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Steuerberatung

Kein Kindergeldanspruch wegen Zweitausbildung durch zeitliche Zäsur

BFH 11.4.2018, III R 18/17

Setzt ein Kind nach Be­en­di­gung der Aus­bil­dung zur Steu­er­fach­an­ge­stell­ten seine Be­rufs­aus­bil­dung mit den wei­terführen­den Be­rufs­zie­len "Staat­lich geprüfter Be­triebs­wirt" und "Steu­er­fach­wirt" nicht zum nächstmögli­chen Zeit­punkt fort, han­delt es sich bei der nach­fol­gen­den Fach­schul­aus­bil­dung um eine Zweit­aus­bil­dung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG. In die­sem Fall schließt eine mehr als 20 Wo­chen­stun­den um­fas­sende Er­werbstätig­keit während der Zeit des War­tens auf den An­tritt der Fach­schul­aus­bil­dung und während de­ren Durchführung einen Kin­der­geld­an­spruch nach § 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG aus.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist der Va­ter ei­ner im Sep­tem­ber 1990 ge­bo­re­nen Toch­ter, für die er bis ein­schließlich Juni 2013 Kin­der­geld er­hielt. Die Toch­ter ab­sol­vierte nach ih­rem Ab­itur eine Aus­bil­dung zur Steu­er­fach­an­ge­stell­ten, die sie am 21.6.2013 ab­schloss. An­schließend nahm sie eine Voll­zeit­be­schäfti­gung in ih­rem Aus­bil­dungs­be­trieb auf. Am 19.9.2013 mel­dete sie sich bei ei­ner Fach­schule für Wirt­schaft der Fach­rich­tung Be­triebs­wirt­schaft (Schwer­punkt Steu­ern) in Teil­zeit­form an. Sie be­kam eine Zu­sage für das Schul­jahr 2014/2015. Zum 1.4.2014 wech­selte sie in eine an­dere Steu­er­be­ra­tungs­kanz­lei und ar­bei­tete dort zunächst mit ei­ner wöchent­li­chen Ar­beits­zeit von 40 Stun­den, die sie ab Sep­tem­ber 2014 auf 36 Stun­den re­du­zierte. Am 20.8.2014 nahm die Toch­ter ihre Aus­bil­dung an der Fach­schule für Wirt­schaft auf.

Der Aus­bil­dungs­gang zum an­ge­streb­ten Be­rufs­ziel "Steu­er­fach­wirt" stellt sich wie folgt dar: Nach einem drei­ein­halbjähri­gen Be­such der Fach­schule für Wirt­schaft - Rech­nungs­we­sen und Steu­ern kann der Ab­schluss "Staat­lich Geprüfter Be­triebs­wirt" er­wor­ben wer­den. Vor­aus­set­zung für die Teil­nahme an der Ab­schlussprüfung sind die Fach­ober­schul­reife, eine ab­ge­schlos­sene Be­rufs­aus­bil­dung in einem ein­schlägi­gen Aus­bil­dungs­be­ruf ein­schließlich des Be­rufs­schul­ab­schlus­ses und eine prak­ti­sche Be­rufstätig­keit im Aus­bil­dungs­be­ruf von min­des­tens einem Jahr. Die­ses be­rufs­prak­ti­sche Jahr kann während der Fach­schul­aus­bil­dung ab­ge­leis­tet wer­den. Nach Ab­schluss der Aus­bil­dung zum "Staat­lich Geprüften Be­triebs­wirt" ist die Teil­nahme an ex­ter­nen Kam­merprüfun­gen etwa zum Bi­lanz­buch­hal­ter oder zum Steu­er­fach­wirt möglich.

Nach § 9 der Prüfungs­ord­nung der Steu­er­be­ra­ter­kam­mer für die Durchführung von Fort­bil­dungsprüfun­gen zum Steu­er­fach­wirt kann zur Prüfung zu­ge­las­sen wer­den, wer mit Er­folg die Ab­schlussprüfung als "Steu­er­fach­an­ge­stell­ter" ab­ge­legt hat und eine haupt­be­ruf­li­che prak­ti­sche Tätig­keit auf dem Ge­biet des Steuer- und Rech­nungs­we­sens von min­des­tens drei Jah­ren bei einem Steu­er­be­ra­ter, Wirt­schaftsprüfer, ver­ei­dig­ten Buchprüfer, Rechts­an­walt, ei­ner Steu­er­be­ra­tungs­ge­sell­schaft, Wirt­schaftsprüfungs­ge­sell­schaft, Buchprüfungs­ge­sell­schaft oder Land­wirt­schaft­li­chen Buch­stelle nach­wei­sen kann. Die Fa­mi­li­en­kasse lehnte den An­trag des Klägers von April 2016, ihm ab Juli 2013 Kin­der­geld für die Toch­ter zu gewähren, ab. Die Toch­ter habe sich be­reits in ei­ner Zweit­aus­bil­dung be­fun­den und sei ei­ner schädli­chen Er­werbstätig­keit nach­ge­gan­gen sei.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass dem Kläger kein Kin­der­geld­an­spruch für den Zeit­raum Juli 2013 bis Sep­tem­ber 2015 zu­steht.

