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Compliance-Untersuchung: Beginn der Ausschlussfrist für fristlose Kündigung

Die Zwei-Wo­chen-Frist zur frist­lo­sen Kündi­gung ei­nes Ar­beits­verhält­nis­ses be­ginnt re­gelmäßig erst dann zu lau­fen, wenn ein von ei­ner Com­pli­ance-Ab­tei­lung er­stell­ter (Ab­schluss- oder Zwi­schen-)Be­richt an die kündi­gungs­be­rech­tig­ten Stel­len im Un­ter­neh­men wei­ter­ge­lei­tet wird. Dies stellte das BAG mit Ur­teil vom 05.05.2022 (Az. 2 AZR 483/21) klar.

Im Streit­fall wur­den we­gen Ver­dachts ei­nes ge­wich­ti­gen Com­pli­ance-Ver­stoßes im Ok­to­ber 2018 von einem Com­pli­ance-Team un­ter­neh­mens­in­terne Un­ter­su­chun­gen zur Sach­ver­halts­aufklärung an­ge­stellt. Die Un­ter­su­chun­gen wur­den im Juni 2019 un­ter­bro­chen und der Ge­schäftsführung die bis­he­ri­gen Un­ter­su­chungs­er­geb­nisse in einem Zwi­schen­be­richt am 19.09.2019 zur Verfügung ge­stellt, da­mit diese über wei­tere, u. a. auch ar­beits­recht­li­che Maßnah­men ent­schei­den konnte. Dar­auf­hin wurde das in Frage ste­hende Ar­beits­verhält­nis mit Schrei­ben vom 20.09.2019 frist­los gekündigt. Der be­trof­fene Ar­beit­neh­mer machte gel­tend, die Kündi­gung sei nicht frist­ge­recht aus­ge­spro­chen wor­den.

Das BAG stellte in sei­ner Ent­schei­dung klar, dass es für die Zwei-Wo­chen-Frist aus­schließlich auf die Kennt­nis der (kündi­gungs­be­rech­tig­ten) Ge­schäftsführer an­kommt. Die Kennt­nis des Com­pli­ance-Teams oder des Lei­ters der Com­pli­ance-Ab­tei­lung sei nicht maßgeb­lich. Ein Ar­beit­ge­ber kann sich nach § 242 BGB al­ler­ding dann nicht auf die Wah­rung der Kündi­gungs­erklärungs­frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB be­ru­fen, wenn er selbst es ziel­ge­rich­tet ver­hin­dert hat, dass eine für ihn kündi­gungs­be­rech­tigte Per­son be­reits zu einem früheren Zeit­punkt Kennt­nis von den für die Kündi­gung maßge­ben­den Tat­sa­chen er­langte, oder sonst eine Abwägung al­ler Umstände des Ein­zel­falls er­gibt, dass sich die spätere Kennt­nis­er­lan­gung ei­ner kündi­gungs­be­rech­tig­ten Per­son als un­red­lich dar­stellt. Eine sol­che un­zulässige Rechts­ausübung setzt nach An­sicht des BAG zu­min­dest vor­aus, dass die Verspätung, mit der ein für den Ar­beit­ge­ber Kündi­gungs­be­rech­tig­ter Kennt­nis er­langt, auf ei­ner un­sach­gemäßen Or­ga­ni­sa­tion be­ruht, die sich als Ver­stoß ge­gen Treu und Glau­ben im Sinne von § 242 BGB dar­stellt. Da selbst grob fahrlässige Un­kennt­nis die Frist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht in Gang setzt, begründet nicht schon jede Un­kennt­nis auf­grund ei­nes Or­ga­ni­sa­ti­ons­ver­schul­dens eine un­zulässige Rechts­ausübung. Der Kündi­gungs­be­rech­tigte muss viel­mehr den In­for­ma­ti­ons­fluss ziel­ge­rich­tet ver­hin­dert oder zu­min­dest in ei­ner mit Treu und Glau­ben nicht zu ver­ein­ba­ren­den Weise ein den In­for­ma­ti­ons­fluss be­hin­dern­des sach­wid­ri­ges und überflüssi­ges Or­ga­ni­sa­ti­ons­ri­siko ge­schaf­fen ha­ben. Zu­dem kommt ein missbräuch­li­ches Be­ru­fen auf den späte­ren Zeit­punkt der Kennt­nis­nahme ei­nes Kündi­gungs­be­rech­tig­ten nur in Be­tracht, wenn die nicht kündi­gungs­be­rech­tigte Per­son, die be­reits früher Kennt­nis er­langt hat, eine so her­aus­ge­ho­bene Po­si­tion und Funk­tion im Be­trieb oder in der Ver­wal­tung in­ne­hat, dass sie tatsäch­lich und recht­lich in der Lage ist, den Sach­ver­halt so um­fas­send zu klären, dass mit ih­rem Be­richt an den Kündi­gungs­be­rech­tig­ten die­ser ohne wei­tere Nach­for­schun­gen seine (Kündi­gungs-)Ent­schei­dung ab­ge­wo­gen tref­fen kann. Beide Vor­aus­set­zun­gen (ähn­lich selbstständige Stel­lung und treu­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­ti­ons­man­gel in Be­zug auf die Kennt­nis­er­lan­gung) müssen ku­mu­la­tiv vor­lie­gen und vom Ge­richt po­si­tiv fest­ge­stellt wer­den.

Hin­weis: Das BAG be­tont, dass das Recht zur frist­lo­sen Kündi­gung nicht aus­ge­schlos­sen sei, so­lange eine Com­pli­ance-Un­ter­su­chung läuft - und zwar auch, wenn sich diese ge­gen eine Viel­zahl von po­ten­zi­ell Be­trof­fe­nen rich­tet und des­halb lange dau­ert.

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