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BGH zur Ausübung des Vorkaufsrechts hinsichtlich einer Eigentumswohnung bei Vorliegen einer den Vorkaufsfall auslösenden kaufähnlichen Vertragsgestaltung

Urteil des BGH vom 27.1.2012,´- V ZR 272/10

Bringt der Ver­pflich­tete die mit einem Vor­kaufs­recht be­las­tete Sa­che in eine von ihm be­herrschte Ge­sell­schaft ein und überträgt er an­schließend die Ge­sell­schafts­an­teile ent­gelt­lich an einen Drit­ten, kann eine den Vor­kaufs­fall auslösende kaufähn­li­che Ver­trags­ge­stal­tung vor­lie­gen. Der Ver­pflich­tete kann die Er­stre­ckung des Vor­kaufs auf an­dere Ge­genstände als die­je­ni­gen, auf die sich das Vor­kaufs­recht be­zieht, nur dann ver­lan­gen, wenn sich in­folge der Tren­nung der vor­kaufs­be­las­te­ten Sa­che kein adäqua­ter Preis für die ver­blei­ben­den Ge­genstände er­zie­len lässt.

Der Sach­ver­halt:
Den Klägern gehört seit 1986 eine Ei­gen­tums­woh­nung nebst Stell­platz in Form ei­nes Woh­nungs- und Tei­ler­bbau­rechts. Zu ih­ren Guns­ten be­steht ein ding­li­ches Vor­kaufs­recht für alle Fälle des Ver­kaufs des Erb­bau­grundstücks.

Über das Vermögen der ur­sprüng­li­chen Ei­gentüme­rin des Erb­bau­grundstücks (Schuld­ne­rin) wurde 2001 das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net und der Be­klagte zu 3) als In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Die­ser bot den Klägern einen ih­rem Woh­nungs- und Tei­ler­bbau­recht ent­spre­chen­den Mit­ei­gen­tums­an­teil an dem Grundstück zum Kauf an. Das lehn­ten die Kläger ab, weil ih­nen der Preis zu hoch er­schien, während an­dere Woh­nungs­erb­bau­be­rech­tigte ent­spre­chende An­ge­bote ak­zep­tier­ten.

Mit no­ta­ri­el­lem Ver­trag von März 2005 über­trug der Be­klagte zu 3) das Ei­gen­tum an dem Erb­bau­grundstück und an wei­te­ren 86, eben­falls mit Erb­bau­rech­ten be­las­te­ten Grundstücken un­ent­gelt­lich an die Be­klagte zu 1), ei­ner un­mit­tel­bar zu­vor gegründe­ten GmbH & Co. KG. Mit wei­te­rem no­ta­ri­el­len Ver­trag vom sel­ben Tag über­trug der Be­klagte zu 3) die Ge­sell­schafts­an­teile an der Be­klag­ten zu 1) und an de­ren Kom­ple­mentärin zum Preis von 25.000 € für die GmbH-An­teile und von 7,44 Mio. € für die Kom­man­dit­an­teile auf die V-AG. Die Be­klagte zu 1) ver­wal­tet seit­her die Erb­bau­rechte für die V-AG.

Die Kläger, die auf­grund der im März 2005 ge­schlos­se­nen Verträge den Vor­kaufs­fall für ein­ge­tre­ten hal­ten, ha­ben das Vor­kaufs­recht ausgeübt. Mit ih­rer Klage ver­lan­gen sie von den Be­klag­ten zu 1) und zu 3) u.a. die Über­tra­gung des ih­rem Woh­nungs- und Tei­ler­bbau­recht ent­spre­chen­den Mit­ei­gen­tums­an­teils an dem Erb­bau­grundstück Zug um Zug ge­gen Zah­lung von 14.860 €.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG ver­neint zu Un­recht den Ein­tritt des Vor­kaufs­falls und hält des­halb alle mit der Klage ver­folg­ten An­sprüche für un­begründet.

