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Hofläden können steuerbegünstigte Zweckbetriebe darstellen

FG Köln 18.6.2015, 10 K 759/13

Hofläden in sta­tionären Ein­rich­tun­gen, in de­nen Men­schen auf­ge­nom­men wer­den, die von Ar­beits­lo­sig­keit, Ob­dach­lo­sig­keit be­trof­fen und/oder hin­sicht­lich Sucht­pro­ble­ma­ti­ken auffällig ge­wor­den sind, können auch dann als steu­er­begüns­tigte Zweck­be­triebe an­ge­se­hen wer­den, wenn das Wa­ren­sor­ti­ment al­ko­ho­li­sche Getränke enthält. Das Kon­zept des "Selbst­kon­trol­lier­ten Trin­kens" ist durch­aus schlüssig und nicht un­ver­tret­bar, was für die An­er­ken­nung als Ein­rich­tun­gen der Wohl­fahrts­pflege spricht.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­tei­lig­ten strit­ten darüber, ob es sich bei den "Hofläden", die vom Kläger in sei­nen Ein­rich­tun­gen be­trie­ben wer­den, um steu­er­begüns­tigte Zweck­be­triebe han­delt. Die sta­tionären Ein­rich­tun­gen rich­ten ihr An­ge­bot an Men­schen, die von Ar­beits­lo­sig­keit, Ob­dach­lo­sig­keit be­trof­fen und/oder hin­sicht­lich Sucht­pro­ble­ma­ti­ken auffällig ge­wor­den sind. Es han­delt sich da­bei um dorfähn­li­che An­we­sen. Die Be­woh­ner blei­ben zwi­schen einem Mo­nat und einem Jahr oder be­fin­den sich dau­er­haft im Al­ten- und Pfle­ge­heim. In den Hofläden über­neh­men die Be­woh­ner un­ter An­lei­tung in ers­ter Li­nie Hilfs­dienst­leis­tun­gen (etwa durch Zählen, Mes­sen, Wie­gen beim Er­mit­teln der Wa­ren­bestände). Sie bie­ten ein be­grenz­tes Wa­ren­sor­ti­ment, aus dem sich die Be­woh­ner der Ein­rich­tun­gen mit ih­rem Ta­schen­geld selbst ver­sor­gen können.

Im An­schluss an eine Be­triebsprüfung wur­den die Umsätze der Hofläden vom Fi­nanz­amt dem Re­gel­steu­er­satz un­ter­wor­fen. Ins­be­son­dere der Ver­kauf von Al­ko­hol an die Be­woh­ner wurde mit 16% be­steu­ert. Die Behörde war der An­sicht, das An­ge­bot an übli­chen Han­dels­wa­ren (Zeit­schrif­ten, Hy­gie­ne­ar­ti­keln etc.) gehöre nicht zur Wohl­fahrts­pflege. Ebenso nicht der Ver­kauf von Al­ko­hol an die Heim­be­woh­ner. Zwar werde in der Ein­rich­tung das Kon­zept des "Selbst­kon­trol­lier­ten Trin­kens" prak­ti­ziert, je­doch handle es sich in­so­weit nicht um ein all­ge­mein an­er­kann­tes und von den Kran­ken­kas­sen ge­tra­ge­nes The­ra­pie­kon­zept. Die auf­ge­nom­me­nen Per­so­nen seien ehe­mals Ob­dach­lose, bei de­nen an­zu­neh­men sei, dass be­reits schwere körper­li­che Vor­schädi­gun­gen vor­han­den seien, die sich durch wei­te­ren Al­ko­hol­kon­sum ver­schlim­mer­ten.

Das FG gab der ge­gen den Körper­schaft­steu­er­be­scheid für 2006 ge­rich­te­ten Klage statt. Al­ler­dings wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Sa­che die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Bei den Hofläden han­delte es sich um steu­er­begüns­tigte Zweck­be­triebe i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG.

