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BGH zum Schadensersatzanspruch des Geschäftsführers einer GmbH gem. § 628 Abs. 2 BGB nach Einschränkung seines Aufgabenbereichs

Urteil des BGH vom 6.3.2012 - II ZR 76/11

Ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 628 Abs. 2 BGB schei­det je­den­falls dann aus, wenn der Auf­ga­ben­be­reich ei­nes GmbH-Ge­schäftsführers ohne Ver­let­zung sei­nes An­stel­lungs­ver­tra­ges ein­ge­schränkt wird und er dar­auf­hin die außer­or­dent­li­che Kündi­gung des An­stel­lungs­ver­trags erklärt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger und seine Ehe­frau wa­ren al­lei­nige Ge­sell­schaf­ter und Ge­schäftsführer der be­klag­ten GmbH. Diese gibt eine Stadt­il­lus­trierte her­aus und führt Ver­an­stal­tun­gen wie die "Lange Nacht der Mu­seen" durch. Im Juni 2006 er­warb die R-GmbH & Co. KG (R) sämt­li­che An­teile an der Be­klag­ten. Der Kläger und seine Ehe­frau schlos­sen mit der Be­klag­ten einen Ge­schäftsführer­an­stel­lungs­ver­trag, wo­nach sie die Ge­schäfte der Ge­sell­schaft wei­ter "selbständig" und "ver­ant­wort­lich" führen soll­ten. Zu ih­ren Haupt­auf­ga­ben gehörten da­nach Führung und Or­ga­ni­sa­tion der not­wen­di­gen per­so­nel­len und be­trieb­li­chen Struk­tu­ren und die In­stal­la­tion ei­nes Rech­nungs- und Be­richts­we­sens in ei­ner von der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung vor­ge­ge­be­nen Form.

Der Ver­trag sollte erst­mals zum 30.6.2011 or­dent­lich gekündigt wer­den können. Ent­spre­chend ei­ner Be­stim­mung in der - mitt­ler­weile geänder­ten - Sat­zung der Be­klag­ten wa­ren der Kläger und seine Ehe­frau als je­weils al­lein­ver­tre­tungs­be­rech­tigte und von den Be­schränkun­gen des § 181 BGB be­freite Ge­schäftsführer im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen. In der Fol­ge­zeit kam es zu Mei­nungs­ver­schie­den­hei­ten zwi­schen den Ge­schäftsführern und der R. Diese be­ruh­ten u.a. dar­auf, dass die R ei­nige der Ab­tei­lun­gen der Be­klag­ten in an­dere Kon­zern­un­ter­neh­men ver­la­gert hatte, u.a. den Ver­trieb und das Rech­nungs­we­sen.

Der Kläger be­an­stan­dete diese Maßnah­men als Ver­let­zung des Ge­schäftsführer­an­stel­lungs­ver­trags und for­derte die R auf zu erklären, dass sie dem Kläger durch ge­eig­nete Maßnah­men die Ge­le­gen­heit ge­ben werde, die Ge­schäfte der Ge­sell­schaft wie­der selbständig und ver­ant­wort­lich zu führen. Gleich­zei­tig be­stellte die R den Ge­schäftsführer ih­rer Kom­ple­mentärin, B, als wei­te­ren Ge­schäftsführer der Be­klag­ten und er­ließ eine Ge­schäfts­ord­nung. Die Ge­samt­ver­ant­wor­tung für die Ge­schäftsführung lag da­nach bei B. Der Kläger und seine Ehe­frau wa­ren ihm be­richts­pflich­tig und an seine Wei­sun­gen ge­bun­den. Der Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Klägers wurde ein­ge­schränkt. Im Han­dels­re­gis­ter wurde die Ein­tra­gung der Ein­zel­ver­tre­tungs­be­fug­nis und der Be­frei­ung von den Be­schränkun­gen des § 181 BGB hin­sicht­lich des Klägers und sei­ner Ehe­frau gelöscht.

Der Kläger erklärte dar­auf­hin im März 2009 die frist­lose Kündi­gung sei­nes An­stel­lungs­ver­tra­ges. Nach­dem er trotz Auf­for­de­rung der R an ei­ner Ge­schäftsführer­sit­zung nicht teil­ge­nom­men hatte, erklärte auch die R die frist­lose Kündi­gung und be­rief den Kläger als Ge­schäftsführer ab. Mit der Klage be­gehrt der Kläger die Fest­stel­lung, dass seine Kündi­gung wirk­sam sei. Fer­ner macht er seine ver­trag­li­chen Vergütungs­an­sprüche bis ein­schließlich Au­gust 2010 - zum Teil erst im zwei­ten Rechts­zug - i.H.v. rd. 110.000 € gel­tend und ver­langt die Fest­stel­lung, dass die Be­klagte zum Er­satz ei­nes darüber hin­aus­ge­hen­den Scha­dens ver­pflich­tet sei.

