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Einbeziehung von der Abgeltungsteuer unterliegenden Kapitaleinkünften bei den Einkunftsgrenzen nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009

BFH 25.11.2015, II R 62/14

In die Prüfung der Ein­kunfts­gren­zen nach § 1 Abs. 3 S. 2 EStG 2009 sind auch die der Ab­gel­tung­steuer un­ter­lie­gen­den Ka­pi­tal­einkünfte ein­zu­be­zie­hen. § 2 Abs. 5b EStG 2009 wirkt nicht auf die Prüfung der Ein­kunfts­gren­zen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 ein.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger wohnte im Streit­jahr 2009 mit sei­ner Ehe­frau in Bel­gien. Beide wa­ren im In­land als Ar­beit­neh­mer be­schäftigt. Das für die Ar­beit­ge­ber zuständige Fi­nanz­amt er­teilte den Ehe­leu­ten gem. § 39c Abs. 4 EStG 2002 je­weils eine Be­schei­ni­gung, der zu­folge sie nach § 1 Abs. 3 EStG 2002 un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig wa­ren und die Lohn­steuer für den Kläger nach Steu­er­klasse III so­wie für seine Frau nach Steu­er­klasse V ein­zu­be­hal­ten war. Der Kläger wurde dann al­ler­dings wie seine Frau als be­schränkt Steu­er­pflich­ti­ger zur Ein­kom­men­steuer ver­an­lagt. Der Ein­spruch des Klägers war zunächst nur auf die Berück­sich­ti­gung der un­gekürz­ten Vor­sor­ge­pau­schale ge­rich­tet. Kurz dar­auf erklärte der Kläger, im Streit­jahr inländi­sche Ge­winn­aus­schüttun­gen samt Zin­sen er­hal­ten zu ha­ben.

Das Fi­nanz­amt gewährte dar­auf­hin mit geänder­tem Be­scheid zum einen die Vor­sor­ge­pau­schale in der be­an­trag­ten Höhe gem. § 10c Abs. 2 EStG 2009, zum an­de­ren un­ter­warf es je­doch ge­gen den Wil­len des Klägers die steu­er­pflich­ti­gen In­lands­einkünfte mit Rück­sicht auf die nach dem DBA-Bel­gien im Wohn­sitz­staat steu­er­pflich­ti­gen Ka­pi­tal­einkünfte dem Pro­gres­si­ons­vor­be­halt gem. § 32b EStG 2009. Zu­gleich hob es den bis da­hin be­ste­hen­den Nachprüfungs­vor­be­halt auf und wies auf die Fort­set­zung des Ein­spruchs­ver­fah­rens hin. Vor des­sen Ab­schluss be­an­tragte der Kläger die Zu­sam­men­ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steuer und ver­trat die An­sicht, dass die der Ab­gel­tung­steuer un­ter­lie­gen­den Ka­pi­tal­einkünfte nach § 2 Abs. 5b EStG 2009 nicht bei der Prüfung der We­sent­lich­keits­gren­zen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 zu berück­sich­ti­gen seien.

Der Ein­spruch war nur in­so­weit er­folg­reich, als das Fi­nanz­amt le­dig­lich 60 % der Ka­pi­tal­einkünfte des Klägers im Rah­men des Pro­gres­si­ons­vor­be­halts berück­sich­tigte. Eine Zu­sam­men­ver­an­la­gung lehnte es ab. Diese be­gehrte der Kläger dann auf dem Kla­ge­weg, hilfs­weise, bei der Ver­an­la­gung als be­schränkt Steu­er­pflich­ti­ger die von ihm er­ziel­ten Ka­pi­tal­einkünfte nicht im Rah­men des Pro­gres­si­ons­vor­be­halts zu berück­sich­ti­gen. Das FG ent­sprach nur Letz­te­rem und ging da­von aus, dass der Kläger kei­nen An­trag auf Ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steuer nach § 50 Abs. 2 S. 2 Nr. 4b i.V.m. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG 2009 ge­stellt hatte. Die hier­ge­gen ge­rich­tete Re­vi­sion er­folg­los.

Gründe:
Der An­trag hat in der Sa­che kei­nen Er­folg, da die Zu­sam­men­ver­an­la­gung an die un­be­schränkte Steu­er­pflicht ge­bun­den ist und der Kläger so­wie seine Ehe­frau im Streit­jahr we­der Wohn­sitz oder gewöhn­li­chen Auf­ent­halt im In­land hat­ten noch die Vor­aus­set­zun­gen der fin­gier­ten un­be­schränk­ten Ein­kom­men­steu­er­pflicht gem. § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 erfüll­ten.

