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Steuerberatung

Finanzverwaltung äußert sich zur umsatzsteuerlichen Organschaft

Be­reits mit sei­nem Ur­teil in der Rs. La­ren­tia + Mi­nerva (Ur­teil vom 16.7.2015, C-108/14 und C-109/14) erklärte der Eu­ropäische Ge­richts­hof (EuGH) die deut­sche Or­gan­schafts­re­ge­lung des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG mit der Be­schränkung auf ju­ris­ti­sche Per­so­nen so­wie dem Er­for­der­nis ei­nes Über-/Un­ter­ord­nungs­verhält­nis­ses als un­ver­ein­bar mit dem Uni­ons­recht. Dies hatte den Bun­des­fi­nanz­hof (BFH) dazu ver­an­lasst, in der Folge seine Recht­spre­chung zu ändern. Die Fi­nanz­ver­wal­tung äußerte sich hierzu bis­lang le­dig­lich in ei­ner Rund­verfügung der OFD Frank­furt vom 24.5.2016 mit einem Nicht­an­wen­dungs­er­lass. Nun nimmt das Bun­des­mi­nis­te­rium der Fi­nan­zen (BMF) mit Schrei­ben vom 26.5.2017 um­fang­reich Stel­lung.

Was ändert sich?


Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten können Or­gan­ge­sell­schaf­ten sein

Finanzverwaltung äußert sich zur umsatzsteuerlichen Organschaft© Thinkstock

Die Fi­nanz­ver­wal­tung er­kennt nun auch eine Per­so­nen­ge­sell­schaft aus­nahms­weise als Or­gan­ge­sell­schaft an, wenn diese ent­spre­chend ei­ner ju­ris­ti­schen Per­son fi­nan­zi­ell ein­ge­glie­dert ist. Während es bei ju­ris­ti­schen Per­so­nen je­doch aus­reicht, dass der Or­ganträger die Mehr­heit der Stimm­rechte an der Or­gan­ge­sell­schaft be­sitzt, müssen bei der Be­ur­tei­lung der Ein­glie­de­rung ei­ner Per­so­nen­ge­sell­schaft alle Ge­sell­schaf­ter eben­falls in das Un­ter­neh­men des Or­ganträgers fi­nan­zi­ell ein­ge­glie­dert sein (z. B. durch Mehr­heits­be­tei­li­gung des Or­ganträgers an al­len Ge­sell­schaf­tern der Per­so­nen­ge­sell­schaft). Stimm­rechts­bin­dun­gen und –voll­mach­ten können bei der Be­ur­tei­lung der fi­nan­zi­el­len Ein­glie­de­rung re­gelmäßig nicht berück­sich­tigt wer­den. Aus­nah­men sind le­dig­lich denk­bar, wenn ent­spre­chende Ver­ein­ba­run­gen in der Sat­zung bzw. im Ge­sell­schafts­ver­trag ge­re­gelt sind.
 
Die Fi­nanz­ver­wal­tung schließt sich der en­gen Sicht­weise des V. Se­nats des BFH an, wo­nach GmbH & Co. KGs nicht grundsätz­lich – wie vom XI. Se­nat des BFH zu­ge­las­sen – als Or­gan­ge­sell­schaf­ten in Frage kom­men können. Sie er­kennt aber da­mit letzt­lich auch an­dere Per­so­nen­ge­sell­schaf­ten, wie z. B. die OHG, als taug­li­che Or­gan­ge­sell­schaf­ten an.
 
Be­herr­schungs­ver­trag führt ab Ein­tra­gung zur or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ein­glie­de­rung
 
Die Fi­nanz­ver­wal­tung er­kannte be­reits bis­her an, dass die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ein­glie­de­rung durch einen Be­herr­schungs­ver­trag begründet wer­den kann. Rechts­si­cher­heit schafft das BMF durch seine ein­deu­tige Aus­sage, dass mit der Ein­tra­gung ei­nes Be­herr­schungs­ver­trags ins Han­dels­re­gis­ter von ei­ner or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ein­glie­de­rung aus­zu­ge­hen ist.
 
