Der Sachverhalt:
Seit den 1990er Jahren hielt der frühere italienische Ministerpräsident Berlusconi, Mehrheitseigner der Fininvest SpA, über diese Gesellschaft einen Anteil von mehr als 30 % an der gemischten Finanzholdinggesellschaft Mediolanum SpA, die wiederum 100 % der Anteile an der Banca Mediolanum SpA hielt. Im Jahr 2014 erstreckte Italien die für Bankinstitute geltende Leumundsanforderung auch auf das Leitungspersonal von gemischten Finanzholdinggesellschaften. Fininvest beantragte daraufhin bei der der nationalen zuständigen Behörde (Banca d"Italia) eine Genehmigung für das Halten einer qualifizierten Beteiligung an der Mediolanum SpA. Dieser Antrag wurde im selben Jahr abgelehnt, da Herr Berlusconi aufgrund einer rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs im Jahr 2013 nicht die Leumundsanforderung erfülle. Die Banca d"Italia ordnete daher die Veräußerung der Beteiligungen an, die den gesetzlich vorgesehenen Schwellenwert von 9,999 % überstiegen.
Dieses Verfahren endete mit einem Beschluss der EZB vom 25.10.2016, der auf einem Vorschlag der Banca d"Italia beruhte, in dem der Erwerb abgelehnt wurde. Die EZB stellte fest, dass begründete Zweifel hinsichtlich des Leumunds der Erwerber bestünden, da Herr Berlusconi wegen Steuerbetrugs verurteilt worden sei und zudem - ebenso wie andere Mitglieder der Leitungsorgane von Fininvest - weitere Unregelmäßigkeiten begangen habe. Fininvest und Herr Berlusconi fochten den Vorschlag der Banca d"Italia vor dem Staatsrat an, da er wegen Verstoßes gegen das rechtskräftige Urteil des Staatsrat von 2016 nichtig sei. Um über diesen Rechtsstreit entscheiden zu können, möchte der Staatsrat im Wesentlichen wissen, ob die nationalen Gerichte oder der EuGH die Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verfahrenseinleitung, Ermittlung und Unterbreitung von Vorschlägen, die eine nationale zuständige Behörde im Rahmen des in Art. 4 Abs. 1 Buchst. b und Art. 15 der SSM-Verordnung und den Art. 85, 86 und 87 der SSM-Rahmenverordnung geregelten Verfahrens zur Genehmigung des Erwerbs einer qualifizierten Beteiligung an einem Bankinstitut trifft, auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen haben.
Die Gründe:
Die Frage der Genehmigung des Erwerbs oder der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen an Finanzinstituten wird in einem mehrphasigen Verwaltungsverfahren geprüft, bei dem die endgültige Entscheidung ausschließlich der EZB zukommt und die nationalen zuständigen Behörden die Aufgabe haben, diese Entscheidungen vorzubereiten. Der Vorschlag der nationalen zuständigen Behörden bindet die EZB nicht; diese kann vielmehr selbst Ermittlungen und Untersuchungen durchführen und zu einem anderen Ergebnis gelangen oder den Vorschlag abändern. Die EZB ist zudem über den Informationsaustausch mit der nationalen Behörde auch an der Anfangsphase des Verfahrens beteiligt und kann die Behörde, falls diese untätig ist, zum Handeln zwingen. Der Beschlussvorschlag, den die nationale Behörde der EZB vorlegt, wird nicht dem Antragsteller übermittelt, was bestätigt, dass es sich um eine rein interne Handlung zur Vorbereitung des endgültigen Beschlusses der EZB handelt, die weder für den Antragsteller noch für Dritte rechtliche Bedeutung hat.
Da im Verfahren zur Genehmigung qualifizierter Beteiligungen die endgültige Entscheidungsbefugnis ausschließlich bei der EZB konzentriert ist, sind ausschließlich das EuG und der EuGH für die gerichtliche Überprüfung der Ausübung dieser konzentrierten Befugnis zuständig. Auch der Vorbereitungscharakter der Handlungen der nationalen zuständigen Behörden in diesem mehrphasigen Verwaltungsverfahren spricht dafür, dass ausschließlich der EuGH für die gerichtliche Kontrolle zuständig ist. Allerdings müssen die Unionsgerichte zur Wahrung des Anspruchs der Betroffenen auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz prüfen, ob die vorbereitenden Handlungen der nationalen Behörden, wenn die EZB sie später inhaltlich übernommen hat, ihre Ungültigkeit begründende Mängel aufweisen, die das gesamte Verfahren berühren können.
Der EuGH ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen, die im Rahmen des Verfahrens zur Genehmigung des Erwerbs und der Erhöhung qualifizierter Beteiligungen an Bankinstituten getroffen werden, ausschließlich zuständig. Die nationalen Gerichte sind demgegenüber nicht für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit nationaler Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verfahrenseinleitung, Ermittlung und Unterbreitung von Vorschlägen zuständig, die die nationale zuständige Behörde im Rahmen dieses Verfahrens trifft, bei dem die abschließende Entscheidung der EZB zusteht. Eine solche Zuständigkeit der nationalen Gerichte ist auch dann nicht gegeben, wenn eine Nichtigkeitsklage erhoben wird, mit der die Verletzung oder die Umgehung der Rechtskraft eines früheren Urteils eines nationalen Gerichts geltend gemacht wird.
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