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BGH: Mitbestimmungsrecht der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat einer Alt-AG besteht nur ab fünf Arbeitnehmern

BGH 7.2.2012, II ZB 14/11

Für eine vor dem 10.8.1994 ein­ge­tra­gene AG, die keine Fa­mi­li­en­ge­sell­schaft ist, be­steht ein Mit­be­stim­mungs­recht der Ar­beit­neh­mer im Auf­sichts­rat, wenn die Ge­sell­schaft min­des­tens fünf Ar­beit­neh­mer hat. Hierfür spricht so­wohl die Ge­set­zes­sys­te­ma­tik als auch der Zweck des Drit­telbG, wo­nach erst die mit dem Über­schrei­ten ei­ner be­stimm­ten Un­ter­neh­mensgröße auf­tre­ten­den Pro­bleme der An­ony­mi­sie­rung der Ar­beit­neh­mer, der Büro­kra­ti­sie­rung der Un­ter­neh­mens­lei­tung und da­mit der Ent­ste­hung von Dienst­we­gen eine Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer na­he­le­gen.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trags­geg­ne­rin ist eine Fa­mi­li­en­ge­sell­schaft, die be­reits vor 1994 im Han­dels­re­gis­ter als AG ein­ge­tra­gen wor­den war. Sie be­schäftigte im Jahr 2010 zunächst drei, seit Au­gust 2010 nur noch zwei Ar­beit­neh­mer. Der Auf­sichts­rat war aus zwei Mit­glie­dern der An­teils­eig­ner und einem Ar­beit­neh­mer­ver­tre­ter zu­sam­men­ge­setzt. Im März 2010 teilte der Vor­stand der An­trags­geg­ne­rin mit, dass nach sei­ner An­sicht der Auf­sichts­rat der Ge­sell­schaft nicht nach den maßgeb­li­chen ge­setz­li­chen Vor­schrif­ten zu­sam­men­ge­setzt sei. Da die Ge­sell­schaft in­zwi­schen in der Re­gel we­ni­ger als fünf Ar­beit­neh­mer be­schäftige, sei die Ver­pflich­tung zur Bil­dung ei­nes Auf­sichts­ra­tes nach dem Drit­telbG ent­fal­len.

Der An­trag­stel­ler ist Ak­tionär der An­trags­geg­ne­rin. Er be­an­tragte im April 2011 die ge­richt­li­che Ent­schei­dung über die Zu­sam­men­set­zung des Auf­sichts­ra­tes der An­trags­geg­ne­rin gem. § 98 Abs. 1 S. 1 AktG. Der Vor­sit­zende des Auf­sichts­rats der An­trags­geg­ne­rin be­an­tragte hin­ge­gen die Zurück­wei­sung des An­trags.

Das LG stellte fest, dass sich der Auf­sichts­rat der An­trags­geg­ne­rin nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Drit­telbG zu­sam­men­setzt. Auf die Be­schwerde des Vor­stan­des änderte das OLG den Be­schluss ab und stellte fest, dass für die An­trags­geg­ne­rin das Drit­telbG nicht gilt. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Rechts­be­schwerde des An­trag­stel­lers blieb vor dem BGH er­folg­los.

Die Gründe:
Die An­trags­geg­ne­rin wird vom An­wen­dungs­be­reich des Drit­telbG nicht er­fasst.

In Recht­spre­chung und Li­te­ra­tur ist um­strit­ten, ob das Drit­telbG auf eine vor dem 10.8.1994 ein­ge­tra­gene AG ent­ge­gen dem Wort­laut in § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Drit­telbG erst ab ei­ner be­stimm­ten Ar­beit­neh­me­ran­zahl an­zu­wen­den ist. Eine An­sicht, der sich das Be­schwer­de­ge­richt an­ge­schlos­sen hatte, ver­langt min­des­tens fünf Ar­beit­neh­mer für die Eröff­nung des An­wen­dungs­be­reichs der Vor­schrif­ten über die Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer im Auf­sichts­rat für die Alt-AG. Sie stellt dar­auf ab, dass es bei der Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer im Auf­sichts­rat nicht nur um eine bloße Be­tei­li­gung von Ar­beit­neh­mern an Un­ter­neh­mens­ent­schei­dun­gen gehe, son­dern um eine kol­lek­tive In­ter­es­sen­ver­tre­tung der Be­leg­schaft durch die Wahl von Ar­beit­neh­mer­ver­tre­tern. Das Be­trVG zeige, dass der Ge­setz­ge­ber für die Er­rich­tung von Be­triebsräten eine sol­che erst ab ei­ner Min­destgröße von fünf Ar­beit­neh­mern für not­wen­dig und sinn­voll halte, wes­halb diese Min­dest­an­zahl auch für die Ar­beit­neh­mer­mit­be­stim­mung im Auf­sichts­rat zu for­dern sei.

Auch die Ge­set­zes­sys­te­ma­tik spricht dafür, den An­wen­dungs­be­reich des Drit­telbG erst ab ei­ner Min­dest­an­zahl von fünf Ar­beit­neh­mern als eröff­net an­zu­se­hen. Die Auf­sichts­rats­mit­glie­der der Ar­beit­neh­mer wer­den von den wahl­be­rech­tig­ten Ar­beit­neh­mern des Un­ter­neh­mens gewählt. Zwar ist eine Wahl als sol­che be­reits bei nur zwei ak­tiv oder pas­siv wahl­be­rech­tig­ten Mit­ar­bei­tern des Un­ter­neh­mens möglich. Gem. § 6 S. 1 Drit­telbG er­folgt die Wahl aber auf Grund von Wahl­vor­schlägen der Be­triebsräte und Ar­beit­neh­mer. Ein Un­ter­neh­men mit nur zwei Mit­ar­bei­tern er­reicht je­doch die Min­dest­an­zahl von fünf Ar­beit­neh­mern für die Wahl ei­nes Be­triebs­ra­tes gem. § 1 Be­trVG nicht, so dass es auch kei­nen Wahl­vor­schlag des Be­triebs­ra­tes ge­ben kann.

Letzt­lich wird der Zweck des Drit­telbG in Un­ter­neh­men mit nur zwei Ar­beit­neh­mern nicht er­reicht. Erst die mit dem Über­schrei­ten ei­ner be­stimm­ten Un­ter­neh­mensgröße auf­tre­ten­den Pro­bleme der An­ony­mi­sie­rung der Ar­beit­neh­mer, der Büro­kra­ti­sie­rung der Un­ter­neh­mens­lei­tung und da­mit der Ent­ste­hung von Dienst­we­gen le­gen eine Mit­be­stim­mung der Ar­beit­neh­mer nahe. Auch die Drit­tel­be­tei­li­gung der Ar­beit­neh­mer im Auf­sichts­rat dient der kol­lek­ti­ven In­ter­es­sen­ver­tre­tung der Be­leg­schaft durch die Mit­be­stim­mung im Hin­blick auf die so­zia­len und per­so­nel­len Aus­wir­kun­gen wirt­schaft­li­cher Un­ter­neh­merent­schei­dun­gen in einem wich­ti­gen Or­gan des Un­ter­neh­men­strägers. Eine kol­lek­tive In­ter­es­sen­ver­tre­tung setzt vor­aus, dass die In­ter­es­sen meh­re­rer und nicht nur ein­zel­ner Per­so­nen ver­tre­ten wer­den sol­len.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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