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Auslandsengagements

Auslandstätigkeitserlass: Freistellung von Arbeitslohn

FG Köln v. 19.6.2020 - 15 K 609/18

Der Se­nat sieht sich daran ge­hin­dert, die Fi­nanz­ver­wal­tung zu ei­ner ab­wei­chen­den Aus­le­gung und Hand­ha­bung des ei­ge­nen Ver­wal­tungs­er­las­ses zu ver­pflich­ten. Diese Zurück­hal­tung folgt be­reits aus § 102 FGO bei der Überprüfung von Er­mes­sens­ent­schei­dun­gen. Eine ex­ten­sive Aus­le­gung be­geg­net auch Be­den­ken nach dem aus dem Rechts­staats­prin­zip her­ge­lei­te­ten, in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ver­an­ker­ten Ge­wal­ten­tei­lungs­prin­zips.

Der Sach­ver­halt:
Kläger war im Streit­jahr 2015 bei der "E1 GmbH", ei­ner Ge­sell­schaft der E, als Be­ra­ter nicht­selbständig tätig. Im Rah­men des Be­schäfti­gungs­verhält­nis­ses schloss er mit sei­nem Ar­beit­ge­ber einen in der Ein­kom­men­steu­er­akte be­find­li­chen "Aus­lands­de­le­ga­ti­ons­ver­trag un­ter Pro­jekt­kon­di­tio­nen" als Zu­satz­ver­ein­ba­rung zum be­ste­hen­den Ar­beits­ver­trag. Die­ser sah eine Aus­landstätig­keit von März bis Ende No­vem­ber 2015 als "Se­nior PM" vor.

Im Rah­men des Lohn­steu­er­ab­zugs­ver­fah­rens er­folgte ar­beit­ge­ber­sei­tig keine Frei­stel­lung vom Steu­er­ab­zug auf Grund­lage von § 34c Abs. 5 EStG und dem BMF-Schrei­ben vom 31.10.1983 (BStBl I 1983, 470 - "Aus­landstätig­keits­er­lass"; zu­letzt geändert durch BMF-Schrei­ben vom 14.3.2017, BStBl I 2017, 473). In sei­ner Ein­kom­men­steu­er­erklärung erklärte der Kläger einen re­gulär zu ver­steu­ern­den Brut­to­ar­beits­lohn mit 59.457 € und einen aus sei­ner Sicht "nach Aus­landstätig­keits­er­lass steu­er­freien Ar­beits­lohn" von 98.575 €.

Die An­zahl der Ka­len­der­tage im ausländi­schen Staat wurde mit 240 an­ge­ge­ben. Un­ter­bre­chun­gen der Tätig­keit er­folg­ten laut Steu­er­erklärung vom 15.5. bis zum 23.5.2015 zwecks Er­neue­rung des Vi­sums und vom 9.10. bis zum 14.10.2015 zwecks ei­ner in Deutsch­land ab­ge­hal­te­nen Pro­jekt­be­spre­chung. Der Ar­beits­lohn be­trug ins­ge­samt im Ka­len­der­jahr 158.032 €.

Das Fi­nanz­amt er­ließ den Ein­kom­men­steu­er­be­scheid 2015 mit ei­ner fest­ge­setz­ten Ein­kom­men­steuer von 50.735 €, in dem es den vollständi­gen Ar­beits­lohn von 158.032 € ohne An­wen­dung ei­ner Steu­er­be­frei­ung nach dem Aus­landstätig­keits­er­lass oder sons­ti­gen Steu­er­be­frei­ung der Be­steue­rung un­ter­warf. Das FG hat die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab­ge­wie­sen. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Ab­leh­nung ei­ner Steu­er­frei­stel­lung ist rechtmäßig. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers ist eine Steu­er­be­frei­ung der Einkünfte (wo­durch die Einkünfte - vor­be­halt­lich der Pro­gres­si­ons­wir­kung - we­der in Deutsch­land, noch im Aus­land ei­ner Er­trags­be­steue­rung un­ter­lie­gen würden) nicht nach§ 34c Abs. 5 EStG i.V.m. dem BMF-Schrei­ben vom 31.10.1983 ge­bo­ten.

Nach § 34c Abs. 5 EStG können die obers­ten Fi­nanz­behörden der Länder oder die von ih­nen be­auf­trag­ten Fi­nanz­behörden u.a. mit Zu­stim­mung des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Fi­nan­zen die auf ausländi­sche Einkünfte ent­fal­lende deut­sche Ein­kom­men­steuer ganz oder zum Teil er­las­sen oder in einem Pausch­be­trag fest­set­zen, wenn es aus volks­wirt­schaft­li­chen Gründen zweckmäßig ist. Die Re­ge­lung des § 34c Abs. 5 EStG ist ein Auf­fang­tat­be­stand für Fälle, in de­nen Dop­pel­be­steue­rungs­ab­kom­men und die An­wen­dung der § 34c Abs. 1 bis 3 EStG nicht zu außen­wirt­schaft­lich erwünsch­ten Er­geb­nis­sen führen oder eine Steu­er­an­rech­nung be­son­ders schwie­rig ist (vgl. Kuhn in Herr­mann/Heuer/Rau­pach, EStG/KStG, 298. Lfg. 6/2020, § 34c EStG Rn. 171 m.w.N.).

Der Aus­landstätig­keits­er­lass (als Nach­fol­ger des "Mon­ta­ge­er­las­ses") stellt da­bei eine er­mes­sens­lei­tende Ver­wal­tungs­vor­schrift für be­son­dere Bil­lig­keitsmaßnah­men dar. Ist zwei­fel­haft, ob die Tat­be­stands­vor­aus­set­zun­gen erfüllt sind, ob­liegt die Ent­schei­dung über die An­wend­bar­keit der Behörde; die­ser steht es frei, im Zwei­fels­fall von der An­wen­dung Ab­stand zu neh­men. Diese Ent­schei­dung ist durch die Ge­richte nach § 102 FGO nur ein­ge­schränkt überprüfbar, auch wenn sie nicht die Er­mes­sens­ausübung be­trifft. Die Ge­richte können die Behörden nicht zwin­gen, Ver­wal­tungs­an­wei­sun­gen an­zu­wen­den, wenn der ver­wirk­lichte Sach­ver­halt nicht von der An­wei­sung ge­deckt ist.

Nach die­sen Maßstäben, die der Se­nat für zu­tref­fend hält und de­nen er folgt, ist we­der ein im Rah­men ei­ner "Er­mes­sens­re­duk­tion auf Null" ge­bo­tene Frei­stel­lung, noch eine er­mes­sens­feh­ler­hafte An­wen­dung des Aus­landstätig­keits­er­las­ses fest­stell­bar. Der Se­nat sieht sich daran ge­hin­dert, die Fi­nanz­ver­wal­tung zu ei­ner ab­wei­chen­den Aus­le­gung und Hand­ha­bung des ei­ge­nen Ver­wal­tungs­er­las­ses zu ver­pflich­ten. Diese Zurück­hal­tung folgt be­reits aus § 102 FGO bei der Überprüfung von Er­mes­sens­ent­schei­dun­gen. Eine ex­ten­sive Aus­le­gung be­geg­net auch Be­den­ken nach dem aus dem Rechts­staats­prin­zip her­ge­lei­te­ten, in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG ver­an­ker­ten Ge­wal­ten­tei­lungs­prin­zips. Zu­dem spre­chen wei­tere ver­fas­sungs­recht­li­che und sys­te­ma­ti­sche Gründe ge­gen eine ex­ten­sive Aus­le­gung.

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