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BFH: Fahrtkosten im Rahmen einer vollzeitigen Bildungsmaßnahme und eines Vollzeitstudiums sind in tatsächlicher Höhe abzugsfähig

Urteile des BFH vom 9.2.2012 - VI R 42/11, VI R 44/10

Der BFH hat mit zwei Ur­tei­len - un­ter Ände­rung sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung - ent­schie­den, dass Fahr­ten zwi­schen der Woh­nung und ei­ner voll­zei­tig be­such­ten Bil­dungs­ein­rich­tung in vol­ler Höhe (wie Dienst­rei­sen) und nicht nur be­schränkt in Höhe der Ent­fer­nungs­pau­schale als Wer­bungs­kos­ten ab­ge­zo­gen wer­den können. Auch wenn die be­ruf­li­che Aus- oder Fort­bil­dung die volle Ar­beits­zeit des Steu­er­pflich­ti­gen in An­spruch nimmt und sich über einen länge­ren Zeit­raum er­streckt, ist eine Bil­dungsmaßnahme re­gelmäßig vorüber­ge­hend und nicht auf Dauer an­ge­legt.

Der Sach­ver­halt:

+++ VI R 42/11 +++
Im die­sem Fall war zwi­schen dem Kläger, einem Zeit­sol­da­ten, und dem Fi­nanz­amt strei­tig, ob die Rei­se­kos­ten, die ihm im Streit­jahr 2009 we­gen ei­ner Be­rufsförde­rungsmaßnahme ent­stan­den wa­ren, als Wer­bungs­kos­ten zu berück­sich­ti­gen sind. Statt der vom Kläger gel­tend ge­mach­ten Fahrt­kos­ten i.H.v. 6.452 € für ins­ge­samt 153 Tage berück­sich­tigte das Fi­nanz­amt im Ein­kom­men­steu­er­be­scheid un­ter An­satz der Ent­fer­nungs­pau­schale gem. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG nur 3.226 €. Die Steu­er­behörde war der An­sicht, dass es sich bei der Teil­nahme an der Fort­bil­dungsmaßnahme nicht um eine vorüber­ge­hende Auswärtstätig­keit ge­han­delt habe, weil der Kläger we­gen der Be­en­di­gung sei­ner Dienst­zeit nicht mehr an sei­nen früheren Ar­beits­platz zurück­ge­kehrt sei. Da­mit sei die Schule zu sei­ner re­gelmäßigen Ar­beitsstätte ge­wor­den.

+++ VI R 44/10 +++
In die­sem Fall war zwi­schen der Kläge­rin und dem Fi­nanz­amt strei­tig, ob die Fahrt­kos­ten zur Hoch­schule mit der Pend­ler­pau­schale oder nach Dienst­rei­se­grundsätzen als vorab ent­stan­dene Wer­bungs­kos­ten zu berück­sich­ti­gen sind. Die Kläge­rin hatte im Streit­jahr 2006 keine Einkünfte. Nach­dem sie An­fang 2005 ar­beits­los ge­wor­den war, be­gann sie im April 2005 ein Zweit­stu­dium. Im Rah­men ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung machte die Kläge­rin u.a. Fahrt­kos­ten i.H.v. 3.915 € für ins­ge­samt 145 Fahr­ten zur Hoch­schule als vorab ent­stan­dene Wer­bungs­kos­ten gel­tend. Auch hier berück­sich­tigte das Fi­nanz­amt die Kos­ten le­dig­lich im Rah­men der Ent­fer­nungs­pau­schale i.H.v. 1.957 €.

In bei­den Fällen wie­sen die FG die Kla­gen ganz bzw. wei­test­ge­hend ab. Auf die Re­vi­sio­nen der Kläger hob der BFH die Ur­teile auf und gab den Kla­gen un­ter Ände­rung sei­ner bis­he­ri­gen Recht­spre­chung ganz bzw. teil­weise statt.