Nach Ab­schluss ei­ner erst­ma­li­gen Be­rufs­aus­bil­dung oder ei­nes Erst­stu­di­ums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 EStG nur berück­sich­tigt, wenn es kei­ner Er­werbstätig­keit nach­geht (§ 32 Abs. 4 S. 2 EStG). Eine Er­werbstätig­keit mit bis zu 20 Stun­den re­gelmäßiger wöchent­li­cher Ar­beits­zeit, ein Aus­bil­dungs­dienst­verhält­nis oder ein ge­ringfügi­ges Be­schäfti­gungs­verhält­nis sind un­schädlich (§ 32 Abs. 4 S. 3 EStG). Die im Zeit­raum Juli 2013 bis Sep­tem­ber 2015 ausgeübte Tätig­keit ist keine i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, da le­dig­lich eine Be­schäfti­gung ohne über­wie­gen­den Aus­bil­dungs­cha­rak­ter vor­lag. Eine Berück­sich­ti­gung we­gen ei­ner Überg­angs­zeit i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG kam für den Zeit­raum Juli 2013 bis Au­gust 2014 we­gen Über­schrei­ten der Höchst­dauer von vier Mo­na­ten nicht in Be­tracht. Für den Zeit­raum Juli 2013 bis Au­gust 2013 la­gen die Vor­aus­set­zun­gen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG eben­falls nicht vor, da für die­sen Zeit­raum keine Bemühun­gen der Toch­ter um einen Aus­bil­dungs­platz vor­la­gen.

Die im Streit­zeit­raum von Au­gust 2014 bis Sep­tem­ber 2015 durch­geführte Fach­schul­aus­bil­dung erfüllte da­ge­gen ohne wei­te­res die Vor­aus­set­zun­gen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Außer­dem erfüllte die Toch­ter mit der An­mel­dung im Sep­tem­ber 2013 bis Au­gust 2014 die Vor­aus­set­zun­gen des § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG. Gleich­wohl kam eine kin­der­geld­recht­li­che Berück­sich­ti­gung nicht in Be­tracht, da sie be­reits eine erst­ma­lige Be­rufs­aus­bil­dung ab­ge­schlos­sen hatte und während der Zeiträume, in de­nen sie auf den An­tritt der Aus­bil­dung bei der Fach­schule ge­war­tet und in de­nen sie die Aus­bil­dung an der Fach­schule durch­geführt hat, ei­ner schädli­chen Er­werbstätig­keit i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG nach­ge­gan­gen war.

Die Aus­bil­dung zur Steu­er­fach­an­ge­stell­ten stellte hier be­reits eine ab­ge­schlos­sene erst­ma­lige Aus­bil­dung i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG dar. Die Toch­ter hatte we­der im An­schluss an die Be­en­di­gung der Aus­bil­dung zur Steu­er­fach­an­ge­stell­ten mit der Aus­bil­dung an der Fach­schule für Wirt­schaft be­gon­nen noch hatte sie sich für eine be­reits im Jahr 2013 be­gin­nende Aus­bil­dung be­wor­ben. Schul­or­ga­ni­sa­to­ri­sche oder an­dere ob­jek­tive Gründe, die ei­ner Auf­nahme der Aus­bil­dung im Au­gust 2013 statt erst im Au­gust 2014 ent­ge­gen­ge­stan­den hätten, la­gen eben­falls nicht vor.

Viel­mehr hatte die Toch­ter ih­ren ers­ten (ob­jek­tiv) be­rufs­qua­li­fi­zie­ren­den Ab­schluss ge­nutzt, um mit die­sem im Rah­men ei­ner re­gulären Er­werbstätig­keit ohne Aus­bil­dungs­cha­rak­ter Einkünfte zu er­zie­len. Diese Er­werbstätig­keit er­folgte auch nicht nur in einem Überbrückungs­zeit­raum zwi­schen dem Ende der Steu­er­fach­an­ge­stell­ten­aus­bil­dung und dem nächstmögli­chen Be­ginn der Fach­schul­aus­bil­dung und bil­dete so­mit eine zeit­li­che Zäsur zwi­schen zwei hier­durch ver­selbständig­ten Aus­bil­dun­gen. Die von der Toch­ter ausgeübte Er­werbstätig­keit war auch an­spruchs­schädlich. Die in § 32 Abs. 4 S. 3 EStG vor­ge­se­hene 20-Stun­den-Grenze wurde über­schrit­ten, da die wöchent­li­che Ar­beits­zeit der Toch­ter zunächst 40 und ab Sep­tem­ber 2014 36 Stun­den be­trug. Man­gels fest­ge­stell­ter Aus­bil­dungs­in­halte lag auch kein Aus­bil­dungs­dienst­verhält­nis vor. Ebenso fehlte es an den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes ge­ringfügi­gen Be­schäfti­gungs­verhält­nis­ses i.S.d. §§ 8 und 8a SGB IV.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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