Nach § 1 Abs. 3 S. 1 EStG 2009 wer­den auf An­trag auch natürli­che Per­so­nen als un­be­schränkt ein­kom­men­steu­er­pflich­tig be­han­delt, die im In­land we­der einen Wohn­sitz noch ih­ren gewöhn­li­chen Auf­ent­halt ha­ben, so­weit sie inländi­sche Einkünfte i.S.d. § 49 EStG 2009 er­zie­len. Vor­aus­set­zung hierfür ist, dass ent­we­der die Einkünfte im Ka­len­der­jahr zu min­des­tens 90 % der deut­schen Ein­kom­men­steuer un­ter­lie­gen (re­la­tive We­sent­lich­keits­grenze) oder die nicht der deut­schen Ein­kom­men­steuer un­ter­lie­gen­den Einkünfte den Grund­frei­be­trag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2009 nicht über­stei­gen (ab­so­lute We­sent­lich­keits­grenze). Bei der Prüfung bei­der We­sent­lich­keits­gren­zen gel­ten Einkünfte, die nach einem Ab­kom­men zur Ver­mei­dung der Dop­pel­be­steue­rung nur der Höhe nach be­schränkt be­steu­ert wer­den dürfen, als nicht der deut­schen Ein­kom­men­steuer un­ter­lie­gend. Wei­tere Vor­aus­set­zung für die fik­tive un­be­schränkte Ein­kom­men­steu­er­pflicht ist nach § 1 Abs. 3 S. 5 EStG 2009, dass die Höhe der nicht der deut­schen Ein­kom­men­steuer un­ter­lie­gen­den Einkünfte durch eine Be­schei­ni­gung der zuständi­gen ausländi­schen Steu­er­behörde nach­ge­wie­sen wird.

Der Kläger und seine Ehe­frau hat­ten diese We­sent­lich­keits­gren­zen je­doch nicht ge­wahrt. So­weit es hieß, diese würden des­halb ge­wahrt, weil auf­grund der Re­ge­lung des § 2 Abs. 5b EStG 2009 die Ka­pi­tal­einkünfte nicht zu den Einkünf­ten i.S.v. § 1 Abs. 3 EStG 2009 gehörten, konnte sich der Se­nat die­ser Be­ur­tei­lung nicht an­schließen. Zwar ord­net § 2 Abs. 5b EStG 2009 an, dass Ka­pi­tal­erträge nach § 32d Abs. 1 EStG 2009 (Steu­er­satz von 25 %) und § 43 Abs. 5 EStG 2009 (ab­gel­ten­der Ein­be­halt der Ka­pi­tal­er­trag­steuer) nicht in die in den vor­ste­hen­den Absätzen (nämlich § 2 Abs. 1 bis 5 EStG 2009) de­fi­nier­ten Be­griffe (Einkünfte, Summe der Einkünfte, Ge­samt­be­trag der Einkünfte, Ein­kom­men, zu ver­steu­ern­des Ein­kom­men) ein­zu­be­zie­hen sind, so­weit Rechts­nor­men die­ses Ge­set­zes an diese Be­griffe anknüpfen. Die Vor­schrift wirkt je­doch nicht auf die Prüfung der Ein­kunfts­gren­zen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG 2009 ein; sie ist dem­gemäß auch hier nicht ge­eig­net, eine fik­tive un­be­schränkte (deut­sche) Ein­kom­men­steu­er­pflicht des Klägers zu begründen.

Letz­te­res er­gab sich be­reits dar­aus, dass nach dem un­miss­verständ­li­chen Wort­laut des § 1 Abs. 3 S. 1 EStG 2009 die Fik­tion der un­be­schränk­ten Ein­kom­men­steu­er­pflicht sich auf die "inländi­schen Einkünfte" i.S.v. § 49 EStG 2009 er­streckt und hierzu die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG 2009 ge­nann­ten Ka­pi­tal­erträge, ins­be­son­dere also die in Buchst. a die­ser Be­stim­mung (i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG 2009) an­ge­spro­che­nen Ge­winn­aus­schüttun­gen der inländi­schen Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten, gehören. § 1 Abs. 3 S. 1 EStG 2009 knüpft in­so­weit also (ähn­lich wie in an­de­ren Zu­sam­menhängen etwa § 34c Abs. 1 oder § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG 2009) nicht an den in § 2 Abs. 1 bis 5 EStG 2009 vor­ge­ge­be­nen all­ge­mei­nen, son­dern an einen da­von ab­zu­he­ben­den, durch spe­zi­fi­sche Merk­male qua­li­fi­zier­ten Be­griff der Einkünfte an. Da­von aber spart § 2 Abs. 5b EStG 2009 die der Ab­gel­tung un­ter­fal­len­den Ka­pi­tal­erträge erklärtermaßen nicht aus. Zu­dem ent­spricht nur diese Be­ur­tei­lung dem Zweck des § 1 Abs. 3 (hier: i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2) EStG 2009.

Link­hin­weis:

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