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Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter Dienstleistungen

BGH v. 6.6.2019 - I ZR 216/17

Die Auf­for­de­rung zur Be­zah­lung nicht be­stell­ter Dienst­leis­tun­gen ist als ir­reführende ge­schäft­li­che Hand­lung i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG an­zu­se­hen, wenn der an­ge­spro­chene Ver­brau­cher der Auf­for­de­rung die Be­haup­tung ent­nimmt, er habe die Dienst­leis­tung be­stellt. Ei­ner Un­lau­ter­keit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG steht nicht ent­ge­gen, dass der Un­ter­neh­mer bei der Zah­lungs­auf­for­de­rung in der ihm nicht vor­werf­ba­ren irrtümli­chen An­nahme ei­ner tatsäch­lich vor­lie­gen­den Be­stel­lung ge­han­delt hat. Die Auf­for­de­rung zur Be­zah­lung nicht be­stell­ter, aber er­brach­ter Dienst­leis­tun­gen fällt auch dann un­ter Nr. 29 des An­hangs zu § 3 Abs. 3 UWG, wenn der Un­ter­neh­mer irrtümlich von ei­ner Be­stel­lung aus­geht und der Irr­tum seine Ur­sa­che nicht im Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Un­ter­neh­mers hat.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gende Ver­brau­cher­zen­trale Ba­den-Würt­tem­berg e.V. ist ein in die Liste der qua­li­fi­zier­ten Ein­rich­tun­gen nach § 4 UKlaG ein­ge­tra­ge­ner Ver­brau­cher­schutz­ver­band. Die Be­klagte, die E-Mail-Dienste be­treibt, for­derte einen Ver­brau­cher mit Mahn­schrei­ben im März 2016 un­ter An­gabe ei­ner Ver­trags- und Rech­nungs­num­mer zur Zah­lung ei­nes Be­trags von rd. 18 € zzgl. Mahn­gebühren von 7,50 € auf. Es folg­ten wei­tere Zah­lungs­auf­for­de­run­gen durch einen von der Be­klag­ten be­auf­trag­ten In­kas­so­dienst­leis­ter im April und Mai so­wie durch einen Rechts­an­walt eben­falls im Mai 2016. Auf Nach­frage der Kläge­rin, an die sich der Ver­brau­cher ge­wandt hatte, teilte der Kun­den­ser­vice der Be­klag­ten mit, dass mit den persönli­chen Da­ten des Ver­brau­chers im No­vem­ber 2015 ein kos­ten­pflich­ti­ger "Pro­Mail"-Ver­trag ab­ge­schlos­sen wor­den sei. Auf­grund der Schil­de­run­gen des Ver­brau­chers und ei­ge­ner Prüfun­gen gehe man von einem sog. "Iden­titätsdieb­stahl" aus und habe die of­fe­nen For­de­run­gen des­halb stor­niert so­wie das In­kas­sover­fah­ren ein­ge­stellt. Eine sol­che An­mel­dung durch Dritte lasse sich auch durch Si­cher­heits­vor­keh­run­gen nicht aus­schließen.

Die Kläge­rin macht gel­tend, we­der habe der Ver­brau­cher bei der Be­klag­ten ein E-Mail-Konto be­stellt noch liege ein Fall des von der Be­klag­ten be­haup­te­ten "Iden­titätsdieb­stahls" vor, also der un­be­fug­ten Be­stel­lung der Dienst­leis­tung durch einen un­be­kann­ten Drit­ten un­ter Ver­wen­dung der persönli­chen Da­ten des Ver­brau­chers. Die Be­klagte habe viel­mehr Zah­lungs­auf­for­de­run­gen an den Ver­brau­cher über­sandt, ob­wohl die die­sen zu­grun­de­lie­gende Leis­tung nicht be­auf­tragt wor­den sei. Die Kläge­rin be­an­tragte, es der Be­klag­ten zu un­ter­sa­gen, an Ver­brau­cher Zah­lungs­auf­for­de­run­gen zu ver­sen­den, mit de­nen die Pflicht des Ver­brau­chers zur Zah­lung ei­ner Vergütung als Ge­gen­leis­tung für eine Dienst­leis­tung im Zu­sam­men­hang mit dem Be­trieb ei­nes kos­ten­pflich­ti­gen E-Mail-Kon­tos be­haup­tet wird, ob­wohl der Ver­brau­cher die Be­klagte mit der Dienst­leis­tung nicht be­auf­tragt hat.

