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Umsätze aus Schwimm- und Aqua-Fitnesskursen privater Anbieter sind nicht steuerfrei

Urteil des FG Münster vom 13.12.2011 - 15 K 1041/08 U

Die Umsätze aus Schwimm- und Aqua-Fit­ness­kur­sen ei­nes pri­va­ten An­bie­ters un­ter­fal­len nicht der Steu­er­be­frei­ung nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG, wenn die Kurse nicht in den Leis­tungs­ka­ta­log der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen auf­ge­nom­men sind bzw. die Teil­nahme an die­sen Kur­sen für die Teil­neh­mer ärzt­lich ver­ord­net ist. Ein Steu­er­pflich­ti­ger er­langt die Ei­gen­schaft als Ein­rich­tung mit so­zia­lem Cha­rak­ter nicht schon da­durch, dass er sich auf die Richt­li­nie be­ruft.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte das er­ste Staats­ex­amen für Lehr­amt in den Fächern Sport und Phy­sik ab­ge­legt. Ab Juni 2000 be­trieb er eine Schwimm­schule, für die er in den Streit­jah­ren 2005 bis 2007 über keine Kran­ken­kas­sen­zu­las­sung verfügte. Mit über­wie­gend Phy­sio­the­ra­peu­ten, führte er u.a. Was­ser­gym­nas­tik wie Aqua-Jog­ging bzw. Aqua-Fit­ness in Hal­lenbädern durch, die er vom je­wei­li­gen kom­mu­na­len Be­trei­ber stun­den­weise an­ge­mie­tet hatte.

Die Kurs­teil­neh­mer zahl­ten für die Teil­nahme an den Kur­sen einen Be­trag, der auch das Ein­tritts­geld für die Hal­len­bad­be­nut­zung um­fasste. Auf der Grund­lage des § 20 SGB V er­stat­te­ten die Kran­ken­kas­sen die für die Aqua-Fit­ness-Kurse er­ho­be­nen Ent­gelte ganz oder teil­weise an die Kurs­teil­neh­mer, da sie die Kurse als Leis­tung zur ge­sund­heit­li­chen Präven­tion an­sa­hen. Der Kläger gab für die Streit­jahre keine Um­satz­steuer-Erklärun­gen ab, da er seine Umsätze gem. §§ 4 Nr. 14, Nr. 21, Nr. 22 UStG bzw. nach Art. 13 Teil A Abs. 1c, h, i, j der Richt­li­nie 77/388/EWG als steu­er­frei an­sah.

Das Fi­nanz­amt nahm an hin­ge­gen an, dass der Kläger keine steu­er­freien Umsätze aus­geführt habe. Er habe we­der Heil­be­hand­lun­gen i.S.v. § 4 Nr. 14 S. 1 UStG noch dem Ge­mein­wohl die­nende Tätig­kei­ten i.S.v. § 4 Nr. 22 UStG aus­geführt. In­fol­ge­des­sen er­ließ es ent­spre­chende USt-Be­scheide.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Die Re­vi­sion zum BFH wurde nicht zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Die im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren strei­ti­gen Umsätze un­ter­fie­len nicht der Steu­er­be­frei­ung nach § 4 Nr. 14 S. 1 UStG.

Die Steu­er­frei­heit setzt vor­aus, dass der Un­ter­neh­mer eine Heil­be­hand­lung im Be­reich der Hu­man­me­di­zin durch ärzt­li­che oder arztähn­li­che Leis­tung er­bringt und die dafür er­for­der­li­che Qua­li­fi­ka­tion be­sitzt. Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger konnte nicht nach­wei­sen, dass seine Schwimm­kurse bzw. die von ihm durch­geführte Was­ser­gym­nas­tik in den Leis­tungs­ka­ta­log der ge­setz­li­chen Kran­ken­kas­sen auf­ge­nom­men wa­ren bzw. die Teil­nahme an die­sen Kur­sen für die Kurs­teil­neh­mer ärzt­lich ver­ord­net war. So­fern ei­nige Kran­ken­kas­sen ih­ren Mit­glie­dern die Kurs­gebühren ganz oder teil­weise auf der Grund­lage des § 20 SGB V er­stat­tet hat­ten, genügte diese "frei­wil­lige" Kos­ten­tra­gung nicht, um den be­ruf­li­chen Befähi­gungs­nach­weis zu er­brin­gen.

Ohne Er­folg be­rief sich der Kläger zu­dem auf Art. 13 Teil A Abs. 1g bzw. h der Richt­li­nie 77/388/EWG (= 132 Abs. 1g bzw. h der MwSt­Sys­tRl). Denn ein Steu­er­pflich­ti­ger er­langt die Ei­gen­schaft als Ein­rich­tung mit so­zia­lem Cha­rak­ter nicht schon da­durch, dass er sich auf die Richt­li­nie be­ruft. Viel­mehr ist es die Sa­che der na­tio­na­len Behörden, un­ter Berück­sich­ti­gung der Pra­xis der zuständi­gen Ver­wal­tung zu be­stim­men, wel­che Ein­rich­tun­gen als Ein­rich­tun­gen mit so­zia­lem Cha­rak­ter an­zu­er­ken­nen sind. Die An­er­ken­nung kann nach BFH-Recht­spre­chung (Urt. v. 8.6.2011, Az.: XI R 22/09) aus der Über­nahme der Kos­ten für seine Leis­tun­gen durch eine für die Gewähr­leis­tung der so­zia­len Si­cher­heit zuständige Ein­rich­tung, d.h. einen So­zi­al­ver­si­che­rungsträger, wie auch aus der An­er­ken­nung als so­ziale Ein­rich­tung in ei­ner ent­spre­chen­den Be­schei­ni­gung der na­tio­na­len Behörden ab­ge­lei­tet wer­den. Beide Al­ter­na­ti­ven wa­ren hier je­doch nicht erfüllt.

Selbst der Um­stand, dass die Fi­nanz­ver­wal­tung von den Volks­hoch­schu­len aus­geführte Schwimm­kurse als steu­er­be­freite Umsätze er­ach­tet, führte nicht zur Rechts­wid­rig­keit der hier streit­ge­genständ­li­chen USt-Be­scheide we­gen Ver­stoßes ge­gen das Gleich­be­hand­lungs­ge­bot des Art. 3 GG. Dem Ge­setz­ge­ber ist es nicht ver­wehrt, (Bil­dungs)-Leis­tun­gen, die von einem auf Ein­nah­me­er­zie­lungs­ab­sicht aus­ge­rich­te­ten Un­ter­neh­mer er­bracht wer­den, an­ders zu be­steu­ern als Leis­tun­gen, die von Bil­dungsträgern wie den Volks­hoch­schu­len er­bracht wer­den, so­fern de­ren ori­ginärer Zweck nicht in der Er­zie­lung von Ein­nah­men, son­dern in der Ver­mitt­lung von Bil­dungs­zie­len be­steht. Al­lein der Um­stand, dass der Kläger mit sei­nem An­ge­bot in Kon­kur­renz zu den An­ge­bo­ten primär nicht auf die Er­zie­lung von Ein­nah­men aus­ge­rich­te­ter Bil­dungsträger tritt, ge­bie­tet es nicht, auch seine Umsätze steu­er­frei zu be­las­sen.

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