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BGH zur Haftung der Verantwortlichen einer AG im Hinblick auf wertlos gewordene Aktien

Urteil des BGH vom 11.9.2012 - VI ZR 92/11

Eine Kennt­nis des Auf­sichts­rats von den für seine Amtsführung maßgeb­li­chen Tat­sa­chen, ist kon­kret fest­zu­stel­len. Eine Ver­mu­tung der Kennt­nis ei­nes Auf­sichts­rats­mit­glieds von den­je­ni­gen Tat­sa­chen, über die der Auf­sichts­rat pflicht­gemäß durch den Vor­stand un­ter­rich­tet wer­den muss, kommt nicht in Be­tracht.

Der Sach­ver­halt:
Der Be­klagte zu 1) war nach ei­ner Tätig­keit als An­ge­stell­ter für die FG-AG ab Au­gust 2003 de­ren Vor­stands­mit­glied. Der Be­klagte zu 2) war seit 2000 Auf­sichts­rats­vor­sit­zen­der der FG-AG. Der Be­klagte zu 3) war von 2000 bis 2004 als Steu­er­be­ra­ter für die FG-AG ins­be­son­dere mit der Er­stel­lung der Jah­res­ab­schlüsse so­wie ei­nes Be­richts zur Prüfung der Fi­nanz­lage be­traut. Die FG-AG be­trieb An­la­ge­be­ra­tung und -ver­mitt­lung. Ge­schäfts­ge­gen­stand wa­ren im We­sent­li­chen Ak­tien zweier Fir­men.

Der Wert der Ak­tien ent­wi­ckelte sich zunächst po­si­tiv (Au­gust 1998). Dies änderte sich je­doch spätes­tens im Au­gust 2000. Im Ok­to­ber 2000 stellte eine Bank In­sol­venz­an­trag ge­gen die FG-AG. Der auch als Rechts­an­walt tätige Be­klagte zu 2) ver­trat die FG-AG im In­sol­venz­ver­fah­ren; der Be­klagte zu 3 er­stellte im De­zem­ber 2000 einen "Be­richt über die Prüfung der Vermögens­lage", in dem er u.a. ausführte, eine Über­schul­dung und Zah­lungs­unfähig­keit der FG-AG be­stehe nicht. In der Folge wurde der In­sol­venz­an­trag zurück­ge­nom­men.

Der Kläger er­warb im Juni 2001, im Sep­tem­ber 2001 und im Fe­bruar 2003 Ak­tien, die heute wert­los sind. Den da­durch ent­stan­de­nen Scha­den ver­langte er von den Be­klag­ten er­setzt. Er machte gel­tend, die FG-AG sei spätes­tens Ende 2000 zah­lungs­unfähig, die von ihm er­wor­be­nen Ak­tien seien da­her von An­fang an wert­los ge­we­sen.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr teil­weise statt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Auf­grund der bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen konnte die Ver­ur­tei­lung der Be­klag­ten mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt dafür ge­ge­be­nen Begründung kei­nen Be­stand ha­ben.

Den Ur­teilsgründen war nicht ein­deu­tig zu ent­neh­men, ob und in­wie­weit ein ge­mein­schaft­li­ches Han­deln des Be­klag­ten zu 1) mit dem Vor­stands­vor­sit­zen­den i.S.v. § 830 Abs. 1 BGB be­jaht wer­den sollte. Recht­lich rich­ten sich die Vor­aus­set­zun­gen für eine Teil­nahme i.S.d. § 830 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB an ei­ner un­er­laub­ten Hand­lung nach den für das Straf­recht ent­wi­ckel­ten Grundsätzen. Da­nach ver­langt die Teil­nahme ne­ben der Kennt­nis der Ta­tumstände we­nigs­tens in gro­ben Zügen den je­wei­li­gen Wil­len der ein­zel­nen Be­tei­lig­ten, die Tat ge­mein­schaft­lich mit an­de­ren aus­zuführen oder sie als fremde Tat zu fördern. Dass der Be­klagte zu 1) das auf den Han­del mit den streit­ge­genständ­li­chen Ak­tien gestützte "Ge­schäfts­mo­dell" der FG-AG po­si­tiv ge­kannt hatte, be­sagte al­ler­dings nichts darüber, dass ihm auch die Un­re­gelmäßig­kei­ten be­kannt wa­ren. So­mit schei­terte die Haf­tung des Be­klag­ten zu 1) daran, dass nach den bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen die sub­jek­ti­ven Er­for­der­nisse ei­ner Teil­nahme an ei­ner vorsätz­li­chen sit­ten­wid­ri­gen Schädi­gung gem. §§ 826, 830 BGB nicht als erfüllt an­ge­se­hen wer­den konn­ten.

Auch eine Haf­tung des Be­klag­ten zu 2) gem. §§ 826, 830 Abs. 1 u. 2, §§ 249 ff. BGB war zu ver­nei­nen. Denn eine Kennt­nis des Auf­sichts­rats von den für seine Amtsführung maßgeb­li­chen Tat­sa­chen, ist kon­kret fest­zu­stel­len. Eine Ver­mu­tung der Kennt­nis ei­nes Auf­sichts­rats­mit­glieds von den­je­ni­gen Tat­sa­chen, über die der Auf­sichts­rat pflicht­gemäß durch den Vor­stand un­ter­rich­tet wer­den muss, kommt nicht in Be­tracht. Es mag sein, dass die FG-AG be­reits Ende 2000 in­sol­venz­reif war. Dass der Be­klagte zu 2) die ne­ga­tive Ent­wick­lung der Ak­tien auf­grund sei­ner Teil­nahme an der Haupt­ver­samm­lung im Au­gust 2000 hätte er­ken­nen müssen, ver­mochte den er­for­der­li­chen Vor­satz al­ler­dings nicht zu begründen. Dies könnte le­dig­lich einen Fahrlässig­keits­vor­wurf recht­fer­ti­gen.

Letzt­lich kam auch eine ent­spre­chende Haf­tung des Be­klag­ten zu 3) nicht in Be­tracht. Zwar mag die An­nahme nahe lie­gen, dass der Be­klagte zu 3) die de­so­late Si­tua­tion der FG-AG durch­aus hätte er­ken­nen können. Al­ler­dings darf ein Steu­er­be­ra­ter grundsätz­lich dar­auf ver­trauen, dass die ihm mit­ge­teil­ten Zah­len zu­tref­fend sind. An­de­res kann zwar gel­ten, wenn dem Steu­er­be­ra­ter Umstände er­sicht­lich sind, die ge­gen die Rich­tig­keit der Vor­ga­ben spre­chen. Die Auf­fas­sung des OLG, be­reits auf­grund der Be­vollmäch­ti­gung des Be­klag­ten zu 3) durch sämt­li­che Ak­tionäre zur Ausübung des Stimm­rechts sei es dem Be­klag­ten zu 3) ver­wehrt ge­we­sen, sich auf eine fal­sche oder un­zu­rei­chende In­for­ma­tion durch den Vor­stands­vor­sit­zen­den zu be­ru­fen, viel­mehr hätte er sich die not­wen­di­gen Kennt­nisse aus frei verfügba­ren Quel­len be­schaf­fen müssen, führte nicht zur Be­ja­hung der Ge­hil­fen­haf­tung. Al­lein aus der un­zu­rei­chen­den Wahr­neh­mung der Voll­macht, die auch auf Fahrlässig­keit be­ru­hen kann, ließ sich je­den­falls für den Ge­hil­fen­vor­satz nichts her­lei­ten.

Link­hin­weis:
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