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Steuerberatung

Art. 17 Abs. 2 DBA-Österreich: Besteuerung von Gesamtproduktionen

BFH 25.4.2018, I R 59/15

Die Vergütung, die eine Pro­duk­ti­ons­ge­sell­schaft für die Or­ga­ni­sa­tion ei­ner künst­le­ri­schen Dar­bie­tung als Ge­samt­ar­ran­ge­ment erhält, un­terfällt nicht not­wen­dig in ih­rer Ge­samt­heit dem Art. 17 Abs. 2 DBA- Öster­reich 2000, son­dern ist ggf. auf­zu­tei­len in Vergütungs­be­stand­teile, die eine persönlich ausgeübte Künst­lertätig­keit i.S.d. Art. 17 Abs. 1 S. 1 DBA- Öster­reich 2000 ent­gel­ten und in sol­che Vergütungs­be­stand­teile, die an­de­ren Ab­kom­mens­ar­ti­keln zu­zu­ord­nen sind (sog. seg­men­tie­rende Be­trach­tungs­weise).

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin ist eine GmbH mit Sitz und Ge­schäfts­lei­tung in Öster­reich. Ihr Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand be­stand u.a. in der Ver­an­stal­tung von Kon­zer­ten und Thea­ter­aben­den so­wie der Pro­duk­tion und Or­ga­ni­sa­tion von Tour­neen und Gast­spie­len je­der Art. In den Jah­ren 2006 und 2007 or­ga­ni­sierte sie in Deutsch­land Thea­ter- und Opern­aufführun­gen un­ter Ein­satz von Künst­lern und er­hielt dafür Vergütun­gen von den inländi­schen Ver­an­stal­tern. In die­ser Zeit verfügte sie in Deutsch­land über keine Be­triebsstätte.

Mit am 27.9. so­wie am 2. und 23.10.2006 beim BZSt ein­ge­gan­ge­nen Schrei­ben be­an­tragte die Kläge­rin für Vergütun­gen, die ihr im Zu­sam­men­hang mit ins­ge­samt 71 tour­neemäßigen Gast­spie­len ver­schie­de­ner Künst­ler­grup­pen in der Zeit vom 24.9.2006 bis zum 29.10.2007 in ver­schie­de­nen Auf­tritt­sor­ten in Deutsch­land zu­ge­flos­sen wa­ren bzw. noch zu­fließen würden, die Frei­stel­lung vom Steu­er­ab­zug nach § 50d Abs. 2 S. 1 EStG i.V.m. Art. 17 Abs. DBA Öster­reich. Ins­ge­samt 16 die­ser Ver­an­stal­tun­gen hat­ten zum Zeit­punkt der An­trag­stel­lung be­reits statt­ge­fun­den; bei 13 die­ser 16 Ver­an­stal­tun­gen war außer­dem die Vergütung schon vor der An­trag­stel­lung an die Steu­er­pflich­tige ge­zahlt wor­den. Im Laufe des An­trags­ver­fah­rens wur­den durch ver­schie­dene deut­sche Ver­an­stal­ter Ab­zug­steu­ern nach § 50a EStG an­ge­mel­det oder sei­tens der zuständi­gen Fi­nanzämter Haf­tungs­be­scheide er­las­sen. Zum Teil wurde die Steuer durch die Fi­nanzämter auf null € fest­ge­setzt. Für einen Teil der Ver­an­stal­tun­gen er­hielt die Kläge­rin im Laufe des Ver­fah­rens Er­stat­tun­gen von den je­weils ört­lich zuständi­gen Fi­nanzämtern.

Das BZSt lehnte die Anträge auf Er­tei­lung von Frei­stel­lungs­be­schei­ni­gun­gen ab, weil die Kläge­rin die nach Art. 17 Abs. 3 DBA Öster­reich er­for­der­li­chen Un­ter­la­gen nicht vor­ge­legt habe. Die Kläge­rin machte gel­tend, die ver­ein­bar­ten Vergütun­gen für die Or­ga­ni­sa­tion der Thea­ter­ver­an­stal­tun­gen seien nicht ein­heit­lich als sol­che aus der Ver­wer­tung ei­ner künst­le­ri­schen Tätig­keit i.S.v. Art. 17 DBA Öster­reich an­zu­se­hen, son­dern müss­ten - ggf. im Wege der Schätzung - in Einkünfte aus der Ver­wer­tung ei­ner künst­le­ri­schen Tätig­keit ei­ner­seits und Einkünfte aus or­ga­ni­sa­to­ri­scher Tätig­keit (Pro­duk­tion, Tech­nik, Trans­port) an­de­rer­seits auf­ge­teilt wer­den.

