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Antidumpingzoll auf Einfuhren von Lederschuhe aus China und Vietnam teilweise rechtswidrig

EuGH 4.2.2016, C‑659/13 u.a.

Die Ver­ord­nung zur Einführung ei­nes An­ti­dum­ping­zolls auf die Ein­fuh­ren be­stimm­ter Le­der­schuhe mit Ur­sprung in China und Viet­nam in die Union ist teil­weise ungültig. Der Rat und die Kom­mis­sion ha­ben beim Er­lass der Ver­ord­nung be­stimmte Ver­fah­rens­re­geln nicht be­ach­tet.

Der Sach­ver­halt:
Im Ok­to­ber 2006 er­ließ der Rat der EU die Ver­ord­nung (EG) Nr. 1472/2006 zur Einführung ei­nes An­ti­dum­ping­zolls auf be­stimmte aus China und Viet­nam in die EU ein­geführte Le­der­schuhe. Der An­ti­dum­ping­zoll wurde für die von in China nie­der­ge­las­se­nen Un­ter­neh­men her­ge­stell­ten Schuhe auf 16,5 % fest­ge­setzt (mit Aus­nahme des Un­ter­neh­mens Gol­den Step, für das der An­ti­dum­ping­zoll auf 9,7 % fest­ge­setzt wurde) und für die von in Viet­nam nie­der­ge­las­se­nen Un­ter­neh­men her­ge­stell­ten Schuhe auf 10 %.

+++ C-659/13 +++
In den Jah­ren 2010 und 2012 be­an­tragte Clark, der kla­gende bri­ti­sche Schuh­her­stel­ler und -ein­zelhänd­ler in die­sem Ver­fah­ren, bei der Steuer- und Zoll­ver­wal­tung des Ver­ei­nig­ten König­reichs die Er­stat­tung des von ihm auf die Ein­fuhr von Schu­hen in die Union im Zeit­raum vom 1.7.2007 bis 31.8.2010 ent­rich­te­ten An­ti­dum­ping­zolls i.H.v. rd. 60 Mio. €. Das Un­ter­neh­men begründete sei­nen An­trag da­mit, dass die Ver­ord­nung, mit der der An­ti­dum­ping­zoll ein­geführt wor­den sei, ungültig sei. Nach­dem die­ser An­trag ab­ge­lehnt wor­den war, er­hob Clark Klage beim erst­in­stanz­li­chen Ge­richt, Ab­tei­lung Steu­er­sa­chen.

+++ C-34/14 +++
In den Jah­ren 2011 und 2012 be­an­tragte das kla­gende deut­sche Sport­ar­ti­kel­un­ter­neh­men Puma beim Haupt­zoll­amt Nürn­berg die Er­stat­tung des An­ti­dum­ping­zolls auf die Ein­fuhr der glei­chen Wa­ren und machte eben­falls die Ungültig­keit der Ver­ord­nung gel­tend. Der Be­trag, um den es ging, be­lief sich auf rd. 5,1 Mio. €. Nach­dem sein An­trag ab­ge­lehnt wor­den war, er­hob Puma Klage vor dem FG München.

Die bei­den Ge­richte ha­ben Zwei­fel an der Gültig­keit der Ver­ord­nung und wen­den sich in die­sem Zu­sam­men­hang im Wege des Vor­ab­ent­schei­dungs­er­su­che an den EuGH, der beide Ver­fah­ren zu ei­ner Rechts­sa­che ver­bun­den hat.

Die Gründe:
Die Ver­ord­nung zur Einführung ei­nes An­ti­dum­ping­zolls auf die Ein­fuh­ren be­stimm­ter Schuhe mit Ur­sprung in China und Viet­nam ist teil­weise ungültig.

In Fällen, in de­nen die An­zahl der von ei­ner An­ti­dum­ping­un­ter­su­chung be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men sehr groß ist, kann die Kom­mis­sion be­schließen, diese Un­ter­su­chung durch Stich­pro­ben ausführen­der Her­stel­ler, die nach den nor­ma­len sta­tis­ti­schen Ver­fah­ren ge­bil­det wer­den, auf eine ver­tret­bare An­zahl von Par­teien zu be­schränken. Im Uni­ons­recht ist die Grund­re­gel fest­ge­legt, wo­nach die Er­mitt­lung des Nor­mal­werts ei­ner Ware, die eine der we­sent­li­chen Etap­pen zur Fest­stel­lung ei­nes Dum­pings dar­stellt, grundsätz­lich auf die Preise zu stützen ist, die un­abhängige Ab­neh­mer in den Aus­fuhrländern im nor­ma­len Han­dels­ver­kehr zu zah­len ha­ben.