Eine in­ter­es­sen­ge­rechte Aus­le­gung von § 463 BGB ge­bie­tet es, die Norm auch auf sol­che Ver­trags­ge­stal­tun­gen zwi­schen dem Ver­pflich­te­ten und dem Drit­ten an­zu­wen­den, die bei ma­te­ri­el­ler Be­trach­tung einem Kauf i.S.d. Vor­kaufs­rechts so nahe kom­men, dass sie ihm gleich­ge­stellt wer­den können. Eine kaufähn­li­che Ver­trags­ge­stal­tung in die­sem Sinne kann ge­ge­ben sein, wenn der Ver­pflich­tete die mit einem Vor­kaufs­recht be­las­tete Sa­che in eine von ihm be­herrschte Ge­sell­schaft ein­bringt und an­schließend die Ge­sell­schafts­an­teile ent­gelt­lich an einen Drit­ten überträgt. Maßgeb­lich ist, ob al­len for­mel­len Ver­ein­ba­run­gen zum Trotz der Wille der Ver­trags­schließen­den auf eine Ei­gen­tumsüber­tra­gung (auch) der vor­kaufs­be­las­te­ten Sa­che ge­gen Zah­lung ei­nes be­stimm­ten Prei­ses ge­rich­tet war.

Das OLG hält diese Vor­aus­set­zun­gen hier zu Un­recht für nicht ge­ge­ben. Diese Be­wer­tung lässt sich auch nicht un­ter Hin­weis dar­auf in Frage stel­len, nicht der Ver­kauf der Grundstücke habe im Vor­der­grund ge­stan­den, son­dern die Über­tra­gung ei­nes - durch die Aus­glie­de­rung ei­nes Be­triebs­teils der Schuld­ne­rin in die Be­klagte zu 1) ent­stan­de­nen - Un­ter­neh­mens mit dem Zweck der Ge­winn­er­zie­lung durch die Ein­nahme von Erb­bau­zin­sen. Hier­bei wird be­reits ver­kannt, dass die Veräußerung ei­nes Un­ter­neh­mens, wel­ches kei­nen an­de­ren Zweck hat, als die in sei­nem Ei­gen­tum ste­hen­den Grundstücke zu ver­wal­ten, wirt­schaft­lich dem Ver­kauf die­ser Grundstücke gleich­steht.

Für das wei­tere Ver­fah­ren war auf Fol­gen­des hin­zu­wei­sen: Ein Nach­teil i.S.v. § 467 S. 2 BGB, der den Be­klag­ten zu 3) zu dem Ein­wand be­rech­tigte, der Vor­kauf müsse auf alle 87 Grundstücke oder auf alle Mit­ei­gen­tums­an­teile des vor­kaufs­be­las­te­ten Grundstücks er­streckt wer­den, ist nicht schon im Weg­fall der Vor­teile zu se­hen, die sich aus der Veräußerung der Grundstücke im "Pa­ket" er­ge­ben. Kein Nach­teil im Sinne die­ser Vor­schrift ist es, wenn der Men­gen­ver­kauf für den Vor­kaufs­ver­pflich­te­ten vor­teil­haf­ter war als ein Ein­zel­ver­kauf; denn mit der Auflösung des "Pa­kets" mus­ste der Ver­pflich­tete an­ge­sichts des Vor­kaufs­rechts von vorn­her­ein rech­nen.

Die Er­stre­ckung des Vor­kaufs auf sämt­li­che Ge­genstände kann der Ver­pflich­tete nur dann ver­lan­gen, wenn sich in­folge der Tren­nung des vor­kaufs­be­las­te­ten Ge­gen­stands kein adäqua­ter Preis für die ver­blei­ben­den Sa­chen er­zie­len lässt. So kann es bei­spiels­weise lie­gen, wenn zu­sam­men mit dem vor­kaufs­be­las­te­ten Grundstück eine iso­liert nicht sinn­voll nutz­bare Fläche oder ein spe­zi­ell für ein Haus an­ge­fer­tig­ter Ein­rich­tungs­ge­gen­stand ver­kauft wor­den ist.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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