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§ 283b Abs. 1 Nr. 3 a StGB kein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB

BGH v. 11.12.2018 - II ZR 455/17

§ 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB (In­sol­venz­straf­ta­ten) ist kein Schutz­ge­setz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB. Das in § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB ent­hal­tene ge­setz­li­che Ver­bot ist nicht hin­rei­chend kon­kret, da es an einem be­stimm­ba­ren Per­so­nen­kreis fehlt. Es genügt nicht, dass der Kreis der ge­schütz­ten Per­so­nen durch den Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hang zwi­schen Schutz­ge­setz­ver­let­zung und Scha­den ein­ge­grenzt wer­den kann.

Der Sach­ver­halt:

Die Be­klag­ten wa­ren al­lei­nige Vor­stands­mit­glie­der der H-AG und al­lei­nige Ge­schäftsführer der H-GmbH. Die H-AG war al­lei­nige Ge­sell­schaf­te­rin der H-GmbH. Über das Vermögen der Ge­sell­schaf­ten, die über einen Be­herr­schungs- und Ge­winn­abführungs­ver­trag ver­bun­den wa­ren, war je­weils am 1.5.2013 das In­sol­venz­ver­fah­ren we­gen Zah­lungs­unfähig­keit und Über­schul­dung eröff­net wor­den.

Die Kläge­rin ist eine Spar­kasse. Sie stand be­reits seit meh­re­ren Jah­ren mit dem H-Kon­zern in Ge­schäfts­ver­bin­dung, als die­ser im Jahr 2011 im Hin­blick auf ein er­war­te­tes Um­satz­wachs­tum In­ves­ti­tio­nen in einen Stand­ort plante. Da­bei sollte die Kläge­rin im Rah­men ei­nes Kon­sor­ti­al­kre­dits der H-GmbH ins­ge­samt 12,3 Mio. € zur Verfügung stel­len. Zu die­sem Zweck hat­ten die Kläge­rin und die H-GmbH im Fe­bruar 2012 meh­rere Dar­le­hens­verträge ab­ge­schlos­sen. Diese sa­hen als Kündi­gungs­grund u.a. das Un­ter­schrei­ten be­stimm­ter Fi­nanz­kenn­zah­len (Ka­pi­tal­dienst­de­ckungs­grad und Ei­gen­mit­tel­quote) vor, die als "Schwelle II" be­zeich­net und näher de­fi­niert wur­den.

Die Kläge­rin be­gehrte im Rah­men ei­ner of­fe­nen Teil­klage Scha­dens­er­satz i.H.v. 500.000 €. Sie war der An­sicht, nach Ab­schluss der Dar­le­hens­verträge seien ihr wei­tere Un­ter­la­gen der Ge­sell­schaf­ten über­mit­telt wor­den, ins­be­son­dere Ende Fe­bruar 2012 die be­triebs­wirt­schaft­li­chen Aus­wer­tun­gen der H-AG und der H-GmbH für das Jahr 2011 so­wie im Mai 2012 der Jah­res­ab­schluss der H-AG zum 31.12.2011. Da­nach sei es im Jahr 2012 zur Aus­zah­lung der Dar­le­hen i.H.v. 9 Mio. € ge­kom­men. Auf­grund ei­ner un­zu­tref­fen­den Buchführung bezüglich Jah­res­um­satz und -über­schuss, die den Be­klag­ten be­kannt ge­we­sen sei, habe die Kläge­rin aus den vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen ein un­zu­tref­fen­des Bild über die wirt­schaft­li­che Lage der Ge­sell­schaf­ten ge­won­nen, ins­be­son­dere sei für sie nicht er­kenn­bar ge­we­sen, dass die Fi­nanz­kenn­zah­len die "Schwelle II" tatsäch­lich nicht ein­ge­hal­ten hätten. Un­ter Berück­sich­ti­gung der Ver­wer­tungs­erlöse sei ihr ein Scha­den von knapp 7 Mio. € ent­stan­den.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hat der BGH die Ur­teile der Vor­in­stan­zen auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Be­ru­fungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen.

Gründe:

Das Be­ru­fungs­ur­teil mus­ste auf­ge­ho­ben wer­den, weil die Be­ru­fungs­anträge nicht mit­ge­teilt wa­ren und es da­mit den An­for­de­run­gen des § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht genügte.

