ein­satz von Mit­ar­bei­tern an­ge­sichts des Fachkräfte­man­gels, um nur ei­nige Stich­worte zu nen­nen. Un­terstützt das Steu­er­recht die Un­ter­neh­men in aus­rei­chen­dem Maße, um diese Auf­ga­ben zu meis­tern?

Ich glaube mit der steu­er­li­chen For­schungsförde­rung, der ver­bes­ser­ten Ab­schrei­bung di­gi­ta­ler Wirt­schaftsgüter und der de­gres­si­ven Ab­schrei­bung konn­ten wir in der Ver­gan­gen­heit be­reits einen Bei­trag dazu leis­ten, dass die Trans­for­ma­tion für Un­ter­neh­men ge­lingt. Dies reicht aber bei Wei­tem noch nicht aus. Lei­der se­hen wir bei der ak­tu­el­len Re­gie­rung der­zeit kaum Am­bi­tio­nen, ins Han­deln zu kom­men. Im letz­ten hal­ben Jahr war steu­er­po­li­ti­scher Still­stand an­ge­sagt. Wir ha­ben große Er­war­tun­gen an den Herbst.

Zusätz­lich zu den enor­men wirt­schaft­li­chen Her­aus­for­de­run­gen, müssen sich die Un­ter­neh­men mit im­mer mehr büro­kra­ti­schen An­for­de­run­gen und De­kla­ra­ti­ons­pflich­ten - und zwar nicht nur im Steu­er­recht - her­um­schla­gen. Das be­trifft mit­telständi­sche Un­ter­neh­men mit an­ge­spann­ter Per­so­nal­de­cke in be­son­de­rem Maße. Gibt es Über­le­gun­gen, wie diese Bürde re­du­ziert wer­den kann?

Der­zeit ha­ben wir Über­le­gun­gen dazu an­ge­stellt, wie groß der Mehr­wert der Mel­de­pflicht für in­ter­na­tio­nale Steu­er­ge­stal­tun­gen im Kos­ten-Nut­zen-Verhält­nis ist. Wir sind zu dem Schluss ge­kom­men, dass der enorme büro­kra­ti­sche Auf­wand für die Un­ter­neh­men durch das spärli­che Re­sul­tat nicht ge­recht­fer­tigt wer­den kann. Un­sere er­ste For­de­rung ist da­her, die von der Re­gie­rung ge­plan­ten kom­men­den Mel­de­pflich­ten auf na­tio­na­ler Ebene zu stop­pen.

Des Wei­te­ren wird die Min­dest­be­steue­rung dazu führen, dass ei­nige der steu­er­li­chen Vor­schrif­ten zum Teil hinfällig wer­den. Wozu brau­chen wir noch eine Li­zenz­schranke oder eine Zins­schranke, wenn die Ge­winn­ver­schie­bung oh­ne­hin ein­gedämmt ist? Zu­min­dest für Un­ter­neh­men, die von der Min­dest­be­steue­rung be­trof­fen sind, soll­ten wir sol­che Vor­schrif­ten ab­schaf­fen, um die De­kla­ra­ti­ons- und Com­pli­ance-Pflich­ten ins­ge­samt zu ver­rin­gern.

Kom­men wir aber doch noch auf den Ein­kom­men­steu­er­ta­rif zu spre­chen. An wel­chen Stell­schrau­ben wol­len Sie hier dre­hen? Will die CDU tatsäch­lich mit ih­rem Credo, Steu­er­erhöhun­gen zu ver­mei­den, bre­chen?

Wir müssen die ar­bei­tende Mitte drin­gend ent­las­ten. Der so­ge­nannte „Mit­tel­stands­bauch“ im Ein­kom­men­steu­er­ta­rif führt mitt­ler­weile dazu, dass man mit dem 1,5-fa­chen des Durch­schnitts­ein­kom­mens be­reits mit dem Spit­zen­steu­er­satz be­steu­ert wird. Dies war im Jahr 1975 erst ab dem 6-fa­chen des Durch­schnitts­ein­kom­mens der Fall. Da­her müssen wir den Ein­kom­men­steu­er­ta­rif spürbar ab­fla­chen. Die Grenze, ab der der Spit­zen­steu­er­satz greift, muss deut­lich ver­scho­ben wer­den. Auch wenn das be­deu­tet, dass wir den Spit­zen­steu­er­satz im Zuge der Ab­schaf­fung des So­li­da­ritätszu­schlags mo­de­rat an­he­ben. Das kann man als Steu­er­erhöhung in­ter­pre­tie­ren, wir se­hen es als Kom­pro­miss. An­ders wäre eine Ab­fla­chung des Ta­rifs schon auf­grund der haus­hal­te­ri­schen Si­tua­tion un­denk­bar. Ge­rech­ter Maßstab ist und bleibt die wirt­schaft­li­che Leis­tungsfähig­keit.

Und zu gu­ter Letzt die schon ein­gangs erwähnte Flat Tax bei der Erb­schaft­steuer, die u. a. vom Ver­band der Fa­mi­li­en­un­ter­neh­men mit deut­li­chen Worten kri­ti­siert wurde. Ist hier tatsäch­lich be­ab­sich­tigt, dass ganz ein­fach 10 % der Erb­schaft als Steuer ab­zuführen sind, egal ob ein Un­ter­neh­men oder ein Bar­vermögen über­geht?

Ak­tu­ell ist ein Ver­fah­ren vor dem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt anhängig, das die Erb­schaft­steuer er­neut als ver­fas­sungs­wid­rig ein­stu­fen könnte. Da­bei hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt be­reits 2014 bestätigt, dass die Begüns­ti­gung von Be­triebs­vermögen grundsätz­lich ver­fas­sungs­kon­form ist. Auf die­ser Ba­sis hat­ten wir die Erb­schaft­steu­er­re­form im Jahr 2016 auf den Weg ge­bracht.

Vor dem Hin­ter­grund der er­neu­ten mögli­chen Ver­fas­sungs­wid­rig­keit, dem enor­men büro­kra­ti­schen Auf­wand und dem Wunsch nach einem fai­ren Sys­tem sehe ich also zwei Möglich­kei­ten: Die Erb­schaft­steuer ab­schaf­fen oder eine ein­heit­li­che „Flat tax“ einführen. Für die Ab­schaf­fung der Erb­schaft­steuer sehe ich ak­tu­ell keine Mehr­heit. Zusätz­lich bestünde die Ge­fahr, dass nach ei­ner Ab­schaf­fung der Erb­schaft­steuer das Ver­lan­gen nach ei­ner Vermögens­steuer größer wird. Die Einführung ei­ner sol­chen Steuer leh­nen wir ab. Eine ein­heit­li­che nied­rige „Flat tax“ für alle Vermögens­ar­ten mit zins- und be­din­gungs­lo­sen Stun­dungsmöglich­kei­ten wäre da­her eine faire und ein­fa­che Al­ter­na­tive.

Herr Günt­zler, herz­li­chen Dank für das Ge­spräch und Ihre Erläute­run­gen, was aus Sicht der CDU steu­er­po­li­ti­sch an­ge­gan­gen wer­den sollte, um aus den Kri­sen­mo­dus wie­der in eine pros­pe­rie­rende Wirt­schafts­ent­wick­lung zu ge­lan­gen.

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