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Voraussetzungen der unverzüglichen Selbstnutzung eines Familienheims durch den Erben

FG Münster 28.9.2016, 3 K 3793/15 Erb

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG bleibt steu­er­frei der Er­werb von To­des we­gen des Ei­gen­tums an einem be­bau­ten Grundstück etwa durch Kin­der, so­weit der Erb­las­ser darin bis zum Erb­fall eine Woh­nung zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken ge­nutzt hat, die beim Er­wer­ber un­verzüglich zur Selbst­nut­zung zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken be­stimmt ist. Das Merk­mal der Un­verzüglich ist re­gelmäßig erfüllt in­ner­halb ei­nes Zeit­raums von sechs Mo­na­ten nach dem Erb­fall.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger be­erbte sei­nen ver­stor­be­nen Va­ter ne­ben sei­nem Bru­der zu einem An­teil von 72/100. Der beim Tod sei­nes Va­ters 58-jährige Kläger ist mit sei­ner Fa­mi­lie in R ansässig. Seine langjährige Ar­beits­stelle als Pro­gram­mie­rer be­fand sich in S. We­gen wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten sei­nes Ar­beit­ge­bers be­en­dete der Kläger zum Jah­res­ende 2015 das Ar­beits­verhält­nis ge­gen eine Ab­fin­dung. Seit­dem ist er ar­beits­los. Laut Tes­ta­ment sollte der Kläger den Grund­be­sitz A-Straße 1 in N, der dem Erb­las­ser als Fa­mi­li­en­wohn­heim ge­dient hatte, zu Al­lein­ei­gen­tum er­hal­ten. Außer­dem war der Kläger hin­sicht­lich des sei­nem Bru­der, der in ei­ner Ein­rich­tung für be­hin­derte Men­schen lebt, zu­ge­wen­de­ten Er­ban­teils als Tes­ta­ments­voll­stre­cker ein­ge­setzt.

Nach Ab­gabe der Erb­schaft­steu­er­erklärung setzte das Fi­nanz­amt Erb­schaft­steuer ge­genüber dem Kläger fest. Der Grund­be­sitz A-Straße wurde da­bei als Nach­lass­ge­gen­stand er­fasst. Der Kläger ist dem­ge­genüber der An­sicht, die Über­tra­gung des Grund­be­sit­zes A-Straße sei gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG steu­er­frei zu be­las­sen. Der Grund­be­sitz, ein Zwei­fa­mi­li­en­haus mit ca. 120 qm Wohnfläche, sei von sei­nem Va­ter vollständig zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken ge­nutzt wor­den. Er selbst wolle die­sen Grund­be­sitz re­no­vie­ren und eben­falls selbst nut­zen. Ein Ver­kauf oder eine Ver­mie­tung seien nicht be­ab­sich­tigt.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde zur Fort­bil­dung des Rechts zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die Vor­aus­set­zun­gen für die Gewährung der Steu­er­be­frei­ung gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG lie­gen nicht vor.

Nach die­ser Vor­schrift bleibt steu­er­frei der Er­werb von To­des we­gen des Ei­gen­tums an einem be­bau­ten Grundstück u.a. durch Kin­der i.S.d. Steu­er­klasse I Nr. 2, so­weit der Erb­las­ser darin bis zum Erb­fall eine Woh­nung zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken ge­nutzt hat, die beim Er­wer­ber un­verzüglich zur Selbst­nut­zung zu ei­ge­nen Wohn­zwe­cken be­stimmt ist (Fa­mi­li­en­heim) und so­weit die Wohnfläche der Woh­nung 200 qm nicht über­steigt. Es be­ste­hen vor­lie­gend keine Zwei­fel daran, dass der Kläger den Grund­be­sitz tatsäch­lich als Fa­mi­li­en­heim nut­zen will. Ein Um­zug nach N ist ge­plant, so­bald der Grund­be­sitz ent­spre­chend her­ge­rich­tet ist. Es fehlt je­doch hier an der vom Ge­setz ge­for­der­ten Un­verzüglich­keit.

Un­verzüglich er­folgt eine Hand­lung, wenn sie in­ner­halb ei­ner nach den Umständen des Ein­zel­falls zu be­mes­sen­den Prüfungs- und Über­le­gungs­zeit vor­ge­nom­men wird. Ein Er­wer­ber muss also zur Er­lan­gung der Steu­er­be­frei­ung für ein Fa­mi­li­en­heim in­ner­halb ei­ner an­ge­mes­se­nen Zeit nach dem Erb­fall die Ab­sicht zur Selbst­nut­zung des Hau­ses fas­sen und tatsäch­lich um­set­zen. An­ge­mes­sen ist re­gelmäßig ein Zeit­raum von sechs Mo­na­ten nach dem Erb­fall, da­mit der Er­wer­ber den Ent­schluss zum Ein­zug be­den­ken und im An­schluss dann ggfs. er­for­der­li­che Re­no­vie­rungs- und Ge­stal­tungsmaßnah­men durchführen kann. Auch nach Ab­lauf von sechs Mo­na­ten kann eine un­verzügli­che Be­stim­mung zur Selbst­nut­zung ge­ge­ben sein, wenn der Er­wer­ber dar­legt und glaub­haft macht, wa­rum ein Ein­zug in die Woh­nung nicht früher möglich ist und wa­rum er diese Gründe nicht zu ver­tre­ten hat.

Da­nach kann hier von ei­ner un­verzügli­chen Be­stim­mung zur Selbst­nut­zung nicht aus­ge­gan­gen wer­den. Zwar ist der Zeit­raum, in dem der Kläger so­wohl mit dem So­zi­al­amt als auch mit sei­nem Bru­der un­ter Ein­schal­tung der dazu not­wen­di­gen Per­so­nen und In­sti­tu­tio­nen (Ergänzungs­be­treuer und Vor­mund­schafts­ge­richt) seine Ei­gentümer­po­si­tion klären mus­ste, un­schädlich. Denn so­lange sich der Kläger sei­ner Ei­gentümer­po­si­tion nicht si­cher sein konnte, können von ihm Maßnah­men zur Um­set­zung ei­ner Ent­schei­dung zur Selbst­nut­zung nicht ver­langt wer­den. Je­doch sind seit der Ei­gen­tums­um­schrei­bung im Grund­buch am 2.9.2015 weit mehr als sechs Mo­nate ver­stri­chen, ohne dass Maßnah­men er­sicht­lich sind, die auf eine un­verzügli­che Be­stim­mung des Klägers zur Selbst­nut­zung des Grund­be­sit­zes schließen las­sen.

Aus­weis­lich der in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen sind für die an­ste­hende um­fas­sende Re­no­vie­rung frühes­tens ab April 2016 An­ge­bote ent­spre­chen­der Hand­wer­ker ein­ge­holt wor­den. Selbst wenn zu­zu­ge­ste­hen ist, dass vor Ein­ho­lung kon­kre­ter An­ge­bote ohne die Be­auf­tra­gung ei­nes Ar­chi­tek­ten oder Bau­lei­ters zunächst eine ge­wisse Re­cher­che­ar­beit zu leis­ten ist, ist bei einem mehr als sechs­mo­na­ti­gem Zeit­raum (Ei­gen­tums­um­schrei­bung im Sep­tem­ber 2015, An­ge­bot Firma F vom 21.4.2016) und einem noch späte­ren tatsäch­li­chen Be­ginn der Baumaßnah­men (ab Juni 2016) nicht mehr von ei­ner Un­verzüglich­keit i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG aus­zu­ge­hen.

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