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BGH zur Frage des Kündigungsschutzes bei Studentenzimmern

Urteil des BGH vom 13. Juni 2012 – VIII ZR 92/11
Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat mit Ur­teil vom 13.06.2012 eine Ent­schei­dung dazu ge­trof­fen, wann ein Gebäude als Stu­den­ten­wohn­heim im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB* zu qua­li­fi­zie­ren ist, für das der so­zia­len Kündi­gungs­schutz des § 573 BGB** nicht ein­greift.
Der Be­klagte mie­tete im Fe­bruar 2004 vom Kläger ein Zim­mer in einem als "Stu­den­ten­wohn­heim" be­zeich­ne­ten An­we­sen. Die Bau­ge­neh­mi­gung war 1972 für ein Stu­den­ten­wohn­heim er­teilt wor­den. 63 der darin be­find­li­chen Wohn­ein­hei­ten wa­ren aus Lan­des­son­der­mit­teln zur Förde­rung von Stu­den­ten­wohn­hei­men öff­ent­lich gefördert wor­den, wo­bei die Preis­bin­dung in­zwi­schen ab­ge­lau­fen ist. Das An­we­sen verfügt über 67 Wohnräume, von de­nen min­des­tens vier nicht an Stu­den­ten ver­mie­tet sind. Die möblier­ten Zim­mer sind etwa 12 m² groß, wo­bei Küche, Sa­nitäran­la­gen und Waschräume als Ge­mein­schaftsräume aus­geführt sind. Die ge­genwärtige mo­nat­li­che Tei­lin­klu­siv­miete des Be­klag­ten beträgt 190 €. Die Miet­verträge sind re­gelmäßig auf ein Jahr be­fris­tet und verlängern sich um ein Se­mes­ter, wenn nicht drei Mo­nate vor Se­mes­ter­ende schrift­lich gekündigt wird. Die Ver­weil­dauer der Mie­ter ist sehr un­ter­schied­lich.
Am 27. De­zem­ber 2008 kündigte der Kläger dem Be­klag­ten schrift­lich un­ter Hin­weis auf "Het­ze­reien und Rei­be­reien ge­genüber uns und Drit­ten" zum 31. März 2009. Der Kläger meint, die Kündi­gung sei auch ohne Dar­le­gung ei­nes be­rech­tig­ten In­ter­es­ses gemäß § 573 BGB** wirk­sam, da diese Vor­schrift gemäß § 549 Abs. 3 BGB* nicht an­wend­bar sei; es han­dele sich um ein Stu­den­ten­wohn­heim.
Das Amts­ge­richt hat den Be­klag­ten an­trags­gemäß zur Räum­ung und Her­aus­gabe ver­ur­teilt. Auf die Be­ru­fung des Be­klag­ten hat das Be­ru­fungs­ge­richt die Klage ab­ge­wie­sen.
Die da­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Kläger­seite hatte kei­nen Er­folg. Der un­ter an­de­rem für das Wohn­raum­miet­recht zuständige VIII. Zi­vil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat die Ent­schei­dung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass es sich bei dem An­we­sen des Klägers nicht um ein Stu­den­ten­wohn­heim im Sinne des § 549 Abs. 3 BGB* han­delt, bestätigt. Aus der Ent­ste­hungs­ge­schichte des § 549 Abs. 3 BGB er­gibt sich, dass der Ge­setz­ge­ber die in die­ser Norm ent­hal­tene Ein­schränkung des so­zia­len Mie­ter­schut­zes nur vor dem Hin­ter­grund des als höher ge­wich­te­ten Ziels für ge­recht­fer­tigt ge­hal­ten hat, möglichst vie­len Stu­die­ren­den das Woh­nen in einem Stu­den­ten­wohn­heim zu ermögli­chen und da­bei alle Be­wer­ber gleich zu be­han­deln.
