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Unterstützung von Angehörigen im Ausland als außergewöhnliche Belastung?

FG Köln 6.11.2013, 3 K 2728/10

Die ge­setz­li­che Un­ter­halts­pflicht ist nach inländi­schen Maßstäben zu be­stim­men, auch wenn die un­ter­hal­tene Per­son nicht un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig ist, weil sie im In­land we­der einen Wohn­sitz noch ih­ren gewöhn­li­chen Auf­ent­halt hat. Bis­her hat der BFH nur we­nige Fälle ent­schie­den, in de­nen das Er­for­der­nis der Er­werbs­ob­lie­gen­heit von An­gehöri­gen im Aus­land für ein­zelne Fall­grup­pen - Al­ters­grenze, Krank­heit oder Be­hin­de­rung beim An­gehöri­gen bzw. bei Per­so­nen, de­nen er un­ter­halts­pflich­tig ist - näher präzi­siert wer­den konnte.

Der Sach­ver­halt:
Die 44-jährige Kläge­rin lebt von ih­rem Ehe­mann ge­trennt und wurde im Streit­jahr 2008 al­leine zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt. Sie war als Be­triebs­wir­tin nicht­selbständig tätig. Ihr Net­to­ein­kom­men be­trug im Streit­jahr rund 19.000 €. Sie ist das ein­zige Kind der im Streit­jahr 60 Jahre al­ten Frau A. Diese lebt al­leine in Russ­land und war im Streit­jahr nicht er­werbstätig. Die Mut­ter be­zieht jähr­lich eine Al­ters­rente so­wie staat­li­che So­zi­al­leis­tun­gen von ins­ge­samt um­ge­rech­net 2.173 €. Vermögen hat die Mut­ter nicht.

Die Kläge­rin un­terstützte ihre Mut­ter im Streit­jahr mit Bar­geld, Klei­dung, Woh­nung und not­wen­di­gen Ver­si­che­run­gen. Die Mut­ter selbst un­terstützte im Streit­jahr wie­derum ihre ei­gene Mut­ter, die ver­wit­wete Großmut­ter der Kläge­rin. Diese lebt in der Ukraine und ist pfle­ge­bedürf­tig. Die Pflege hatte die Mut­ter der Kläge­rin im Streit­jahr öfter über­nom­men. Dafür mus­ste sie je­weils in die Ukraine rei­sen.

In ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr 2008 be­an­tragte die Kläge­rin, als Un­ter­halts­leis­tun­gen für ihre Mut­ter ins­ge­samt 2.685 € ab­zu­zie­hen. Das Fi­nanz­amt berück­sich­tigte die gel­tend ge­mach­ten Un­terstützungs­zah­lun­gen al­ler­dings nicht. Es be­rief sich da­bei auf die Rechts­auf­fas­sung des BMF, wo­nach bei im Aus­land le­ben­den Per­so­nen im er­werbsfähi­gen Al­ter bis 65 Jahre grundsätz­lich da­von aus­zu­ge­hen sei, dass diese ih­ren Le­bens­un­ter­halt durch ei­gene Ar­beit ver­dien­ten. Die un­ter­halts­be­rech­tigte Per­son habe ihre Ar­beits­kraft zur Be­strei­tung des Le­bens­un­ter­halts aus­zu­schöpfen. Sie treffe eine Er­werbs­ob­lie­gen­heit.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage wei­test­ge­hend statt. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zu­ge­las­sen. Das Ver­fah­ren ist beim BFH un­ter dem Az.: 3 K 2728/10 anhängig.

Die Gründe:
Der Ein­kom­men­steu­er­be­scheid in der Ge­stalt der Ein­spruchs­ent­schei­dung war rechts­wid­rig, so­weit das Fi­nanz­amt bei der Fest­set­zung der Ein­kom­men­steuer ent­ge­gen § 2 Abs. 4 i.V.m. § 33a Abs. 1 S. 1 EStG den Ge­samt­be­trag der Einkünfte nicht um außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen i.H.v. 2.261 € ge­min­dert hatte.

Die Mut­ter ist eine der Kläge­rin ge­genüber ge­setz­lich un­ter­halts­be­rech­tigte Per­son. Die ge­setz­li­che Un­ter­halts­pflicht ist nach inländi­schen Maßstäben zu be­stim­men, auch wenn die un­ter­hal­tene Per­son - wie hier - nicht un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig ist, weil sie im In­land we­der einen Wohn­sitz noch ih­ren gewöhn­li­chen Auf­ent­halt hat. Das gilt auch im Fall ei­ner Un­ter­halts­pflicht nach ausländi­schem Recht, wenn diese Un­ter­halts­pflicht nach Art. 18 EG BGB im In­land ver­bind­lich ist. Nach der neue­ren Recht­spre­chung des BFH knüpft die ge­setz­li­che Un­ter­halts­be­rech­ti­gung gem. § 33a Abs. 1 S. 1 EStG i.S. ei­ner kon­kre­ten Be­trach­tungs­weise an alle zi­vil­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Un­ter­halts­an­spruchs an. Diese wa­ren hier im Um­fang der 2.261 € erfüllt.

Die Mut­ter der Kläge­rin war bedürf­tig i.S.d. § 1602 Abs. 1 BGB. Sie war während des gan­zen Streit­jah­res außer­stande, sich selbst zu un­ter­hal­ten. Sie verfügte über kein Vermögen. Ihre ei­ge­nen Einkünfte und Bezüge über­stie­gen i.H.d. Be­tra­ges von 2.261 € die Grenz­beträge gem. § 33a Abs. 1 S. 1, 4 u. 5 EStG. Die Mut­ter der Kläge­rin traf im Streit­jahr zu kei­ner Zeit eine sog. Er­werbs­ob­lie­gen­heit. Darüber be­stand kein Streit für die Zeiträume, in de­nen die Mut­ter der Kläge­rin ihre ei­gene Mut­ter ge­pflegt hatte. Für den Rest des Streit­jah­res galt aber nichts an­de­res, denn sie stand ständig "auf Ab­ruf".

Der Se­nat ließ je­doch gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Re­vi­sion zu. Er war der An­sicht, dass die Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung eine Ent­schei­dung des BFH er­for­dere. Bis­her hat der BFH - so­weit er­sicht­lich - nur we­nige Fälle ent­schie­den, in de­nen das Er­for­der­nis der Er­werbs­ob­lie­gen­heit von An­gehöri­gen im Aus­land für ein­zelne Fall­grup­pen - Al­ters­grenze, Krank­heit oder Be­hin­de­rung beim An­gehöri­gen bzw. bei Per­so­nen, de­nen er un­ter­halts­pflich­tig ist - näher präzi­siert wer­den konnte. Dass dies möglich ist und von der Fi­nanz­ver­wal­tung ent­spre­chend prak­ti­ziert wird, zeigt das BMF-Schrei­ben vom 7.6.2010 (IV C 4-S 2285/07/0006).

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