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BFH zur Berücksichtigung eines Zivildienstleistenden als Ausbildungsplatz suchendes Kind

Urteil des BFH vom 27.9.2012 - III R 70/11

Der Berück­sich­ti­gungs­tat­be­stand des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG wird nicht schon des­halb aus­ge­schlos­sen, weil das Kind, während es sich um einen Aus­bil­dungs­platz bemüht, den ge­setz­li­chen Zi­vil­dienst ab­leis­tet. Ab­wei­chen­des lässt sich ins­bes. we­der aus dem Um­stand, dass der Zi­vil­dienst nicht in den Ka­ta­log der Berück­sich­ti­gungs­tat­bestände (§ 32 Abs. 4 S. 1 EStG) auf­ge­nom­men wurde, noch aus der Vor­schrift des § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG ab­lei­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist die Mut­ter ei­nes im April 1988 ge­bo­re­nen Soh­nes. Die­ser be­en­dete seine Schul­aus­bil­dung im Juli 2007. In der Zeit vom 2.1. bis 30.9.2008 leis­tete er den ge­setz­li­chen Zi­vil­dienst. Hierfür er­hielt er einen Sold i.H.v. rd. 4.600 € und ein Ent­las­sungs­geld i.H.v. 690 €. Spätes­tens im März 2008 be­warb sich der Sohn um einen Stu­di­en­platz. Im Juni 2008 be­stand er die hierfür vor­ge­schrie­bene Auf­nah­meprüfung. Im Ok­to­ber 2008 nahm er sein Stu­dium auf. Die be­klagte Fa­mi­li­en­kasse hob die Kin­der­geld­fest­set­zung für den Sohn ab Au­gust 2007 auf und for­derte gewähr­tes Kin­der­geld i.H.v. 616 € zurück. Ab Ok­to­ber 2008 be­zog die Kläge­rin wie­der Kin­der­geld.

Das FG gab der ge­gen den Auf­he­bungs­be­scheid ge­rich­te­ten Klage für den Mo­nat März 2008 statt, für den Zeit­raum von Au­gust 2007 bis Fe­bruar 2008 wies es sie ab. Die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin und der Fa­mi­li­en­kasse hat­ten vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass der Kläge­rin im Streit­zeit­raum Au­gust 2007 bis März 2008 le­dig­lich ein Kin­der­geld­an­spruch für den Mo­nat März 2008 zu­steht.

Re­vi­sion der Kläge­rin:
Das FG hat den Sohn für den Zeit­raum von Au­gust 2007 bis Fe­bruar 2008 zu Recht nicht als Kind gem. § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 EStG berück­sich­tigt. Er kann während des ge­nann­ten Zeit­raums nicht nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG als Aus­bil­dungs­platz su­chen­des Kind berück­sich­tigt wer­den. Nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung ist hierfür er­for­der­lich, dass ein Aus­bil­dungs­platz fehlt und sich das Kind ernst­haft um einen sol­chen bemüht. Der Sohn hat sich vor­lie­gend zwar im Mo­nat März 2008, nicht aber zu einem früheren Zeit­punkt um einen Stu­di­en­platz be­wor­ben. Ebenso schei­det eine Berück­sich­ti­gung des Sohns in der Zeit von Au­gust 2007 bis De­zem­ber 2007 gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als ein Kind in ei­ner Überg­angs­zeit aus, da er die Überg­angs­zeit von vier Mo­na­ten zwi­schen Schul­ab­schluss und Be­ginn des ge­setz­li­chen Zi­vil­diens­tes über­schrit­ten hat.

Re­vi­sion der Fa­mi­li­en­kasse:
Das FG hat zu Recht für den Mo­nat März 2008 einen Kin­der­geld­an­spruch gem. § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG be­jaht. Sind die Vor­saus­set­zun­gen die­ses An­spruchs ge­ge­ben, wird der Tat­be­stand des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nicht da­durch aus­ge­schlos­sen, dass das Kind da­ne­ben den ge­setz­li­chen Zi­vil­dienst ab­leis­tet. Der BFH hat zu­letzt in sei­nen Ent­schei­dun­gen zur Berück­sich­ti­gung von Kin­dern während ei­ner Voll­zeit­er­werbstätig­keit aus­geführt, dass eine ty­pi­sche Un­ter­halts­si­tua­tion kein un­ge­schrie­be­nes Tat­be­stands­merk­mal der ein­zel­nen Berück­sich­ti­gungs­tat­bestände ist. We­der eine Voll­zeit­er­werbstätig­keit noch die Ab­leis­tung ei­nes ge­setz­li­chen Pflicht­diens­tes kann den Berück­sich­ti­gungs­tat­be­stand nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG aus­schließen.

Ab­wei­chen­des lässt sich ins­bes. we­der aus dem Um­stand, dass der Zi­vil­dienst nicht in den Ka­ta­log der Berück­sich­ti­gungs­tat­bestände (§ 32 Abs. 4 S. 1 EStG) auf­ge­nom­men wurde, noch aus der Vor­schrift des § 32 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG ab­lei­ten, nach der Kin­der, die den ge­setz­li­chen Grund­wehr­dienst oder den Zi­vil­dienst leis­ten, u.a. in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Be­rufs­aus­bil­dung) über die maßgeb­li­che Al­ters­grenze hin­aus für einen der Dauer die­ser Dienste ent­spre­chen­den Zeit­raum berück­sich­tigt wer­den (sog. Verlänge­rungs­tat­be­stand). Zwar be­ru­hen beide Re­ge­lun­gen auf der ty­pi­sie­ren­den An­nahme des Ge­setz­ge­bers, dass El­tern von Kin­dern, die den ge­setz­li­chen Grund­wehr­dienst oder den Zi­vil­dienst leis­ten, wirt­schaft­lich nicht be­las­tet sind und des­halb - man­gels ty­pi­scher Un­ter­halts­si­tua­tion - auch kei­nen An­spruch auf Kin­der­geld ha­ben.

Dar­aus kann aber nicht der Schluss ge­zo­gen wer­den, dass die Berück­sich­ti­gung ei­nes Kin­des für Zei­ten des Zi­vil­diens­tes auch dann aus­ge­schlos­sen ist, wenn es sich - ne­ben dem Zi­vil­dienst - ernst­haft um einen Aus­bil­dungs­platz bemüht. Kin­der, die den ge­setz­li­chen Zi­vil­dienst ab­leis­ten, können also nicht nur als Kin­der in Be­rufs­aus­bil­dung (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), son­dern auch als Aus­bil­dungs­platz su­chende Kin­der (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) berück­sich­tigt wer­den. Der Sohn der Kläge­rin hat sich vor­lie­gend im Mo­nat März 2008 um die Auf­nahme des Stu­di­ums im Ok­to­ber 2008 be­wor­ben. Da­nach war er für den Mo­nat März 2008 in­folge sei­ner Be­wer­bung gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berück­sich­ti­gen.

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