Das FG hat die Klage als teil­weise un­zulässig und im Übri­gen un­begründet ab­ge­wie­sen. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion der Kläge­rin war vor dem BFH zum Teil er­folg­reich.

Gründe:

Die Re­vi­sion war in Be­zug auf jene Ver­fah­ren, hin­sicht­lich de­rer das FG die Klage als un­zulässig ab­ge­wie­sen hatte, weil die Anträge erst nach dem Zu­fluss der je­wei­li­gen Vergütung ge­stellt wor­den sind oder weil die ört­lich zuständi­gen Fi­nanzämter die Steu­ern in­zwi­schen auf null € fest­ge­setzt ha­ben, als un­begründet zurück­zu­wei­sen. In­so­fern fehlte es an dem er­for­der­li­chen Rechts­schutz­bedürf­nis. Hin­sicht­lich der Anträge, die erst nach Zu­fluss der Vergütun­gen ge­stellt wur­den, kam im Streit­fall eine an sich mögli­che Ände­rung nach § 164 Abs. 2 AO nicht mehr in Be­tracht, weil die je­weils maßgeb­li­chen Fest­set­zungs­fris­ten be­reits ab­ge­lau­fen wa­ren. Auch führt der nachträgli­che Er­lass ei­ner Frei­stel­lungs­be­schei­ni­gung nicht zu ei­ner Ände­rung der Steu­er­an­mel­dung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, weil die nachträgli­che Er­tei­lung nicht als rück­wir­ken­des Er­eig­nis gilt.

Das FG hat je­doch zu Un­recht an­ge­nom­men, dass der Steu­er­pflich­ti­gen aus ma­te­ri­el­lem Recht kein An­spruch auf Er­tei­lung von Frei­stel­lungs­be­schei­ni­gun­gen zu­steht, weil die Vergütun­gen ein­heit­lich be­han­delt wer­den müss­ten und da­her ins­ge­samt Art. 17 Abs. 2 DBA - Öster­reich  un­ter­fie­len. Viel­mehr kommt auch die Er­tei­lung par­ti­el­ler Frei­stel­lungs­be­schei­ni­gun­gen für jene Vergütungs­teile in Be­tracht, die auf die Be­zah­lung von an­de­ren Leis­tun­gen als die persönlich ausgeübte Tätig­keit von Künst­lern ent­fal­len.

Im vor­lie­gen­den Fall wa­ren die von der Kläge­rin mit den Ver­an­stal­tern ver­ein­bar­ten Vergütun­gen für ein "Ge­samt­ar­ran­ge­ment" ge­zahlt wor­den, das ne­ben dem im Vor­der­grund ste­hen­den künst­le­ri­schen Auf­tritt als sol­chem auch da­mit zu­sam­menhängende an­der­wei­tige Leis­tun­gen or­ga­ni­sa­to­ri­scher oder tech­ni­scher Na­tur (z.B. Pro­duk­tion, Tech­nik, Or­ga­ni­sa­tion, Trans­port) um­fasste. Die die­sen Teil­leis­tun­gen zu­zu­ord­nen­den Vergütungs­teile un­ter­fal­len je­doch nicht Art. 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 DBA  Öster­reich, weil sie kein Ent­gelt für eine persönlich ausgeübte Künst­lertätig­keit dar­stel­len. Im Un­ter­schied zum Tat­be­stand der be­schränk­ten Steu­er­pflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG um­fasst Art. 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 DBA Öster­reich keine Einkünfte aus an­de­ren Leis­tun­gen, die mit den künst­le­ri­schen Leis­tun­gen in Zu­sam­men­hang ste­hen.

In der­ar­ti­gen Fällen ist auch un­ter prak­ti­schen Ge­sichts­punk­ten eine Auf­tei­lung - ggf. im Wege der Schätzung gem. § 162 AO - nicht un­durchführ­bar. So könnte die Steu­er­pflich­tige etwa durch Vor­lage von Kos­ten­auf­stel­lun­gen und sons­tige Dar­le­gun­gen ih­rer Kal­ku­la­ti­ons­grund­la­gen eine hin­rei­chende Ba­sis für eine Zu­ord­nung von Vergütungs­tei­len im Schätzungs­wege schaf­fen. In­so­fern wird der Streit­fall zur wei­te­ren Sach­aufklärung an das FG zurück­ver­wei­sen. Da­bei wird sich das FG auch ggf. näher mit dem Ein­wand des BZSt be­fas­sen müssen, die Steu­er­pflich­tige habe im Hin­blick auf die von ihr an ein­zelne Künst­ler ge­zahl­ten Ho­no­rare ih­rer­seits die An­mel­de­pflicht nach § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2d EStG ver­letzt.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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