Der Sachverhalt:
Die Klägerin hat drei ältere Geschwister. Im März 1994 hatten die Eltern der Klägerin und die vier Kinder einen notariell beurkundeten Pflichtteilsverzichtsvertrag abgeschlossen. Die Eltern gaben an, sich wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt zu haben. Die Kinder verzichteten gegenüber dem überlebenden Elternteil auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht gegen Zahlung eines Betrages i.H.v.je 150.000 DM. Die Zahlung sollte bis zum 31.12.1994 erfolgen. Die Klägerin verzichtete in derselben Urkunde auf die Auszahlung der 150.000 DM. An sie sollte der Betrag nebst 5 % Zinsen erst nach dem Ableben des letztversterbenden Elternteils ausgezahlt werden. Zur Sicherung bewilligten und beantragten die Eltern die Eintragung einer Grundschuld i.H.v. 150.000 DM nebst 5 % Zinsen.
Mit gemeinschaftlichem Testament aus 2015 ordneten die Eltern unter Verweis auf den Pflichtteilsverzichtsvertrag aus 1994 an, dass an die Klägerin die Auszahlung Zug um Zug gegen Löschung der Grundschuld erfolgen sollte. Im November 2015 wurden der Klägerin 157.705,52 € (150.000 DM = 76.693,78 € zzgl. 81.011,74 € Zinsen für die Zeit von 1994 bis 2015 ausbezahlt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2015 erklärte die Klägerin aus dem Vorgang keine Einkünfte aus Kapitalvermögen. Sie stellte jedoch den Sachverhalt dar und vertrat die Auffassung, dass die Auszahlung für den geleisteten Pflichtteilsverzicht eine Schenkung zu Lebzeiten darstelle, die nicht der Einkommensteuer unterliege. Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass die Zahlung i.H.v. 81.011,74 € als Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Besteuerung unterliege.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Gründe:
Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich bei dem an die Klägerin im Streitjahr ausgezahlten Betrag um Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist, auch wenn die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängt. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.
Kapitalforderungen in diesem Sinne sind alle auf Geldleistung gerichtete Forderungen ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Ebenso unerheblich ist, ob die zugrunde liegende Kapitalforderung selbst steuerbar und die Kapitalüberlassung freiwillig erfolgt ist. Erforderlich ist aber in jedem Fall die Überlassung von privatem Geldvermögen an Dritte. Dabei kann die Kapitalüberlassung in unterschiedlicher Art und Weise erfolgen, etwa durch Hingabe als (endfälliges oder in Raten zu tilgendes) Darlehen, durch Novation eines bestehenden Zahlungsanspruchs in ein Darlehen oder durch zeitliche Streckung eines Zahlungsanspruchs mittels Verrentung. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören sodann alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die überlassene Kapitalnutzung sind.
Im vorliegenden Fall war in einem Pflichtteilsverzichtsvertrag vereinbart worden, dass die Klägerin durch den Verzicht auf ihren Pflichtteil eine Forderung gegen ihre Eltern i.H.v. 150.000 DM erwerben sollte, die am 31.12.1994 fällig war. Diese Forderung hatte sie zunächst bis zum Tod des letztversterbenden Elternteils verzinslich gestundet. Aufgrund der Anordnung im gemeinschaftlichen Testament der Eltern wurde der gestundete Betrag ausgezahlt und es flossen der Steuerpflichtigen die bis dahin entstandenen Zinsen von 5 % pro Jahr in Höhe von insgesamt 81.011,74 € zu.
Zwar unterliegt das Entgelt für den Verzicht auf den Pflichtteil nicht der Besteuerung, da es sich bei der Regulierung der Vermögensnachfolge um einen erbrechtlich, bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich unentgeltlichen Vertrag handelt. Anders verhält es sich dagegen bei den Zinsen, die die Eltern der Steuerpflichtigen als Entgelt für die Stundung der Ausgleichsforderung gezahlt haben. Die Klägerin hatte den Eltern nämlich durch die Stundung einen Kredit i.H.v. 150.000 DM gewährt. Die hierfür gezahlten Zinsen unterliegen somit der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Zwar unterliegt das Entgelt für den Verzicht auf den Pflichtteil nicht der Besteuerung, da es sich bei der Regulierung der Vermögensnachfolge um einen erbrechtlich, bürgerlich-rechtlich und steuerrechtlich unentgeltlichen Vertrag handelt. Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür einen fälligen Zahlungsanspruch, so führt allerdings die Verzinsung dieses Zahlungsanspruchs zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.