Für das wei­tere Ver­fah­ren weist der Se­nat dar­auf hin, dass die recht­li­chen Erwägun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts die Ab­wei­sung der Klage nicht durch­weg tra­gen, denn mit der Begründung des Be­ru­fungs­ge­richts kann ein An­spruch der Kläge­rin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 265b StGB nicht ver­neint wer­den. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des OLG muss auf Grund­lage des Vor­trags der Kläge­rin ein be­ding­ter Vor­satz der Be­klag­ten hin­sicht­lich der Er­heb­lich­keit der Un­ter­la­gen für ihre Ent­schei­dung über die Va­lu­tie­rung des Kre­dits im Rah­men der Prüfung des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 265b StGB be­jaht wer­den. Den Be­klag­ten wa­ren die Feh­ler­haf­tig­keit der Un­ter­la­gen und der Ver­stoß ge­gen die Buchführungs­pflich­ten schließlich be­kannt.

Wei­ter­hin liegt es auf der Hand, dass den Be­klag­ten als Ge­schäftsführern der H-GmbH und Vorständen der H-AG die we­sent­li­chen Grundzüge der Kre­dit­verträge mit der Kläge­rin, die sie selbst un­ter­zeich­net hat­ten, be­kannt wa­ren. Dar­aus lässt sich im ge­schäft­li­chen Ver­kehr auch der Schluss zie­hen, dass sich die Be­klag­ten über die Be­deu­tung der Un­ter­la­gen für eine Va­lu­tie­rung oder Kündi­gung der Kre­dite be­wusst wa­ren. Es ist ent­ge­gen der An­nahme des Be­ru­fungs­ge­richts al­len­falls ein sehr schwa­ches In­diz ge­gen einen be­ding­ten Vor­satz der Be­klag­ten, dass die Va­lu­tie­rung der Dar­le­hen von der Vor­lage der Do­ku­mente un­abhängig war.

Auch eine Haf­tung der Be­klag­ten aus § 826 BGB kann mit der Begründung des OLG nicht ver­neint wer­den. Die Kläge­rin hatte vor­ge­tra­gen, die Be­klag­ten hätten be­wusst Um­sat­zerlöse in die Han­delsbücher ein­ge­bucht, die tatsäch­lich nicht be­stan­den, so dass es ihr vor der streit­ge­genständ­li­chen Va­lu­tie­rung der Kre­dite nicht möglich ge­we­sen sei, die we­sent­li­che Ver­schlech­te­rung der Vermögens­verhält­nisse der H-GmbH und der H-AG an­hand der vor­ge­leg­ten Un­ter­la­gen zu er­ken­nen. An­ge­sichts die­ses in der Re­vi­si­ons­in­stanz als zu­tref­fend zu un­ter­stel­len­den Vor­brin­gens hat das Be­ru­fungs­ge­richt rechts­feh­ler­haft einen Scha­dens­er­satz­an­spruch der Kläge­rin aus § 826 BGB mit der Begründung ab­ge­lehnt, die Kläge­rin habe kei­nen aus­rei­chen­den Vor­trag zum Schädi­gungs­vor­satz der Be­klag­ten ge­hal­ten und es fehle an der Dar­le­gung, dass die Be­klag­ten bil­li­gend in Kauf ge­nom­men hätten, die Kläge­rin werde bei ei­ner ord­nungs­gemäßen Führung des Buch­werks die Kre­dite kündi­gen.

Ein An­spruch der Kläge­rin aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 283b Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3 StGB schei­det hin­ge­gen aus. Ins­be­son­dere hat das Be­ru­fungs­ge­richt zu Recht einen An­spruch der Kläge­rin mit der Begründung ver­neint, dass § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB kein Schutz­ge­setz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB ist. Das in § 283b Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a StGB ent­hal­tene ge­setz­li­che Ver­bot ist nicht hin­rei­chend kon­kret, da es an einem be­stimm­ba­ren Per­so­nen­kreis fehlt. Der Per­so­nen­kreis muss von vorn­her­ein durch die Norm ge­schützt sein. Es genügt nicht, dass der Kreis der ge­schütz­ten Per­so­nen durch den Zu­rech­nungs­zu­sam­men­hang zwi­schen Schutz­ge­setz­ver­let­zung und Scha­den ein­ge­grenzt wer­den kann. An­de­ren­falls würde je­des Straf­ge­setz zu einem Schutz­ge­setz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.

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