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Brexit-Auswirkungen im Kartell- und Beihilferecht

Die bri­ti­schen kar­tell­recht­li­chen Re­ge­lun­gen sind na­hezu vollständig an eu­ropäisches Recht – auch für na­tio­nale Sach­ver­halte – an­ge­gli­chen. Of­fen ist, wie sich die bri­ti­sche Wett­be­werbs­behörde nach Ab­lauf der Überg­angs­phase am 31.12.2020 po­si­tio­nie­ren wird.

Nach Ab­lauf des Überg­angs­zeit­raums am 31.12.2020 könnte die bri­ti­sche Wett­be­werbs­behörde ab­wei­chende na­tio­nale Stan­dards im Hin­blick auf das Kar­tell­ver­bot ent­wi­ckeln und diese auch auf grenzüber­schrei­tende Sach­ver­halte an­wen­den, wenn sich Ab­spra­chen zwi­schen Wett­be­wer­bern oder ent­lang der Lie­fer­kette auf den bri­ti­schen Markt aus­wir­ken. Die Eu­ropäische Kom­mis­sion ist je­doch wei­ter­hin in der Lage, eu­ropäisches Kar­tell­recht auf bri­ti­sche Un­ter­neh­men an­zu­wen­den, so­fern sich von die­sen ge­trof­fene Ver­ein­ba­run­gen oder ab­ge­stimmte Ver­hal­tens­wei­sen wett­be­werbs­be­schränkend auf den eu­ropäischen Markt aus­wir­ken. In ver­fah­rens­recht­li­cher Hin­sicht ent­fal­len Ko­ope­ra­ti­onsmöglich­kei­ten und die Ein­bin­dung an­de­rer eu­ropäischer Wett­be­werbs­behörden, etwa bei Durch­su­chun­gen, so­wie die Zu­sam­men­ar­beit im Eu­ro­pean Com­pe­ti­tion Net­work (ECN).

Nadine Bläser, LL.M., Rechtsanwältin bei Ebner Stolz in Köln© Nadine Bläser, LL.M., Rechtsanwältin bei Ebner Stolz in Köln

Bei Un­ter­neh­mens­zu­sam­men­schlüssen un­ter Be­tei­li­gung bri­ti­scher Un­ter­neh­men müsste künf­tig auch bei grundsätz­li­cher Zuständig­keit der Eu­ropäischen Kom­mis­sion – die bei Zu­sam­men­schlüssen im Mit­tel­stand sel­ten ge­ge­ben ist – zusätz­lich eine An­mel­dung bei der bri­ti­schen Wett­be­werbs­behörde er­fol­gen. Auch entfällt mit Ab­lauf des Überg­angs­zeit­raums die Möglich­keit, Zu­sam­men­schlüsse, die we­gen des Nicht­er­rei­chens der EU-Um­satz­schwel­len­werte nach dem Recht von min­des­tens drei Mit­glied­staa­ten geprüft wer­den müss­ten, zen­tral bei der Eu­ropäischen Kom­mis­sion an­zu­mel­den, so­fern ei­nes der drei „Mit­glied­staa­ten“ ein Land ist, wel­ches zum Ver­ei­nig­ten König­reich zählt. Die Eu­ropäische Kom­mis­sion bleibt je­doch wei­ter­hin zuständig für an­mel­de­pflich­tige Zu­sam­men­schluss­vor­ha­ben, die vor dem 31.12.2020 for­mell an­ge­mel­det wur­den, so­fern noch keine endgültige Ent­schei­dung ge­trof­fen wurde.

Schließlich wäre auch der in der Pra­xis an Be­deu­tung ge­win­nende Be­reich der pri­va­ten Durch­set­zung des Kar­tell­ver­bots in Form von pri­va­ten Scha­den­er­satz­kla­gen den Har­mo­ni­sie­rungs­be­stre­bun­gen ent­zo­gen. Ent­schei­dun­gen der Eu­ropäischen Kom­mis­sion bzw. des Eu­ropäischen Ge­richts­hofs hätten keine Bin­dungs­wir­kung mehr für bri­ti­sche Ge­richte, so dass der Kar­tell­ver­stoß er­neut in dem Ge­richts­ver­fah­ren nach­zu­wei­sen sein wird und auch die Be­wei­ser­leich­te­run­gen im Hin­blick auf das Be­ste­hen ei­nes Scha­dens keine Gel­tung mehr ha­ben.

Nach Ab­lauf des Überg­angs­zeit­raums kann ein Aus­ein­an­der­drif­ten von EU-Kar­tell­recht und bri­ti­schem Kar­tell­recht nicht voll­kom­men aus­ge­schlos­sen wer­den. (Na­dine Bläser)

Ab dem 1.1.2021 fin­det die EU-Bei­hil­fe­kon­trolle im Ver­ei­nig­ten König­reich keine An­wen­dung mehr. So­mit könnte dort ein großzügi­ge­rer Bei­hil­fe­rechts­rah­men ge­schaf­fen wer­den, was zu Wett­be­werbs­vor­tei­len bri­ti­scher Un­ter­neh­men ge­genüber Un­ter­neh­men in der EU führen könnte. Die wei­tere Ent­wick­lung bleibt ab­zu­war­ten.

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