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Rechtsberatung

Ärger über "Ein-Sterne-Bewertung" bei "Google Maps"

OLG Nürnberg v. 17.7.2019 - 3 W 1470/19

Eine "Ein-Sterne-Be­wer­tung" ohne aus­sa­gekräfti­gen Be­gleit­text bei "Google Maps" enthält die im­pli­zite Tat­sa­chen­be­haup­tung, dass der Be­wer­ter mit dem Leis­tungs­an­ge­bot des Be­wer­te­ten in Kon­takt ge­kom­men ist und die­ses als un­zu­rei­chend emp­fun­den hat. Das Aus­kunfts­recht über Be­stands­da­ten nach § 14 Abs. 3 bis 5 TMG setzt u.a. vor­aus, dass die Aus­kunft zur Durch­set­zung zi­vil­recht­li­cher An­sprüche we­gen der Ver­let­zung ab­so­lut ge­schütz­ter Rechte er­for­der­lich ist und es sich um eine schwer­wie­gende Ver­let­zung, die auf straf­ba­ren In­hal­ten i.S.v. § 1 Abs. 3 NetzDG be­ruht, han­delt.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­ler be­trei­ben eine Zahn­arzt­pra­xis in Nürn­berg. Die An­trags­geg­ne­rin be­treibt im In­ter­net den Land­kar­ten- und Na­vi­ga­ti­ons­dienst "Google Maps". Dort bie­tet sie auch die Möglich­keit, dass re­gis­trierte Nut­zer Be­wer­tun­gen zu Un­ter­neh­men ab­ge­ben können.

Bis etwa zum 23.3.2019 war bei "Google Maps" die Be­ur­tei­lung ei­nes Nut­zers ab­ruf­bar, der die Zahn­arzt­pra­xis der An­trag­stel­ler le­dig­lich mit einem von fünf mögli­chen Ster­nen und den Worten "Oje. Naja." Be­wer­tet hatte. Einen Kon­kur­ren­ten der An­trag­stel­ler hatte die­ser deut­lich po­si­ti­ver be­wer­tet und be­haup­tet, dass die­ser Zahn­arzt seit über 25 Jah­ren sein Zahn­arzt des Ver­trau­ens sei. Kurz dar­auf war das Pro­fil des Nut­zers nicht mehr auf­ruf­bar. Mitt­ler­weile ist bei "Google Maps" ein wei­te­res Pro­fil mit einem an­de­ren Nut­zer­na­men, aber ei­ner wort­glei­chen Be­wer­tung pu­bli­ziert.

Die An­trag­stel­ler for­der­ten die An­trags­geg­ne­rin zur Löschung der Be­wer­tung und Aus­kunfts­er­tei­lung über alle bei ihr in­ner­halb des Diens­tes "Google Maps" vor­han­de­nen Be­stands­da­ten der bei­den Nut­zer auf. Das LG hat den An­trag auf Er­lass ei­ner An­ord­nung nach § 14 Abs. 4 TMG zurück­ge­wie­sen. Auch die hier­ge­gen ge­rich­tete so­for­tige Be­schwerde vor dem OLG blieb er­folg­los.

Die Gründe:
Es fehlte be­reits an der hin­rei­chen­den Dar­le­gung der Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Un­ter­las­sungs­an­spruchs we­gen der Ver­let­zung des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts der An­trag­stel­ler gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ana­log i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG ge­genüber den Nut­zern.

Die be­an­stan­de­ten Be­wer­tun­gen grei­fen nur in­so­weit in den Schutz­be­reich des all­ge­mei­nen Persönlich­keits­rechts der An­trag­stel­ler ein, als sich Ne­ga­tiv­be­wer­tun­gen un­mit­tel­bar auf die Zahn­arzt­pra­xis der An­trag­stel­ler be­zie­hen. Da­ge­gen un­ter­fal­len die Po­si­tiv­be­wer­tun­gen ei­nes Kon­kur­ren­ten der An­trag­stel­ler nicht dem Schutz­be­reich des Persönlich­keits­rechts der An­trag­stel­ler. Die An­trag­stel­ler ha­ben aber - so­weit ein Ein­griff in das all­ge­meine Persönlich­keits­recht ge­ge­ben ist - nicht hin­rei­chend dar­ge­tan und un­ter Be­weis ge­stellt, dass die­ser Ein­griff rechts­wid­rig war.