Im Fall von Ein­fuh­ren u.a. aus China, Viet­nam und aus Ländern ohne Markt­wirt­schaft, die zum Zeit­punkt der Ein­lei­tung der Un­ter­su­chung Mit­glied der Welt­han­dels­or­ga­ni­sa­tion (WTO) sind, wird der Nor­mal­wert nach der Grund­re­gel er­mit­telt, so­fern sich nach Prüfung der ord­nungs­gemäß begründe­ten Anträge ei­nes oder meh­re­rer in die­sen Ländern nie­der­ge­las­se­ner Her­stel­ler, die von der Un­ter­su­chung be­trof­fen sind, er­weist, dass für die­sen oder diese Her­stel­ler markt­wirt­schaft­li­che Be­din­gun­gen herr­schen. Da­durch sol­len markt­wirt­schaft­li­chen Be­din­gun­gen un­ter­lie­gende Her­stel­ler, die in den be­tref­fen­den Ländern ent­stan­den sind, einen Sta­tus be­an­spru­chen können, der ih­rer in­di­vi­du­el­len Si­tua­tion und nicht der Si­tua­tion in dem Land, in dem sie nie­der­ge­las­sen sind, ins­ge­samt ent­spricht.

Der Rat und die Kom­mis­sion sind stets ver­pflich­tet, über den An­trag auf Markt­wirt­schafts­be­hand­lung ei­nes Her­stel­lers zu ent­schei­den, und zwar auch dann, wenn eine Stich­probe ge­bil­det wird. Vor­lie­gend ha­ben der Rat und die Kom­mis­sion nicht über die Anträge auf Markt­wirt­schafts­be­hand­lung der nicht in die Stich­probe ein­be­zo­ge­nen chi­ne­si­schen und viet­na­me­si­schen ausführen­den Her­stel­ler ent­schie­den. Die Ver­ord­nung ist da­her in­so­weit ungültig. Rat und Kom­mis­sion sind grundsätz­lich ver­pflich­tet, in ei­ner Ver­ord­nung, mit der An­ti­dum­pingzölle verhängt wer­den, den Zoll für je­den ein­zel­nen be­trof­fe­nen ausführen­den Her­stel­ler fest­zu­set­zen, es sei denn, diese in­di­vi­du­elle Be­hand­lung ist nicht prak­ti­ka­bel. Für Länder ohne Markt­wirt­schaft be­schränkt sich eine sol­che Ver­ord­nung je­doch dar­auf, die Höhe des er­ho­be­nen An­ti­dum­ping­zolls auf der Ebene des Lie­fer­lan­des fest­zu­set­zen.

Hin­ge­gen müssen die Or­gane für ausführende Her­stel­ler, die in einem Land ohne Markt­wirt­schaft nie­der­ge­las­sen sind, einen in­di­vi­du­el­len An­ti­dum­ping­zoll fest­set­zen, wenn diese Her­stel­ler an­hand ord­nungs­gemäß begründe­ter Anträge nach­wei­sen, dass sie die Kri­te­rien, die eine in­di­vi­du­elle Be­hand­lung recht­fer­ti­gen, erfüllen. In­so­weit sind Rat und Kom­mis­sion grundsätz­lich ver­pflich­tet, die bei ih­nen ge­stell­ten Anträge auf in­di­vi­du­elle Be­hand­lung zu prüfen und über sie zu ent­schei­den, und zwar auch dann, wenn eine Stich­probe ge­bil­det wird. Vor­lie­gend ha­ben der Rat und die Kom­mis­sion nicht über die Anträge auf in­di­vi­du­elle Be­hand­lung der nicht in Stich­probe ein­be­zo­ge­nen chi­ne­si­schen und viet­na­me­si­schen ausführen­den Her­stel­ler ent­schie­den, die Ver­ord­nung ist da­her auch in­so­weit ungültig.

Link­hin­weis:

Für den auf den Web­sei­ten des EuGH veröff­ent­lich­ten Voll­text der Ent­schei­dung kli­cken Sie bitte hier.

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