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BGH zur Frage der Beweislast beim Vorwurf des Vertriebs von Plagiaten

Urteile des BGH vom 15.3.2012 - I ZR 52/10 und I ZR 137/10

Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat in zwei Ver­fah­ren über Fra­gen der Be­weis­last ent­schie­den, in de­nen zwi­schen den Par­teien strei­tig ist, ob ein Händ­ler Ori­gi­nal­mar­ken­ware oder Pro­duktfälschun­gen ver­trie­ben hat. Gleich­zei­tig be­trifft das Ver­fah­ren die Frage, ob die Wa­ren - so­weit es sich um Ori­gi­nal­mar­ken­wa­ren han­delt - vom Mar­ken­in­ha­ber im Eu­ropäischen Wirt­schafts­raum in den Ver­kehr ge­bracht wor­den sind.

Der Sach­ver­halt:

+++ I ZR 52/10 +++
In die­sem Ver­fah­ren ist die Kläge­rin die in den USA ansässige Con­verse Inc. Sie pro­du­ziert und ver­treibt den als "Con­verse All Star Chuck Tay­lor" be­zeich­ne­ten Frei­zeit­schuh. Sie ist In­ha­be­rin der Marke "CON­VERSE". Die Be­klagte han­delt mit Sport­schu­hen. Sie be­lie­ferte ver­schie­dene Han­dels­grup­pen mit Con­verse-Schu­hen.

Im Sep­tem­ber 2008 bot ein Ver­brau­cher­markt in So­lin­gen von der Be­klag­ten ge­lie­ferte Schuhe an, die mit der Marke der Kläge­rin ver­se­hen wa­ren. Die Kläge­rin be­haup­tet, da­bei habe es sich um Pro­duktfälschun­gen ge­han­delt. Sie nimmt die Be­klagte auf Un­ter­las­sung in An­spruch. Die Be­klagte be­ruft sich dar­auf, dass die von ihr ge­lie­fer­ten Schuhe mit Zu­stim­mung der Kläge­rin in Eu­ropa in Ver­kehr ge­bracht wor­den seien, so dass Er­schöpfung des Mar­ken­rechts ein­ge­tre­ten sei.

Das LG gab der Klage im We­sent­li­chen statt; das OLG wies sie ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che an das OLG zurück.

+++ I ZR 137/10 +++
Im die­sem Ver­fah­ren ist die Kläge­rin die aus­schließli­che Ver­triebs­ge­sell­schaft der Con­verse Inc. in Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz. Die Be­klagte gehört zu den welt­weit größten Han­dels­kon­zer­nen. Im Au­gust 2006, Ja­nuar und Au­gust 2007 so­wie im Ja­nuar 2008 ver­kaufte sie in ih­ren Ein­kaufsmärk­ten ori­gi­nal "Con­verse-Schuhe". Nach Dar­stel­lung der Kläge­rin sind die Schuhe ur­sprüng­lich von der Con­verse in den USA in Ver­kehr ge­bracht wor­den; die Be­klagte macht da­ge­gen gel­tend, Con­verse habe die Schuhe im Eu­ropäischen Wirt­schafts­raum in Ver­kehr ge­bracht.

LG und OLG ga­ben der Klage im We­sent­li­chen statt. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte hin­sicht­lich des gel­tend ge­mach­ten Un­ter­las­sungs­an­spruchs vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:

+++ I ZR 52/10 +++
Vor­lie­gend steht fest, dass die Be­klagte i.S.v. § 14 Abs. 2 Nr. 1 Mar­kenG im ge­schäft­li­chen Ver­kehr mit der Marke der Kläge­rin iden­ti­sche Zei­chen für iden­ti­sche Wa­ren ver­wen­det hat, für die die Marke Schutz ge­nießt. Dies stellt eine Mar­ken­ver­let­zung dar, wenn es sich nicht um Ori­gi­nal­mar­ken­ware han­delt, die von der Kläge­rin als Mar­ken­in­ha­be­rin oder mit ih­rer Zu­stim­mung im Eu­ropäischen Wirt­schafts­raum in den Ver­kehr ge­bracht wor­den ist. Im Streit­fall sind diese Umstände un­geklärt.