Über-/Un­ter­ord­nung ist nicht er­for­der­lich, aber...
 
Ein Über-/Un­ter­ord­nungs­verhält­nis zwi­schen dem Or­ganträger und der Or­gan­ge­sell­schaft ist ex­pli­zit nicht ge­for­dert, so­lange die Or­gan­ge­sell­schaft in das Un­ter­neh­men des Or­ganträgers ein­ge­glie­dert ist. Da­mit kann auch eine Ein­heits-GmbH & Co. KG, bei der die KG selbst mehr­heit­lich an ih­rer Kom­ple­mentär-GmbH be­tei­ligt ist, un­ter den wei­te­ren Ein­glie­de­rungs­vor­aus­set­zun­gen ausdrück­lich eine Or­gan­schaft bil­den. Die KG ist Or­ganträger der Kom­ple­mentär-GmbH.
 
... der Or­ganträger muss sei­nen Wil­len ak­tiv durch­set­zen können
 
Bis­lang er­ach­tete die Fi­nanz­ver­wal­tung im Ge­gen­satz zum BFH auch ein Ve­to­recht des Or­ganträgers für die or­ga­ni­sa­to­ri­sche Ein­glie­de­rung für aus­rei­chend. Nun stellt sie klar, dass der Or­ganträger sei­nen Wil­len in der Or­gan­ge­sell­schaft zwin­gend ak­tiv durch­set­zen können muss (z. B. durch Ein­zel­ge­schäftsführungs­be­fug­nis, Letz­tent­schei­dungs­rechte). Die Ver­mei­dung ei­ner ab­wei­chen­den Wil­lens­bil­dung genügt da­mit ausdrück­lich nicht mehr.
 
Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens be­en­det Or­gan­schaft
 
Wird das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen des Or­ganträgers oder der Or­gan­ge­sell­schaft eröff­net, en­det die Or­gan­schaft. So­fern ein vorläufi­ger In­sol­venz­ver­wal­ter des Or­ganträgers oder der Or­gan­ge­sell­schaft wirk­same rechts­ge­schäft­li­che Verfügun­gen des Schuld­ners auf­grund ei­nes Zu­stim­mungs­vor­be­halts nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO ver­hin­dern kann, en­det die Or­gan­schaft so­fort, da eine Be­herr­schung des Or­ganträgers nicht mehr möglich ist. Un­er­heb­lich ist, ob bei dem Or­ganträger und der Or­gan­ge­sell­schaft die­selbe Per­son als Sach­wal­ter, vorläufi­ger In­sol­venz­ver­wal­ter oder In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt wird. Die Grundsätze gel­ten so­wohl bei Fremd- als auch bei Ei­gen­ver­wal­tung. Die Fi­nanz­ver­wal­tung folgt so­mit auch hier der vom BFH ver­tre­te­nen Auf­fas­sung.

Ab wann sind die neuen Grundsätze anzuwenden?
 

Die Grundsätze zum Ende der Or­gan­schaft im In­sol­venz­fall so­wie die Wir­kung des Be­herr­schungs­ver­trags fin­den in al­len noch of­fe­nen Fällen An­wen­dung.
 
Im Übri­gen – ins­be­son­dere hin­sicht­lich der Eig­nung ei­ner Per­so­nen­ge­sell­schaft als Or­gan­ge­sell­schaft so­wie der not­wen­di­gen ak­ti­ven Wil­lens­durch­set­zung für Zwecke der or­ga­ni­sa­to­ri­schen Ein­glie­de­rung – fin­den die Grundsätze zwar erst auf Umsätze An­wen­dung, die nach dem 31.12.2018 aus­geführt wer­den. Je­doch be­steht un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen die Möglich­keit, sich be­reits auf die neue Sicht­weise zu be­ru­fen.

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