Die­ses ge­setz­ge­be­ri­sche Ziel kann nur er­reicht wer­den, wenn der Ver­mie­ter in dem Wohn­heim ein an stu­den­ti­schen Be­lan­gen ori­en­tier­tes Be­le­gungs­kon­zept prak­ti­ziert, das eine Ro­ta­tion nach ab­strakt-ge­ne­rel­len Kri­te­rien vor­sieht. Die Dauer des Miet­verhält­nis­ses muss dazu im Re­gel­fall zeit­lich be­grenzt sein und darf nicht den Zufällig­kei­ten der stu­den­ti­schen Le­bens­pla­nung oder dem ei­ge­nen freien Be­lie­ben des Ver­mie­ters über­las­sen blei­ben. § 549 Abs. 3 BGB dient nicht dazu, dem Ver­mie­ter eine im Ein­zel­fall ge­wollte Ver­trags­be­en­di­gung mit ihm nicht ge­neh­men Mie­tern zu ermögli­chen. Das der Ro­ta­tion zu­grun­de­lie­gende, die Gleich­be­hand­lung al­ler Be­wer­ber wah­rende Kon­zept des Ver­mie­ters muss sich da­bei mit hin­rei­chen­der Deut­lich­keit aus ei­ner Sat­zung, ent­spre­chen­der Selbst­bin­dung oder je­den­falls ei­ner kon­stan­ten tatsäch­li­chen Übung er­ge­ben. An einem der­ar­ti­gen Be­le­gungs­kon­zept fehlt es bei dem vom Kläger be­trie­be­nen Wohn­heim. Die von ihm erklärte Kündi­gung war des­halb – man­gels ei­nes gemäß § 573 Abs. 1 BGB er­for­der­li­chen be­rech­tig­ten In­ter­es­ses an der Be­en­di­gung des Miet­verhält­nis­ses – un­wirk­sam. * 549 BGB: Auf Wohn­raum­miet­verhält­nisse an­wend­bare Vor­schrif­ten (1) (…) (3)Für Wohn­raum in einem Stu­den­ten- oder Ju­gend­wohn­heim gel­ten die §§ 557 bis 561 so­wie die §§ 573, 573a, 573d Abs. 1 und §§ 575, 575a Abs. 1, §§ 577, 577a nicht. ** § 573 BGB: Or­dent­li­che Kündi­gung des Ver­mie­ters Der Ver­mie­ter kann nur kündi­gen, wenn er ein be­rech­tig­tes In­ter­esse an der Be­en­di­gung des Miet­verhält­nis­ses hat. Die Kündi­gung zum Zwecke der Miet­erhöhung ist aus­ge­schlos­sen. Ein be­rech­tig­tes In­ter­esse des Ver­mie­ters an der Be­en­di­gung des Miet­verhält­nis­ses liegt ins­be­son­dere vor, wenn der Mie­ter seine ver­trag­li­chen Pflich­ten schuld­haft nicht un­er­heb­lich ver­letzt hat, der Ver­mie­ter die Räume als Woh­nung für sich, seine Fa­mi­li­en­an­gehöri­gen oder An­gehörige sei­nes Haus­halts benötigt oder 3.der Ver­mie­ter durch die Fort­set­zung des Miet­verhält­nis­ses an ei­ner an­ge­mes­se­nen wirt­schaft­li­chen Ver­wer­tung des Grundstücks ge­hin­dert und da­durch er­heb­li­che Nach­teile er­lei­den würde (…). (3) Die Gründe für ein be­rech­tig­tes In­ter­esse des Ver­mie­ters sind in dem Kündi­gungs­schrei­ben an­zu­ge­ben. An­dere Gründe wer­den nur berück­sich­tigt, so­weit sie nachträglich ent­stan­den sind. (4) Eine zum Nach­teil des Mie­ters ab­wei­chende Ver­ein­ba­rung ist un­wirk­sam. Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BGH Nr. 87/2012 vom 13.06.2012
14.06.2012 nach oben

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