Für die Frage, ob es sich um Ori­gi­nal­mar­ken­ware han­delt, ist grundsätz­lich die Be­klagte be­weis­pflich­tig. Al­ler­dings muss der Mar­ken­in­ha­ber, der eine Pro­duktfälschung be­haup­tet, zunächst An­halts­punkte oder Umstände vor­tra­gen, die für eine Fälschung spre­chen. Dem ist die Kläge­rin im Streit­fall nach­ge­kom­men. Die Be­klagte trifft auch die Be­weis­last dafür, dass die in Rede ste­hende Ware von der Kläge­rin oder mit de­ren Zu­stim­mung im Eu­ropäischen Wirt­schafts­raum in Ver­kehr ge­bracht wor­den ist und die Mar­ken­rechte da­nach gem. § 24 Mar­kenG er­schöpft sind.

Diese Be­weis­re­gel gilt al­ler­dings nicht, wenn der Mar­ken­in­ha­ber ein Ver­triebs­sys­tem er­rich­tet hat, mit dem er den grenzüber­schrei­ten­den Wei­ter­ver­kauf der Wa­ren im Bin­nen­markt - also Par­al­lel­im­porte - ver­hin­dern kann und wenn die tatsäch­li­che Ge­fahr der Markt­ab­schot­tung be­steht, falls der Händ­ler die Lie­fer­kette of­fen­le­gen muss. Der Mar­ken­in­ha­ber könnte in ei­ner sol­chen Fall­kon­stel­la­tion bei ei­ner Of­fen­le­gung der Lie­fer­be­zie­hun­gen auf den Ver­tragshänd­ler mit dem Ziel ein­wir­ken, Lie­fe­run­gen an außer­halb des Ver­triebs­sys­tems ste­hende Händ­ler künf­tig zu un­ter­las­sen. Im Streit­fall be­steht aber we­der auf­grund der dem Ver­triebs­sys­tem der Kläge­rin zu­grun­de­lie­gen­den ver­trag­li­chen Ab­spra­chen noch auf­grund ei­nes tatsäch­li­chen Ver­hal­tens der Kläge­rin eine sol­che Ge­fahr der Markt­ab­schot­tung.

Da nicht fest­steht, ob es sich um Ori­gi­nal­mar­ken­ware han­delt, die vom Mar­ken­in­ha­ber oder mit sei­ner Zu­stim­mung im Eu­ropäischen Wirt­schafts­raum in Ver­kehr ge­bracht wor­den ist, war die Sa­che an das OLG zurück­zu­ver­wei­sen, da­mit die er­for­der­li­chen tatsäch­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­trof­fen wer­den.

+++ I ZR 137/10 +++
Auch im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren steht fest, dass die Be­klagte im ge­schäft­li­chen Ver­kehr mit der Marke iden­ti­sche Zei­chen für iden­ti­sche Wa­ren ver­wen­det hat, für die die Marke Schutz ge­nießt. Für das In­ver­kehr­brin­gen der Ori­gi­nal­mar­ken­ware im Eu­ropäischen Wirt­schafts­raum ist im Streit­fall ent­spre­chend der grundsätz­li­chen Be­weis­last­ver­tei­lung die Be­klagte be­weis­pflich­tig, weil eine tatsäch­li­che Ge­fahr der Markt­ab­schot­tung nicht be­steht.

Nach den An­ga­ben der Be­klag­ten stammt die Ware von einem slo­we­ni­schen Ver­triebs­part­ner der Mar­ken­in­ha­be­rin, der schon vor dem in Rede ste­hen­den Er­werb der "Con­verse-Schuhe" durch die Be­klagte aus dem Ver­triebs­sys­tem der Mar­ken­in­ha­be­rin aus­ge­schie­den ist. Es be­steht da­her für die Mar­ken­in­ha­be­rin keine Möglich­keit, auf ein künf­ti­ges Lie­fer­ver­hal­ten die­ses ehe­ma­li­gen Ver­triebs­part­ners ein­zu­wir­ken und da­durch die Märkte der Mit­glied­staa­ten ge­gen­ein­an­der ab­zu­schot­ten. Da die Be­klagte kei­nen taug­li­chen Be­weis dafür an­ge­bo­ten hat, dass der slo­we­ni­sche Ver­triebs­part­ner die in Rede ste­hende Ware tatsäch­lich von der Mar­ken­in­ha­be­rin er­hal­ten hat, können die Vor­aus­set­zun­gen der Er­schöpfung nicht an­ge­nom­men wer­den.

Link­hin­weis:
  • Die Voll­texte der Ent­schei­dun­gen wer­den demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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