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Ablaufhemmung des § 171 Abs. 14 AO im Gewerbesteuerverfahren

BFH 5.2.2014, X R 1/12

Die Ab­lauf­hem­mung des § 171 Abs. 14 AO ist auf den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid als Grund­la­gen­be­scheid we­der un­mit­tel­bar noch ent­spre­chend an­wend­bar. Der gem. § 181 Abs. 5 S. 2 AO er­for­der­li­che Hin­weis dient nicht nur der Begründung, son­dern hat Re­ge­lungs­cha­rak­ter.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger er­zielte im Streit­jahr 1997 u.a. als Be­rufs­sport­ler und Trai­ner Einkünfte aus Ge­wer­be­be­trieb. Seit 1994 war der Kläger zu­dem In­ha­ber zahl­rei­cher ein­ge­tra­ge­ner Mar­ken mit der Be­zeich­nung A. An der Schaf­fung und Ver­wer­tung der Marke A wirkte da­bei sein Ge­schäfts­part­ner B als stil­ler Ge­sell­schaf­ter mit. Ende des Jah­res 1998 veräußerte der Kläger seine Mar­ken­rechte. Die Ein­nah­men aus der Ver­wer­tung der Mar­ken­rechte er­fasste er un­ter Ab­set­zung der an B wei­ter­ge­ge­be­nen An­teile im Rah­men sei­ner Ge­winn­er­mitt­lun­gen als Ein­zel­un­ter­neh­mer. Das Fi­nanz­amt setzte den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag für das Streit­jahr 1997 mit Be­scheid vom 12.5.1999 zunächst auf die­ser Grund­lage ein­heit­lich fest.

Nach ei­ner 2003 durch­geführ­ten Außenprüfung ge­lang­ten der Kläger und das Fi­nanz­amt übe­rein­stim­mend zu der An­sicht, dass es sich bei der zwi­schen dem Kläger und B zum Zwecke der Ver­wer­tung der Marke A gegründe­ten In­nen­ge­sell­schaft um eine Mit­un­ter­neh­mer­schaft ge­han­delt habe, de­ren Einkünfte ein­heit­lich und ge­son­dert fest­zu­stel­len seien. Im An­schluss an die Außenprüfung änderte das Fi­nanz­amt im April 2004 den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid 1997 u.a. in der Weise, dass es aus der Er­mitt­lung des Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trags die­je­ni­gen Be­steue­rungs­grund­la­gen her­aus­nahm, die die Mit­un­ter­neh­mer­schaft be­tra­fen. Die­ser Be­scheid wurde be­standskräftig.

Un­ter der zu­vor für die Mit­un­ter­neh­mer­schaft ver­ge­be­nen Steu­er­num­mer rich­tete das Fi­nanz­amt un­ter dem­sel­ben Da­tum außer­dem einen Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid 1997 für "GbR [Nach­name des Klägers] und [Nach­name des B] "A" [An­schrift]" an die da­ma­lige Steu­er­be­ra­te­rin des Klägers als Zu­stel­lungs­be­vollmäch­tigte. Die Ge­meinde C setzte mit einem eben­falls im April 2004 er­gan­ge­nen Be­scheid die Ge­wer­be­steuer für 1997 fest. Den fest­ge­setz­ten Be­trag be­gli­chen der Kläger und B im zwei­ten Halb­jahr 2005. Ihr Ein­spruch ge­gen den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid 1997 für die GbR blieb ohne Er­folg. In einem sich an­schließen­den ers­ten Kla­ge­ver­fah­ren be­rie­fen sich der Kläger und B dar­auf, der Mess­be­scheid sei auf­zu­he­ben, da eine In­nen­ge­sell­schaft nicht Schuld­ne­rin der Ge­wer­be­steuer sein könne. Dem kam das Fi­nanz­amt im April 2009 nach. Die Be­tei­lig­ten erklärten das Kla­ge­ver­fah­ren dar­auf­hin übe­rein­stim­mend für er­le­digt.

Nach vor­he­ri­ger Anhörung und einem auf § 171 Abs. 14 AO gestütz­ten Hin­weis da­hin­ge­hend, die Fest­set­zungs­frist sei im Hin­blick auf einen Er­stat­tungs­an­spruch ge­gen die Ge­meinde C noch nicht ab­ge­lau­fen, setzte das Fi­nanz­amt mit dem im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren an­ge­foch­te­nen Be­scheid vom 30.4.2009 den Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag für 1997 ge­genüber dem Kläger be­tref­fend den Ge­wer­be­be­trieb der von ihm mit B begründe­ten In­nen­ge­sell­schaft "A" der Höhe nach un­verändert fest. Am sel­ben Tag setzte die Ge­meinde C die Ge­wer­be­steuer für die "GbR A" zunächst auf 0 € herab. Im Rah­men der Ab­rech­nung wurde aus­geführt, das aus der Über­zah­lung ent­stan­dene Gut­ha­ben werde mit der früheren For­de­rung ver­rech­net. Un­ter die­sem Bu­chungs­zei­chen setzte die Ge­meinde C eben­falls noch am 30.4.2009 die Ge­wer­be­steuer für 1997 der Höhe nach un­verändert ge­genüber dem Kläger fest.

