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BGH zur Haftung einer GmbH für die fehlerhafte Anlageberatung durch eine namensgleiche Einzelfirma bei einer Firmenfortführung

Urteil des BGH vom 5.7.2012 - III ZR 116/11

Der BGH hat zur Haf­tung ei­ner GmbH für die feh­ler­hafte An­la­ge­be­ra­tung durch eine na­mens­glei­che Ein­zel­firma Stel­lung ge­nom­men. Der BGH hatte sich da­bei ins­be­son­dere mit den Ge­sichts­punk­ten der Fir­men­fortführung und der Rechts­schein­haf­tung aus­ein­an­der­zu­set­zen.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin nimmt die Be­klagte un­ter dem Vor­wurf ei­ner feh­ler­haf­ten Ka­pi­tal­an­la­ge­be­ra­tung auf Scha­dens­er­satz in An­spruch. Auf Emp­feh­lung des Zeu­gen B zeich­nete die Kläge­rin im Juli 2002 Be­tei­li­gun­gen als aty­pi­sch stille Ge­sell­schaf­te­rin bei der F-AG. Die Ge­samt­ein­la­ge­summe von 131.000 € war in Ge­stalt ei­ner "Ein­mal­ein­lage" von 32.000 € so­wie in 180 mtl. Ra­ten zu je 550 € zu er­brin­gen. Bei al­len Zah­lun­gen fiel zusätz­lich ein Agio von 5 Pro­zent an.

Die Kläge­rin ist der An­sicht, die Be­klagte müsse für - im Ein­zel­nen vor­ge­tra­gene - Be­ra­tungs­feh­ler des Zeu­gen B durch Er­satz des Zeich­nungs­scha­dens ein­ste­hen. B habe als Mit­ar­bei­ter der (Ein­zel-)Firma P mit Ver­tre­tungs­be­fug­nis ge­han­delt. Die be­klagte P-GmbH sei für die Ver­bind­lich­kei­ten der Firma P un­ter dem Ge­sichts­punkt der Rechts­nach­folge be­zie­hungs­weise der Fir­men­fortführung haft­bar.

Das LG be­jahte eine Haf­tung der Be­klag­ten und gab der Klage über­wie­gend statt. Das OLG ver­neinte eine Haf­tung der Be­klag­ten und wies die Klage ins­ge­samt ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Begründung des Be­ru­fungs­ur­teils trägt eine Ab­leh­nung der Haf­tung der Be­klag­ten nicht. Da­bei hält ins­bes. die An­sicht des OLG, die Be­klagte müsse für eine An­la­ge­be­ra­tungs­haf­tung der Ein­zel­firma P ge­genüber der Kläge­rin nicht ein­ste­hen, der re­vi­si­ons­ge­richt­li­chen Nachprüfung nicht stand. Das OLG hat die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Haf­tung des Fir­menüber­neh­mers nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB so­wie ei­ner mögli­chen Rechts­schein­haf­tung der Be­klag­ten ver­kannt und eine un­zu­rei­chende ta­trich­ter­li­che Würdi­gung vor­ge­nom­men.

Die Re­vi­sion rügt zu Recht, dass sich das OLG nicht mit den Umständen des Ein­zel­falls aus­ein­an­der­ge­setzt hat, die vor­lie­gend für eine Fir­men­fortführung gem. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB spre­chen. Die Haf­tung nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB greift nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung des BGH ein, wenn zwar der Un­ter­neh­men­sträger wech­selt, das Un­ter­neh­men selbst aus der Sicht des maßgeb­li­chen Ver­kehrs aber im We­sent­li­chen un­verändert un­ter der al­ten Fir­men­be­zeich­nung fort­geführt wird. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB kann auch dann zur An­wen­dung ge­lan­gen, wenn eine "suk­zes­siv er­fol­gende Un­ter­neh­mensüber­nahme" vor­liegt, es also zeit­wei­lig zu ei­ner par­al­le­len Exis­tenz von Alt- und Neu­un­ter­neh­men kommt.

Da­nach kommt vor­lie­gend eine Haf­tung der Be­klag­ten für eine etwa be­ste­hende Ver­bind­lich­keit der Ein­zel­firma P gem. § 25 Abs. 1 S. 1 HGB ernst­haft in Be­tracht. Maßgeb­lich ist, ob die be­tei­lig­ten Ver­kehrs­kreise von ei­ner Un­ter­neh­mens­fortführung aus­ge­hen, die Be­klagte mit der Ein­zel­firma P also in die­sem Sinne "iden­ti­fi­zie­ren". Die Iden­tität bzw. große Ähn­lich­keit des Betäti­gungs­felds ("Be­tei­li­gungs­ge­schäft"), der Firma, des Fir­men­lo­gos, des Ge­schäfts­sit­zes, der Te­le­fon- und Te­le­fax-Num­mer und der E-Mail-Adresse so­wie die Selbst­dar­stel­lung der Be­klag­ten in Schrei­ben und im In­ter­net, die eine 20 Jahre zurück­rei­chende Un­ter­neh­mens­ge­schichte schil­dert, spre­chen deut­lich für eine nach außen in Er­schei­nung ge­tre­tene Un­ter­neh­mens­kon­ti­nuität.

Sollte nach ta­trich­ter­li­cher Ge­samtwürdi­gung al­ler Umstände eine Haf­tung der Be­klag­ten nach § 25 Abs. 1 S. 1 HGB gleich­wohl zu ver­nei­nen sein, so wäre, wor­auf die Re­vi­sion zu Recht auf­merk­sam macht, eine (von § 25 Abs. 1 S. 1 HGB un­abhängige, all­ge­meine) Rechts­schein­haf­tung der Be­klag­ten in Erwägung zu zie­hen. Eine sol­che Rechts­schein­haf­tung kann in Be­tracht kom­men, wenn der An­schein ent­steht, dass zwei von­ein­an­der un­abhängige Rechts­sub­jekte eine Ein­heit bil­den. Mit­hin muss ein Un­ter­neh­men einen zu­re­chen­bar er­zeug­ten Rechts­schein, mit einem an­de­ren Un­ter­neh­men iden­ti­sch zu sein, ge­gen sich gel­ten las­sen.

Zu­tref­fend weist die Re­vi­sion dar­auf hin, dass ei­nige Ver­laut­ba­run­gen der Be­klag­ten den Ein­druck er­we­cken (können), sie sei "Rechts­nach­fol­ger" der Ein­zel­firma P oder mit die­ser "iden­ti­sch" (In­ter­net­auf­tritt; Schrei­ben der Be­klag­ten aus April und Au­gust 2008). Eine Würdi­gung hat das OLG un­ter die­sem Ge­sichts­punkt nicht vor­ge­nom­men. Maßgeb­lich ist in­so­fern nicht, ob die Be­klagte öff­ent­lich be­kun­det hat, für Ver­bind­lich­kei­ten der Ein­zel­firma P ein­ste­hen zu wol­len, son­dern ob sie zu­re­chen­bar den Rechts­schein ge­setzt hat, mit der Ein­zel­firma P iden­ti­sch oder de­ren Rechts­nach­fol­ger zu sein. Nach all­dem war das Be­ru­fungs­ur­teil auf­zu­he­ben und die Sa­che an das OLG zurück­zu­ver­wei­sen.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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