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Ausbildungsbetrieb als regelmäßige Arbeitsstätte

BFH 27.2.2014, III R 60/13

Ist ein Aus­zu­bil­den­der im Rah­men ei­nes Aus­bil­dungs­dienst­verhält­nis­ses, aus dem er Einkünfte aus nicht­selbständi­ger Ar­beit er­zielt, dem Aus­bil­dungs­be­trieb zu­ge­ord­net und sucht er die­sen fort­dau­ernd auf, um dort seine für den Aus­bil­dungs­zweck zen­tra­len Tätig­kei­ten zu er­brin­gen, so ist der Aus­bil­dungs­be­trieb re­gelmäßige Ar­beitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG a.F. Al­lein der Um­stand, dass ein Aus­bil­dungs­dienst­verhält­nis re­gelmäßig zeit­lich be­fris­tet ist, reicht nicht aus, um dem Aus­bil­dungs­be­trieb die Qua­li­fi­ka­tion als re­gelmäßige Ar­beitsstätte zu ver­sa­gen.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist der Va­ter des im Juli 1990 ge­bo­re­nen Soh­nes S. S ab­sol­vierte im Jahr 2011 eine be­trieb­li­che Aus­bil­dung. Hier­aus er­zielte er Ein­nah­men aus nicht­selbständi­ger Tätig­keit, die sich nach Ab­zug der Ar­beit­neh­me­ran­teile zur So­zi­al­ver­si­che­rung auf rd. 9.560 € be­lie­fen. Im Streit­zeit­raum Ja­nuar 2011 bis De­zem­ber 2011 fuhr S an 169 Ta­gen zum Aus­bil­dungs­be­trieb (ein­fa­che Ent­fer­nung 12 km) und an 51 Ta­gen zur Be­rufs­schule (ein­fa­che Ent­fer­nung 22 km). Fer­ner leis­tete er einen Ge­werk­schafts­bei­trag i.H.v. rd. 100 €.

Die be­klagte Fa­mi­li­en­kasse hob die zu Guns­ten des Klägers er­folgte Kin­der­geld­fest­set­zung für S im De­zem­ber 2012 von Ja­nuar bis De­zem­ber 2011 auf und for­derte das be­reits aus­ge­zahlte Kin­der­geld i.H.v. 2.280 € vom Kläger zurück. Die Fa­mi­li­en­kasse ist der An­sicht, dass die Einkünfte des S den Grenz­be­trag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG (a.F.) über­schrit­ten hätten. In­so­fern setzte sie die Fahr­ten zum Aus­bil­dungs­be­trieb mit der Ent­fer­nungs­pau­schale und die Fahr­ten zur Be­rufs­schule nach Dienst­rei­se­grundsätzen an.

Das FG gab der Klage statt. Auf die Re­vi­sion der Fa­mi­li­en­kasse hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG ist zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass der Aus­bil­dungs­be­trieb des S nicht als re­gelmäßige Ar­beitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG an­zu­se­hen ist.

Re­gelmäßige Ar­beitsstätte ist da­nach der (orts­ge­bun­dene) Mit­tel­punkt der dau­er­haft an­ge­leg­ten be­ruf­li­chen Tätig­keit des Ar­beit­neh­mers, also der Ort, an dem er seine auf­grund des Dienst­verhält­nis­ses ge­schul­dete Leis­tung zu er­brin­gen hat. Dies ist im Re­gel­fall der Be­trieb des Ar­beit­ge­bers, der der Ar­beit­neh­mer zu­ge­ord­net ist und die er nicht nur ge­le­gent­lich, son­dern fort­dau­ernd und im­mer wie­der auf­sucht. Eine vom Ar­beit­neh­mer be­suchte ar­beit­ge­ber­fremde Bil­dungs­ein­rich­tung stellt keine re­gelmäßige Ar­beitsstätte in die­sem Sinne dar. Ent­spre­chend kann auch eine Aus­bil­dungsstätte im Rah­men ei­nes Dienst­verhält­nis­ses bei be­ruf­li­chen Lehrgängen, Aus­bil­dungs­verhält­nis­sen, Ab­ord­nun­gen oder Fort­bil­dungsmaßnah­men den Cha­rak­ter ei­ner re­gelmäßigen Ar­beitsstätte ha­ben, wenn es sich um eine be­trieb­li­che Ein­rich­tung des Ar­beit­ge­bers han­delt und der Ar­beit­neh­mer diese dau­er­haft, d.h. über einen länge­ren Zeit­raum, auf­sucht. Eine an­dere Be­ur­tei­lung kommt nur in Be­tracht, wenn eine be­ruf­lich ver­an­lasste Bil­dungsmaßnahme außer­halb ei­nes Dienst­verhält­nis­ses durch­geführt wird.

Im Streit­fall ist das FG hin­sicht­lich der Fahr­ten zwi­schen der Woh­nung des S und dem Aus­bil­dungs­be­trieb zu Un­recht da­von aus­ge­gan­gen, dass hierfür die tatsäch­li­chen Kos­ten oder man­gels Ein­zel­nach­weis die Pau­schale von 0,30 € pro ge­fah­re­nem Ki­lo­me­ter an­zu­set­zen seien. Denn der Aus­bil­dungs­be­trieb stellte eine be­trieb­li­che Ein­rich­tung des Ar­beit­ge­bers dar, der S durch sei­nen Aus­bil­dungs­ver­trag zu­ge­ord­net war und in der er über einen länge­ren Zeit­raum - je­den­falls die ge­samte Dauer sei­nes Aus­bil­dungs­verhält­nis­ses - fort­dau­ernd und im­mer wie­der seine durch den Aus­bil­dungs­cha­rak­ter geprägte be­ruf­li­che Leis­tung ge­genüber sei­nem Ar­beit­ge­ber zu er­brin­gen hatte. Die Aus­bil­dung im Aus­bil­dungs­be­trieb bil­dete auch den Kern des ge­sam­ten Aus­bil­dungs­verhält­nis­ses, so dass sich der Aus­bil­dungs­be­trieb als orts­ge­bun­de­ner Mit­tel­punkt der be­ruf­li­chen Tätig­keit des S dar­stellte.

Im Streit­fall fand die Aus­bil­dung in einem herkömm­li­chen Aus­bil­dungs­dienst­verhält­nis statt, in des­sen Rah­men S be­reits Einkünfte aus nicht­selbständi­ger Ar­beit er­zielte. Zu­dem ist ein der be­trieb­li­chen Aus­bil­dung die­nen­des Ar­beits­verhält­nis - wie das, in dem sich S be­fand - auch nicht ty­pi­scher­weise vorüber­ge­hend, weil es sich häufig nach Aus­bil­dungs­ende in einem re­gulären Ar­beits­verhält­nis im sel­ben Be­trieb fort­setzt. Der er­ken­nende Se­nat kann § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG kei­nen An­halts­punkt dafür ent­neh­men, dass ein Aus­zu­bil­den­der im Aus­bil­dungs­be­trieb nicht seine re­gelmäßige Ar­beitsstätte hat, ob­wohl er die­sem Aus­bil­dungs­be­trieb für die ge­samte Aus­bil­dungs­zeit zu­ge­wie­sen ist, dort für meh­rere Jahre im­mer wie­der tätig wird und seine für das Aus­bil­dungs­verhält­nis zen­tra­len Leis­tun­gen er­bringt.

Link­hin­weis:

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