We­gen der Ei­gen­art des Persönlich­keits­rechts als Rah­men­recht liegt seine Reich­weite nicht ab­so­lut fest, son­dern muss erst durch eine Abwägung der wi­der­strei­ten­den grund­recht­lich ge­schütz­ten Be­lange be­stimmt wer­den, bei der die be­son­de­ren Umstände des Ein­zel­falls so­wie die be­trof­fe­nen Grund­rechte und Gewähr­leis­tun­gen der Eu­ropäischen Men­schen­rechts­kon­ven­tion (EMRK) in­ter­pre­ta­ti­ons­lei­tend zu berück­sich­ti­gen sind. Der Ein­griff in das Persönlich­keits­recht ist dem­nach nur dann rechts­wid­rig, wenn das Schutz­in­ter­esse des Be­trof­fe­nen die schutzwürdi­gen Be­lange der an­de­ren Seite über­wiegt. Da­bei sind das durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (auch i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG) und Art. 8 Abs. 1 EMRK gewähr­leis­tete In­ter­esse der be­wer­te­ten Par­tei am Schutz ih­rer so­zia­len An­er­ken­nung und ih­rer (Be­rufs) Ehre mit der in Art. 5 Abs. 1 GG und Art. 10 EMRK ver­an­ker­ten Mei­nungsäußerungs­frei­heit des Be­wer­ten­den ab­zuwägen.

Trifft die Be­haup­tung der be­wer­te­ten Par­tei, der an­ge­grif­fe­nen Be­wer­tung liege kein Be­hand­lungs­kon­takt zu Grunde, zu, er­gibt diese Abwägung, dass de­ren ge­schützte In­ter­es­sen die­je­ni­gen des Be­wer­ten­den über­wie­gen. Ist da­ge­gen der tatsäch­li­che Be­stand­teil der Äußerung, auf dem die Wer­tung auf­baut, un­wahr, weil der be­haup­tete Be­hand­lungs­kon­takt nicht be­stand, ist ein be­rech­tig­tes In­ter­esse des Be­wer­ten­den, eine tatsäch­lich nicht statt­ge­fun­dene Be­hand­lung zu be­wer­ten, nicht er­sicht­lich.

Im vor­lie­gen­den Fall war die an­ge­grif­fene Be­wer­tung letzt­lich als Mei­nungsäußerung zu qua­li­fi­zie­ren. Denn die no­tenmäßige Be­wer­tung mit einem Stern ist von Ele­men­ten der Stel­lung­nahme, des Dafürhal­tens und Mei­nens geprägt. Glei­ches galt hier für die Äußerung "Oje. Naja", weil sie durch die sub­jek­tive Be­zie­hung des sich Äußern­den zum In­halt sei­ner Aus­sage geprägt und nicht ei­ner Überprüfung auf ihre Rich­tig­keit mit den Mit­teln des Be­wei­ses zugäng­lich ist. Eine sol­che Mei­nungsäußerung ist - man­gels Schmähcha­rak­ter - grundsätz­lich zulässig. Auch wird die Be­wer­tung nicht da­durch un­zulässig, weil die Be­wer­tung keine Begründung für die geäußerte Mei­nung enthält.

Darüber hin­aus la­gen hier die Vor­aus­set­zun­gen für die da­ten­schutz­recht­li­che Er­laub­nis für die Aus­kunfts­er­tei­lung auch des­halb nicht vor, weil die streit­ge­genständ­li­chen Be­wer­tun­gen keine rechts­wid­ri­gen In­halte be­tref­fen, die von § 1 Abs. 3 NetzDG er­fasst wer­den. Der Diens­te­an­bie­ter darf gem. § 14 Abs. 3 TMG nämlich Aus­kunft nur dann er­tei­len, wenn dies zur Durch­set­zung zi­vil­recht­li­cher An­sprüche we­gen der Ver­let­zung ab­so­lut ge­schütz­ter Rechte auf­grund rechts­wid­ri­ger In­halte, die von § 1 Abs. 3 NetzDG er­fasst wer­den, er­for­der­lich ist. Die Aus­kunfts­er­tei­lung setzt so­mit eine schwer­wie­gende Ver­let­zung von ab­so­lut ge­schütz­ten Rech­ten vor­aus, die auf straf­ba­ren In­hal­ten i.S.v. § 1 Abs. 3 NetzDG be­ruht, was hier nicht ge­ge­ben war.

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