Die Hofläden wa­ren wirt­schaft­li­che Ge­schäfts­be­triebe i.S.d. § 14 AO, da eine selbständige nach­hal­tige Tätig­keit zur Ein­nah­me­er­zie­lung ausgeübt wurde und die Tätig­keit außer­dem über den Rah­men der Vermögens­ver­wal­tung hin­aus­ging. Al­ler­dings han­delte es sich bei die­sen wirt­schaft­li­chen Ge­schäfts­be­trie­ben um Zweck­be­triebe, und zwar so­wohl i.S.d. § 66 AO als auch § 65 AO. Ent­ge­gen der An­nahme der Fi­nanz­behörde han­delte es sich bei den Hofläden auch um Ein­rich­tun­gen der Wohl­fahrts­pflege.

Die Zwei­fel des Fi­nanz­am­tes re­sul­tier­ten dar­aus, dass aus sei­ner Sicht die Ge­sund­heit der be­trof­fe­nen Per­so­nen je­den­falls ob­jek­tiv nicht gefördert wird. In­so­weit ging das Ge­richt eben­falls da­von aus, dass sich die teil­weise schwe­ren or­ga­ni­schen Vor­schäden auch durch ge­ringe Al­ko­hol­men­gen ob­jek­tiv ver­schlim­mern. Ebenso dürfte es zu­tref­fen, dass eine Ver­schlim­me­rung der rein körper­li­chen Vor­schädi­gun­gen nur durch Ab­sti­nenz ver­mie­den wer­den kann, nicht aber durch kon­trol­lier­tes Trin­ken an­stelle von un­kon­trol­lier­tem Zu­viel-Trin­ken. Gleich­wohl ist eine dif­fe­ren­zierte Be­trach­tungs­weise ge­bo­ten, da sich der Men­sch - auch nach dem grund­ge­setz­li­chen Men­schen­bild - nicht auf die Funk­ti­onsfähig­keit und das Zu­sam­men­wir­ken sei­ner ein­zel­nen Or­gane be­schränken lässt. Un­strei­tig hat der Kläger die Le­bens­qua­lität der Be­woh­ner durch den von ihm be­schrit­te­nen "neuen Weg" deut­lich ver­bes­sert. Auch wenn das Ge­richt die me­di­zi­ni­sche Rich­tig­keit des wis­sen­schaft­lich um­strit­te­nen An­sat­zes we­der bestäti­gen noch fal­si­fi­zie­ren konnte, war der An­satz schlüssig und nicht un­ver­tret­bar.

Bei den Hofläden han­delte es sich außer­dem um Zweck­be­triebe i.S.d. § 65 AO. Ge­gen­stand der Hofläden war die Ver­sor­gung der be­treu­ten nichts­ess­haf­ten oder von Nichts­ess­haf­tig­keit be­droh­ten Men­schen und die Schaf­fung ei­ner sinn­ge­ben­den Be­schäfti­gungsmöglich­keit für die­sen ar­beits­entwöhn­ten Per­so­nen­kreis durch ein An­ge­bot von Ar­beit so­wie ar­beits­the­ra­peu­ti­scher und an­de­rer the­ra­peu­ti­scher Hil­fen, im Ide­al­fall mit dem Ziel, de­ren Wie­der­ein­glie­de­rung zu er­leich­tern. Die Be­treu­ung war da­bei dar­auf aus­ge­rich­tet, den Men­schen ihre Si­tua­tion be­wusst zu ma­chen und Ih­nen nach Möglich­keit ihre ver­lo­rene Selbst­steue­rungsfähig­keit wie­der­zu­ge­ben. Die Hofläden tra­ten schließlich auch nicht in größerem Um­fang in Wett­be­werb zu steu­er­pflich­ti­gen Be­trie­ben der­sel­ben oder ähn­li­cher Art, als es bei Erfüllung der steu­er­begüns­tig­ten Zwecke un­ver­meid­bar ist.

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