Die Gründe:
Die Fahrt­kos­ten wa­ren in bei­den Fällen in tatsäch­li­cher Höhe (wie Dienst­rei­sen) und nicht le­dig­lich im Rah­men der Ent­fer­nungs­pau­schale als Wer­bungs­kos­ten an­zu­set­zen.

Nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG sind Auf­wen­dun­gen für die Wege zwi­schen Woh­nung und re­gelmäßiger Ar­beitsstätte nur be­schränkt, nämlich i.H.d. Ent­fer­nungs­pau­schale von der­zeit 0,30 € je Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter als Wer­bungs­kos­ten ab­zieh­bar. Als re­gelmäßige Ar­beitsstätte hat der BFH bis­lang auch Bil­dungs­ein­rich­tun­gen (z.B. Uni­ver­sitäten) an­ge­se­hen, wenn diese über einen länge­ren Zeit­raum zum Zwecke ei­nes Voll­zeit­un­ter­richts auf­ge­sucht wer­den. Fahrt­kos­ten im Rah­men ei­ner Aus­bil­dung wa­ren des­halb nicht in tatsäch­li­cher Höhe, son­dern der Höhe nach nur be­schränkt ab­zugsfähig.

Hieran hält der BFH nicht länger fest. Auch wenn die be­ruf­li­che Aus- oder Fort­bil­dung die volle Ar­beits­zeit des Steu­er­pflich­ti­gen in An­spruch nimmt und sich über einen länge­ren Zeit­raum er­streckt, ist eine Bil­dungsmaßnahme re­gelmäßig vorüber­ge­hend und nicht auf Dauer an­ge­legt. Wie bei ei­ner Auswärtstätig­keit hat in einem sol­chen Fall der Steu­er­pflich­tige ty­pi­scher­weise nicht die Möglich­kei­ten, seine We­ge­kos­ten ge­ring zu hal­ten. Da­mit ist eine Aus­nahme von dem sonst gel­ten­den Grund­satz der un­be­schränk­ten Ab­zugsfähig­keit von Wer­bungs­kos­ten in den Fällen der voll­zei­ti­gen Aus- und Fort­bil­dung nicht ge­recht­fer­tigt.

Im Übri­gen kommt eine re­gelmäßige Ar­beitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG nur im Rah­men be­zahl­ter Ar­beit in Be­tracht. Nach neu­erer BFH-Recht­spre­chung ist un­ter re­gelmäßiger Ar­beitsstätte nur eine orts­feste dau­er­hafte be­trieb­li­che Ein­rich­tung des Ar­beit­ge­bers zu ver­ste­hen, der der Ar­beit­neh­mer zu­ge­ord­net ist und die er nicht nur ge­le­gent­lich, son­dern mit ei­ner ge­wis­sen Nach­hal­tig­keit, d.h. fort­dau­ernd und im­mer wie­der auf­sucht; dies ist re­gelmäßig der Be­trieb des Ar­beit­ge­bers oder ein Zweig­be­trieb. "Re­gelmäßige Ar­beitsstätte" ist da­mit ty­pi­scher­weise der Tätig­keits­mit­tel­punkt ei­nes Ar­beit­neh­mers, der in einem Ar­beits­verhält­nis steht; die Be­schränkung des ob­jek­ti­ven Net­to­prin­zips durch § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG ist auch nur in­so­weit ge­recht­fer­tigt.

Auf­wen­dun­gen für Dienst­rei­sen können al­ler­dings (auch bei In­an­spruch­nahme der Ki­lo­me­ter­pau­schale) steu­er­lich nur berück­sich­tigt wer­den, wenn der Steu­er­pflich­tige Fahrt­auf­wand tatsäch­lich ge­tra­gen hat. Bei An­wen­dung der Ent­fer­nungs­pau­schale kommt es dar­auf nicht an.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text von Az.: VI R 42/11 zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
  • Um di­rekt zum Voll­text von Az.: VI R 44/10 zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
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