Das LG gab der Klage statt. Das OLG bestätigt die­ses Ur­teil hin­sicht­lich der Fest­stel­lung, dass die Kündi­gung wirk­sam ist, wies die Klage im Übri­gen aber ab. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion des Klägers, der sein Kla­ge­be­geh­ren in vol­lem Um­fang wei­ter­ver­folgt, hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Dem Kläger steht kein Scha­dens­er­satz­an­spruch gem. § 628 Abs. 2 BGB zu.

Für den Fall ei­ner Ab­be­ru­fung des Ge­schäftsführers hat der Se­nat be­reits ent­schie­den, dass darin - un­abhängig von dem In­halt des An­stel­lungs­ver­tra­ges - kein ver­trags­wid­ri­ges Ver­hal­ten i.S.d. § 628 Abs. 2 BGB liegt. Die Möglich­keit des je­der­zei­ti­gen Wi­der­rufs der Ge­schäftsführ­er­be­stel­lung gewähr­leis­tet der Ge­sell­schaft im Be­reich der Ge­schäftsführung eine weit­ge­hende Or­ga­ni­sa­ti­ons­frei­heit. Die­ses Recht schränkt den dienst­ver­trag­li­chen Be­schäfti­gungs­an­spruch ein. Das er­gibt sich aus § 38 Abs. 1 GmbHG. Da­nach kann die Be­stel­lung der Ge­schäftsführer "un­be­scha­det der Ent­schädi­gungs­an­sprüche aus be­ste­hen­den Verträgen" je­der­zeit wi­der­ru­fen wer­den.

Diese Re­ge­lung schließt ein dienst­ver­trag­lich begründe­tes Recht des Ge­schäftsführers auf Ver­bleib im Amt aus. Sei­nen In­ter­es­sen wird da­durch Rech­nung ge­tra­gen, dass seine Vergütungs­an­sprüche mit der Ein­schränkung aus § 615 S. 2 BGB be­ste­hen blei­ben. Kündigt der Ge­schäftsführer sei­nen An­stel­lungs­ver­trag da­ge­gen frist­los, ver­liert er den ver­trag­li­chen Vergütungs­an­spruch. Es kommt dann nur ein Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 628 Abs. 2 BGB in Be­tracht. Da die Ge­sell­schaft je­doch mit der Ab­be­ru­fung von einem ihr ge­setz­lich ein­geräum­ten Recht Ge­brauch macht, das den Wei­ter­be­schäfti­gungs­an­spruch des Ge­schäftsführers ent­fal­len lässt, kann ihr Ver­hal­ten nicht als ver­trags­wid­rig an­ge­se­hen wer­den.

Ge­gen eine An­wen­dung die­ser Grundsätze auf eine - wie hier - weit­ge­hende Be­schränkung des Auf­ga­ben­be­reichs des Ge­schäftsführers wer­den zwar in der ober­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung und im Schrift­tum Be­den­ken gel­tend ge­macht. Die Frage be­darf im vor­lie­gen­den Fall aber kei­ner Ent­schei­dung. Denn die Be­schnei­dung der Kom­pe­ten­zen des Klägers war nicht nur auf der ge­sell­schafts­recht­li­chen, son­dern auch auf der Ebene des An­stel­lungs­ver­trags nicht pflicht­wid­rig. Je­den­falls des­halb konnte die­ses Ver­hal­ten kei­nen Scha­dens­er­satz­an­spruch nach § 628 Abs. 2 BGB auslösen.

We­der dem An­stel­lungs­ver­trag des Klägers noch der Sat­zung der Be­klag­ten lässt sich ent­neh­men, dass die Be­schränkung der Kom­pe­ten­zen des Klägers in der von der Be­klag­ten vor­ge­nom­me­nen Art un­zulässig war. Das OLG hat zu­tref­fend aus­geführt, ein un­zulässi­ger Aus­schluss des Klägers von je­der Ge­schäftsführungs­be­fug­nis liege nicht vor. Ausdrück­lich ge­re­gelt ist, dass die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung - im Rah­men ih­rer ge­setz­li­chen Wei­sungs­be­fug­nis - die Zuständig­keit meh­re­rer Ge­schäftsführer ab­wei­chend von dem Ver­trag re­geln kann und dass sie eine Ge­schäfts­ord­nung er­las­sen kann. Die Bei­spiels­liste kann zu­dem verlängert wer­den. Da­mit wa­ren auch ein­schnei­dende Ein­griffe in den Zuständig­keits­be­reich des Klägers nicht ver­trags­wid­rig.

Link­hin­weis:
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