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Vorschriften über die Einheitsbewertung zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vor BVerfG

BFH 22.10.2014, II R 16/13

Der BFH hat dem BVerfG die Frage vor­ge­legt, ob die Vor­schrif­ten über die Ein­heits­be­wer­tung des Grund­vermögens seit dem Fest­stel­lungs­zeit­punkt 1.1.2009 we­gen Ver­stoßes ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz nach Art. 3 Abs. 1 GG ver­fas­sungs­wid­rig sind. Die seit 1964 ein­ge­tre­tene ra­sante städte­bau­li­che Ent­wick­lung fin­det nach An­sicht des II. Se­na­tes kei­nen an­ge­mes­se­nen Nie­der­schlag im Ein­heits­wert.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte im Jahr 2008 im Wege der Zwangs­ver­stei­ge­rung eine Teil­ei­gen­tum­sein­heit (La­den­lo­kal) im ehe­ma­li­gen West­teil von Ber­lin er­wor­ben. Das Fi­nanz­amt rech­nete ihm das Ob­jekt zum 1.1.2009 zu und wies dar­auf hin, dass der Ein­heits­wert wie bis­her 21.576 € be­trage. Die­sen Ein­heits­wert hatte die Behörde gem. § 122 Abs. 5 i.V.m. § 124 Abs. 8 BewG i.d.F. des Art. 14 Nr. 10c u. Nr. 11b des Miss­brauchs­bekämp­fungs- und Steu­er­be­rei­ni­gungs­ge­set­zes durch Be­scheid aus dem Jahr 1994 fest­ge­stellt.

Zur Be­rech­nung des Grundstücks­werts hatte das Fi­nanz­amt in dem Be­scheid auf den Ein­heits­wert­be­scheid auf den 1.1.1984 ver­wie­sen, in dem es für das neu ge­bil­dete Teil­ei­gen­tum eine Nach­fest­stel­lung durch­geführt hatte. Es war da­bei von ei­ner Jah­res­roh­miete von 6.218 DM und einem Ver­vielfälti­ger von 6,8 aus­ge­gan­gen und hatte die Grundstücks­art Ge­schäfts­grundstück fest­ge­stellt. Fer­ner hatte es fest­ge­stellt, dass das Grundstück Be­triebs­grundstück sei.

Der Kläger war der An­sicht, dass der ge­genüber dem Vor­ei­gentümer fest­ge­stellte Ein­heits­wert für das Teil­ei­gen­tum ihm ge­genüber keine Bin­dungs­wir­kung ent­fal­ten könne, weil die Vor­schrif­ten über die Ein­heits­be­wer­tung des Grund­vermögens we­gen des lange zurück­lie­gen­den Haupt­fest­stel­lungs­zeit­punkts 1.1.1964 ver­fas­sungs­wid­rig seien. Die Ein­heits­wert­fest­stel­lung müsse da­her zum 1.1.2009 er­satz­los auf­ge­ho­ben wer­den.

Das FG wies die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers setzte der BFH das Ver­fah­ren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Vor­ab­ent­schei­dung vor, ob die Vor­schrif­ten über die Ein­heits­be­wer­tung des Grund­vermögens seit dem Fest­stel­lungs­zeit­punkt 1.1.2009 we­gen Ver­stoßes ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz nach Art. 3 Abs. 1 GG ver­fas­sungs­wid­rig sind.

Die Gründe:
Der Se­nat hält die Vor­schrif­ten über die Ein­heits­be­wer­tung (spätes­tens) ab dem Be­wer­tungs­stich­tag 1.1.2009 für ver­fas­sungs­wid­rig, weil die Maßgeb­lich­keit der Wert­verhält­nisse am Haupt­fest­stel­lungs­zeit­punkt 1.1.1964 für die Ein­heits­be­wer­tung zu Fol­gen führt, die mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz nicht mehr ver­ein­bar sind.

Ein­heits­werte wer­den für Be­triebe der Land- und Forst­wirt­schaft, für Be­triebs­grundstücke und für an­dere Grundstücke fest­ge­stellt. Sie sind ne­ben den Steu­er­mess­zah­len und den von den Ge­mein­den fest­ge­leg­ten He­besätzen Grund­lage für die Be­mes­sung der Grund­steuer. Maßge­bend für die Fest­stel­lung der Ein­heits­werte sind in den al­ten Bun­desländern und West-Ber­lin die Wert­verhält­nisse im Haupt­fest­stel­lungs­zeit­punkt 1.1.1964.

Der Se­nat ist der An­sicht, dass die Maßgeb­lich­keit die­ser ver­al­te­ten Wert­verhält­nisse (spätes­tens) seit dem Fest­stel­lungs­zeit­punkt 1.1.2009 we­gen des 45 Jahre zurück­lie­gen­den Haupt­fest­stel­lungs­zeit­punkts nicht mehr mit den ver­fas­sungs­recht­li­chen An­for­de­run­gen an eine gleich­heits­ge­rechte Aus­ge­stal­tung des Steu­er­rechts ver­ein­bar ist. Durch den Ver­zicht auf wei­tere Haupt­fest­stel­lun­gen ist es nach An­zahl und Ausmaß zu dem Gleich­heits­satz wi­der­spre­chen­den Wert­ver­zer­run­gen bei den Ein­heits­wer­ten ge­kom­men. Die seit 1964 ein­ge­tre­tene ra­sante städte­bau­li­che Ent­wick­lung ge­rade im großstädti­schen Be­reich, die Fort­ent­wick­lung des Bau­we­sens nach Bau­art, Bau­weise, Kon­struk­tion und Ob­jektgröße so­wie an­dere tief­grei­fende Verände­run­gen am Im­mo­bi­li­en­markt fin­den kei­nen an­ge­mes­se­nen Nie­der­schlag im Ein­heits­wert.

Das heißt al­ler­dings nicht, dass das Ni­veau der Grund­steuer ins­ge­samt zu nied­rig ist. Viel­mehr geht es le­dig­lich darum, dass die ein­zel­nen wirt­schaft­li­chen Ein­hei­ten in­ner­halb der je­wei­li­gen Ge­meinde im Verhält­nis zu­ein­an­der rea­litätsge­recht be­wer­tet wer­den müssen. Nur eine sol­che Be­wer­tung kann gewähr­leis­ten, dass die Be­las­tung mit Grund­steuer sach­ge­recht aus­ge­stal­tet wird und mit dem Gleich­heits­satz ver­ein­bar ist.

Es ob­liegt nun­mehr dem BVerfG, über die Vor­la­ge­frage zu ent­schei­den. Der Vor­la­ge­be­schluss steht als sol­cher dem Er­lass von Ein­heits­wert­be­schei­den, Grund­steu­er­mess­be­schei­den und Grund­steu­er­be­schei­den so­wie der Bei­trei­bung von Grund­steuer nicht ent­ge­gen. Die ent­spre­chen­den Be­scheide wer­den je­doch für vorläufig zu erklären sein.

Die Vor­lage be­trifft nicht die Be­wer­tung des Grund­vermögens im Bei­tritts­ge­biet, für die die Wert­verhält­nisse am Haupt­fest­stel­lungs­zeit­punkt 1.1.1935 maßge­bend sind. Die Gründe, die zur Vor­lage geführt ha­ben, gel­ten aber auf­grund die­ses noch länger zurück­lie­gen­den Haupt­fest­stel­lungs­zeit­punkts erst recht im Bei­tritts­ge­biet.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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