LG und OLG ga­ben der Klage statt. Die Re­vi­sion der Be­klag­ten hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der Kläge­rin steht der gel­tend ge­machte Un­ter­las­sungs­an­spruch aus § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 UWG i.V.m. § 8 Abs. 1, 2 und 3 Nr. 3 UWG zu.

Das OLG hat un­ter­stellt, dass im Streit­fall ein sog. "Iden­titätsdieb­stahl" vor­liegt und die Be­klagte bei den be­an­stan­de­ten Zah­lungs­auf­for­de­run­gen von ei­ner tatsäch­li­chen Be­stel­lung des Ver­brau­chers aus­ge­gan­gen ist. Es ist da­von aus­ge­gan­gen, dass die­ser Um­stand der An­nahme ei­ner un­lau­te­ren ge­schäft­li­chen Hand­lung i.S.v. § 5 Abs. 1 UWG nicht ent­ge­gen­steht. Diese Be­ur­tei­lung hält der recht­li­chen Überprüfung stand.

Im Streit­fall zwingt auch der Ge­sichts­punkt der Ver­mei­dung von Wer­tungs­wi­der­sprüchen zwi­schen dem Ir­reführungs­tat­be­stand nach § 5 Abs. 1 UWG und den be­son­de­ren Un­lau­ter­keit­stat­beständen des An­hangs zu § 3 Abs. 3 UWG nicht zu ei­ner ab­wei­chen­den Be­ur­tei­lung. Die Re­vi­sion macht in­so­weit gel­tend, nach der Recht­spre­chung des BGH sei auf der Grund­lage der An­nahme des OLG, nach der im Streit­fall ein sog. "Iden­titätsdieb­stahl" vor­liege und die Be­klagte bei den be­an­stan­de­ten Zah­lungs­auf­for­de­run­gen von ei­ner tatsäch­li­chen Be­stel­lung des Ver­brau­chers aus­ge­gan­gen sei, der hier ein­schlägige Tat­be­stand des An­hangs Nr. 29 zu § 3 Abs. 3 UWG nicht erfüllt. Um Wer­tungs­wi­der­sprüche zu ver­mei­den, könne für den Ir­reführungs­tat­be­stand nichts an­de­res gel­ten. Dem kann nicht zu­ge­stimmt wer­den.

Ob nach die­sen Grundsätzen auch ein Wer­tungs­wi­der­spruch zwi­schen dem Tat­be­stand des Nr. 29 des An­hangs zu § 3 Abs. 3 UWG und dem Ir­reführungs­tat­be­stand nach § 5 Abs. 1 UWG zu ver­mei­den ist, kann da­hin­ste­hen, weil das im Streit­fall in Rede ste­hende Ver­hal­ten auch nach Nr. 29 des An­hangs zu § 3 Abs. 3 UWG un­lau­ter ist. Für die An­nahme ei­ner un­zulässi­gen ge­schäft­li­chen Hand­lung gem. Nr. 29 des An­hangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist es viel­mehr un­er­heb­lich, ob der Un­ter­neh­mer irrtümlich von ei­ner Be­stel­lung des Ver­brau­chers aus­geht.

Die Auf­for­de­rung zur Be­zah­lung nicht be­stell­ter Dienst­leis­tun­gen ist als ir­reführende ge­schäft­li­che Hand­lung i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 1 UWG an­zu­se­hen, wenn der an­ge­spro­chene Ver­brau­cher der Auf­for­de­rung die Be­haup­tung ent­nimmt, er habe die Dienst­leis­tung be­stellt. Ei­ner Un­lau­ter­keit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG steht eben nicht ent­ge­gen, dass der Un­ter­neh­mer bei der Zah­lungs­auf­for­de­rung in der ihm nicht vor­werf­ba­ren irrtümli­chen An­nahme ei­ner tatsäch­lich vor­lie­gen­den Be­stel­lung ge­han­delt hat. Die Auf­for­de­rung zur Be­zah­lung nicht be­stell­ter, aber er­brach­ter Dienst­leis­tun­gen fällt auch dann un­ter Nr. 29 des An­hangs zu § 3 Abs. 3 UWG, wenn der Un­ter­neh­mer irrtümlich von ei­ner Be­stel­lung aus­geht und der Irr­tum seine Ur­sa­che nicht im Ver­ant­wor­tungs­be­reich des Un­ter­neh­mers hat.

Link­hin­weis:

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