Das FG wies die ge­gen die Mess­be­trags­fest­set­zung ge­rich­tete Klag ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Das FG ist zwar zu Recht da­von aus­ge­gan­gen, dass auf der Stufe des Grund­la­gen­be­scheids § 171 Abs. 14 AO nicht ein­schlägig ist. Es ist im Er­geb­nis wei­ter zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass der Mess­be­scheid für das Jahr 1997 im Jahr 2009 nach § 181 Abs. 5 S. 1 AO noch er­ge­hen durfte, wenn in Be­zug auf die Ge­wer­be­steuer der Ab­lauf der Fest­set­zungs­frist nach § 171 Abs. 14 AO ge­hemmt war. Da es in­des an dem er­for­der­li­chen Hin­weis i.S.d. § 181 Abs. 5 S. 2 AO fehlt, ist der Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid 1997 gleich­wohl rechts­wid­rig.

Der Ab­lauf der für die Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trags­fest­set­zung gel­ten­den Fest­set­zungs­frist wurde nicht durch § 171 Abs. 14 AO ge­hemmt. Nach die­ser Vor­schrift en­det die Fest­set­zungs­frist für einen Steu­er­an­spruch nicht, so­weit ein da­mit zu­sam­menhängen­der Er­stat­tungs­an­spruch nach § 37 Abs. 2 AO noch nicht i.S.d. § 228 AO verjährt ist. Beim Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid han­delt es sich je­doch um einen Grund­la­gen­be­scheid, der kei­nen un­mit­tel­ba­ren An­spruch des Fi­nanz­amts begründet, son­dern aus­schließlich einen Mess­be­trag - als Be­steue­rungs­grund­lage - fest­setzt. Die Ge­wer­be­steuer wird erst auf der zwei­ten Stufe von der Ge­meinde fest­ge­setzt. Al­lein die Ge­meinde hat einen Steu­er­an­spruch ge­gen den Ge­wer­be­steu­er­schuld­ner und nur ge­gen die Ge­meinde be­steht ggf. ein Er­stat­tungs­an­spruch.

Die Ab­lauf­hem­mung des § 171 Abs. 14 AO ist des­halb al­lein auf der Stufe der Ge­wer­be­steuer als Fol­ge­steuer ein­schlägig. Eine - über den Ver­weis des § 184 Abs. 1 S. 3 AO grundsätz­lich denk­bare - sinn­gemäße An­wen­dung der an einen mit dem Steu­er­an­spruch zu­sam­menhängen­den Er­stat­tungs­an­spruch anknüpfen­den Ab­lauf­hem­mung des § 171 Abs. 14 AO auf der Ebene des Mess­be­scheids wäre nicht sinn­voll, da mit dem Mess­be­trag als Be­steue­rungs­grund­lage für die Ge­wer­be­steuer kein Er­stat­tungs­an­spruch zu­sam­menhängt.

Der Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid vom 30.4.2009 ist aber rechts­wid­rig, weil es an dem nach § 181 Abs. 5 S. 2 AO er­for­der­li­chen Hin­weis fehlt. Gemäß die­ser Vor­schrift hat das Fi­nanz­amt bei Er­lass ei­nes Fest­stel­lungs­be­scheids nach Ab­lauf der Fest­stel­lungs­frist in dem Be­scheid dar­auf hin­zu­wei­sen, dass die ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nur noch für sol­che Steu­er­fest­set­zun­gen Be­deu­tung ha­ben sol­len, für die die Fest­set­zungs­frist im Zeit­punkt der ge­son­der­ten Fest­stel­lung noch nicht ab­ge­lau­fen ist. Die­ser Hin­weis hat nicht bloße Begründungs­funk­tion, son­dern Re­ge­lungs­cha­rak­ter, weil mit ihm der (zeit­li­che) Gel­tungs­be­reich der ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen ab­wei­chend von § 182 Abs. 1 AO be­stimmt und da­mit rechts­ge­stal­tend auf das Steu­er­rechts­verhält­nis ein­ge­wirkt wird.

Für den Steu­er­pflich­ti­gen und die für den Fol­ge­be­scheid zuständige Behörde muss des­halb er­kenn­bar sein, dass es sich um einen Fest­stel­lungs­be­scheid han­delt, der le­dig­lich für sol­che Steu­er­fest­set­zun­gen be­deut­sam ist, bei de­nen die Fest­set­zungs­frist noch nicht ab­ge­lau­fen ist. Nichts an­de­res gilt im Streit­fall. Im Hin­blick auf die Be­son­der­heit der Ab­lauf­hem­mung des § 171 Abs. 14 AO, wo­nach die nachträgli­che Steu­er­fest­set­zung nur möglich ist, "so­weit" ein Er­stat­tungs­an­spruch be­steht, dürfte die Ge­meinde C den vom Fi­nanz­amt fest­ge­setz­ten Ge­wer­be­steu­er­mess­be­trag nicht un­be­se­hen der Ge­wer­be­steu­er­fest­set­zung zu­grunde le­gen. Einen sol­chen Hin­weis enthält der streit­ge­genständ­li­che Ge­wer­be­steu­er­mess­be­scheid un­strei­tig nicht.

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