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Vorläufige Berücksichtigung von Scheidungskosten als außergewöhnliche Belastungen

FG Münster 19.6.2015, 1 V 795/15 E

Es liegt die Si­tua­tion vor, dass die Rechts­frage hin­sicht­lich der Ab­zugsfähig­keit von un­mit­tel­bar durch den Schei­dungs­pro­zess ver­an­lasste Kos­ten als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen in der Li­te­ra­tur un­ter­schied­lich be­ant­wor­tet wird, eine ständige Recht­spre­chung der Fi­nanz­ge­richte zu der Rechts­frage noch nicht exis­tiert und der BFH über die Rechts­frage noch nicht ent­schie­den hat. Diese Rechts­lage ist in­so­fern als nicht ein­deu­tig zu be­wer­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin hatte in ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung 2013 Schei­dungs­kos­ten i.H.v. rund 7.509 € als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung gem. § 33 Abs. 2 S. 4 EStG gel­tend ge­macht. Die Auf­wen­dun­gen set­zen sich zu­sam­men aus zwei Rech­nun­gen ih­res Rechts­an­wal­tes so­wie ei­ner Rech­nung der Ober­jus­tiz­kasse.

Das Fi­nanz­amt er­kannte die Auf­wen­dun­gen nicht als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen an. Hier­ge­gen wandte sich die An­trag­stel­le­rin mit ih­rem Ein­spruch, über den noch nicht ent­schie­den wurde. Sie war der An­sicht, dass Schei­dungs­kos­ten auch nach der Einführung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG wei­ter­hin als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen zu berück­sich­ti­gen seien. Hierzu führte das Fi­nanz­amt aus, dass vor dem BFH zwar zwei Re­vi­si­ons­ver­fah­ren zur Frage der Berück­sich­ti­gung der un­mit­tel­bar durch einen Schei­dungs­pro­zess ver­ur­sach­ten Kos­ten als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen anhängig seien (Az.: VI R 66/14 und VI R 81/14). Aus Sicht der Ver­wal­tung sei die Rechts­lage je­doch ein­deu­tig.

Die An­trag­stel­le­rin be­gehrte die ge­richt­li­che Aus­set­zung der Voll­zie­hung des an­ge­foch­te­nen Ein­kom­men­steu­er­be­schei­des 2013 i.H.d. sich bei ei­ner Berück­sich­ti­gung der Schei­dungs­kos­ten als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen er­ge­ben­den Min­de­rung der Steu­er­fest­set­zung. Das FG kam dem Be­geh­ren nach und setzte die Voll­zie­hung des Ein­kom­men­steu­er­be­schei­des aus.

Die Gründe:
Die Ver­sa­gung des Ab­zugs der Pro­zess­kos­ten als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen in dem an­ge­foch­te­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheid wa­ren ernst­lich zwei­fel­haft i.S.d. § 69 Abs. 2 i.V.m. Abs. 2 FGO. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Fi­nanz­behörde ist die Rechts­lage in­so­fern nicht ein­deu­tig.

Ein Teil der Li­te­ra­tur von einem rein ma­te­ri­el­len Verständ­nis des Be­griffs "Exis­tenz­grund­lage" aus. Dem­nach schließt § 33 Abs. 1 S. 4 EStG Schei­dungs­pro­zess­kos­ten grundsätz­lich vom Ab­zug als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen aus. Ein Ab­zug käme nur dann in Be­tracht, wenn im Ein­zel­fall ohne Schei­dung die ma­te­ri­elle Exis­tenz­grund­lage be­droht wäre. Dem­ge­genüber ver­tritt die wohl h.M. in der Li­te­ra­tur die Auf­fas­sung, dass Ehe­schei­dungs­kos­ten trotz der Neu­re­ge­lung in dem ur­sprüng­lich von der Recht­spre­chung an­er­kann­ten Um­fang wei­ter­hin ab­zugsfähig sein sol­len. Da­bei wird der Be­griff der "Exis­tenz­grund­lage" über ein bloßes ma­te­ri­el­les Verständ­nis hin­aus weit aus­ge­legt.

Das FG Müns­ter und das FG Rhein­land-Pfalz ha­ben mit Ur­tei­len vom 21.11.2014 (Az.: 4 K 1829/14 E) und vom 16.10.2014 (AZ.: 4 K 1976//14, EFG 2015, 39) ent­schie­den, dass auch nach der Einführung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG Schei­dungs­kos­ten, die un­mit­tel­bar durch den Schei­dungs­pro­zess ver­an­lasst sind, als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen ab­zugsfähig sind. Hier­un­ter fal­len Ge­richts- und An­walts­kos­ten des Schei­dungs­ver­fah­rens, nicht je­doch Schei­dungs­fol­ge­sa­chen, wie etwa die Vermögensaus­ein­an­der­set­zung. Beide Ge­richte hat­ten die Re­vi­sion zu­ge­las­sen.

In­fol­ge­des­sen konnte bei sum­ma­ri­scher Würdi­gung nicht da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Rechts­lage hin­sicht­lich der Ab­zugsfähig­keit von un­mit­tel­bar durch den Schei­dungs­pro­zess ver­an­lasste Kos­ten als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen ein­deu­tig ist. Viel­mehr liegt die Si­tua­tion vor, dass die Rechts­frage in der Li­te­ra­tur un­ter­schied­lich be­ant­wor­tet wird, eine ständige Recht­spre­chung der Fi­nanz­ge­richte zu der Rechts­frage noch nicht exis­tiert und der BFH über die Rechts­frage noch nicht ent­schie­den hat. Dies führte im vor­lie­gen­den Fall dazu, dass die im an­ge­foch­te­nen Ein­kom­men­steu­er­be­scheid berück­sich­tigte Auf­fas­sung der Fi­nanz­behörde, Schei­dungs­pro­zess­kos­ten seien, von ex­tre­men Aus­nah­mefällen ab­ge­se­hen, ab dem Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2013 nicht mehr als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen ab­zugsfähig, ernst­lich recht­lich zwei­fel­haft i.S.d. § 69 FGO ist.

Link­hin­weis:

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