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Keine Sittenwidrigkeit des Kaufvertrags wegen auffälligen Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert bei Wertermittlung durch die finanzierende Bank

BGH 10.12.2013, XI ZR 508/12

Be­steht zwi­schen dem Kauf­preis und dem Ver­kehrs­wert des Kauf­ge­gen­stands kein be­son­ders gro­bes, son­dern le­dig­lich ein auffälli­ges Miss­verhält­nis, führt der Um­stand, dass der Käufer den Kauf­preis voll fi­nan­ziert, für sich ge­nom­men nicht zur Sit­ten­wid­rig­keit des Kauf­ver­tra­ges. Dies gilt auch dann, wenn die fi­nan­zie­rende Bank im ei­ge­nen und im In­ter­esse der Si­cher­heit des Ban­ken­sys­tems nach ent­spre­chen­der Ankündi­gung ge­genüber dem Käufer den Wert des Kauf­ge­gen­stands er­mit­telt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger wen­det sich aus ei­ge­nem Recht ge­gen die ding­li­che und persönli­che so­wie zu­guns­ten sei­ner Ehe­frau ge­gen die persönli­che Zwangs­voll­stre­ckung aus ei­ner no­ta­ri­el­len Ur­kunde. Der Kläger er­warb im Herbst 2005 Woh­nungs­ei­gen­tum zu einem Kauf­preis von 190.000 €, das der Verkäufer nach An­gabe des Klägers eine Wo­che vor Erklärung der An­nahme im No­vem­ber 2005 für 95.000 € an­ge­schafft hatte. In einem Schrei­ben vom 16.11.2005 wies die Be­klagte als in Aus­sicht ge­nom­me­nes Fi­nan­zie­rungs­in­sti­tut den Kläger und seine Ehe­frau dar­auf hin, ein von ihr un­ter­brei­te­tes "Fi­nan­zie­rungs­an­ge­bot" stehe "un­ter dem Vor­be­halt ei­nes po­si­ti­ven Be­sich­ti­gungs­er­geb­nis­ses, wel­ches ein we­sent­li­cher Be­stand­teil der Be­lei­hungsprüfung" sei. Die Be­klagte be­wer­tete den "Sach­wert" des Woh­nungs­ei­gen­tums mit 187.200 €.

Der Kläger und seine Ehe­frau schlos­sen un­ter dem 22.11.2005 mit der Be­klag­ten einen Dar­le­hens­ver­trag über 190.000 €. In ei­ner no­ta­ri­el­len Ur­kunde des No­tars zu UR-Nr. 8 vom 24.11.2005 be­stellte der da­ma­lige Ei­gentümer an dem Woh­nungs­ei­gen­tum eine Grund­schuld über 190.000 € zu­guns­ten der Be­klag­ten, wo­bei er sich als ge­genwärti­ger und der Kläger sich als künf­ti­ger Ei­gentümer der so­for­ti­gen Zwangs­voll­stre­ckung aus der Ur­kunde in das Pfand­ob­jekt un­ter­war­fen. Außer­dem über­nahm der Kläger die persönli­che Haf­tung für die Zah­lung ei­nes Geld­be­tra­ges in Höhe der ver­ein­bar­ten Grund­schuld und un­ter­warf er sich we­gen die­ser Zah­lungs­ver­pflich­tung der so­for­ti­gen Zwangs­voll­stre­ckung aus der Ur­kunde in sein ge­sam­tes Vermögen.

Mit no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­tem "Nach­trag" vom 29.11.2005 zu UR-Nr. 3 des No­tars wurde die "Über­nahme der persönli­chen Haf­tung mit Zwangs­voll­stre­ckungs­un­ter­wer­fung" von der Ehe­frau des Klägers da­hin "abgeändert", dass auch sie die "persönli­che Haf­tung für die Zah­lung ei­nes Geld­be­tra­ges in Höhe der ver­ein­bar­ten Grund­schuld" über­nahm und sich we­gen die­ser Zah­lungs­ver­pflich­tung der so­for­ti­gen Zwangs­voll­stre­ckung aus der Ur­kunde in ihr ge­sam­tes Vermögen un­ter­warf. Der Dar­le­hens­ver­trag wurde ab einem be­stimm­ten Zeit­punkt nicht mehr be­dient. Die Be­klagte be­treibt we­gen ei­nes Teil­be­tra­ges die Zwangs­voll­stre­ckung.

Das LG wies die Klage nach Ein­ho­lung ei­nes Sach­verständi­gen­gut­ach­tens zum Wert des Woh­nungs­ei­gen­tums ab. Das OLG gab ihr statt und erklärte die Zwangs­voll­stre­ckung aus der näher be­zeich­ne­ten "voll­streck­ba­ren Aus­fer­ti­gung der Grund­schuld­be­stel­lungs­ur­kunde des No­tars" so­wohl ge­genüber dem Kläger als auch ge­genüber sei­ner Ehe­frau für un­zulässig. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf, wie die Be­ru­fung des Klägers im Hin­blick auf die be­gehrte Ein­stel­lung der Zwangs­voll­stre­ckung zu­guns­ten sei­ner Ehe­frau zurück und und ver­wies die Sa­che im Übri­gen zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat ver­kannt, dass die Voll­stre­ckungs­ab­wehr­klage in­so­weit, als der Kläger die Ein­stel­lung der Zwangs­voll­stre­ckung zu­guns­ten sei­ner Ehe­frau er­strebt, man­gels Pro­zessführungs­be­fug­nis des Klägers un­zulässig ist. Eine Voll­stre­ckungs­ab­wehr­klage, mit der wie hier aus­schließlich die Voll­stre­ckung we­gen ei­nes An­spruchs aus § 780 BGB bekämpft wird, kann nur vom Voll­stre­ckungs­schuld­ner selbst er­ho­ben wer­den. Eine ge­willkürte Pro­zess­stand­schaft fin­det nicht statt. Im Hin­blick auf die den Kläger selbst be­tref­fende Voll­stre­ckungs­ab­wehr­klage hat das OLG bei der Prüfung ei­ner dem Kläger aus § 242 BGB zu­ste­hen­den Ein­rede die An­for­de­run­gen an eine vor­ver­trag­li­che Aufklärung durch die Be­klagte über­spannt.

Ins­bes. tra­gen die Fest­stel­lun­gen des OLG die An­nahme nicht, die Be­klagte habe über einen kon­kre­ten Wis­sens­vor­sprung hin­sicht­lich ei­ner sit­ten­wid­ri­gen Über­vor­tei­lung des Klägers durch den Verkäufer verfügt. Im An­satz rich­tig ist die Ein­schätzung des OLG, dass nach ständi­ger Recht­spre­chung des BGH von einem be­son­ders gro­ben Miss­verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung, das den Schluss auf das für das Un­wert­ur­teil des § 138 Abs. 1 BGB un­erläss­li­che sub­jek­tive Un­rechts­merk­mal der ver­werf­li­chen Ge­sin­nung des Verkäufers zulässt, erst aus­ge­gan­gen wer­den kann, wenn der Wert der Leis­tung knapp dop­pelt so hoch ist wie der Wert der Ge­gen­leis­tung. Es hat wei­ter rich­tig ge­se­hen, dass dann, wenn kein be­son­ders gro­bes, son­dern nur ein auffälli­ges Miss­verhält­nis be­steht, die An­wen­dung des § 138 Abs. 1 BGB in Be­tracht kommt, wenn wei­tere Umstände hin­zu­tre­ten, die in Ver­bin­dung mit dem auffälli­gen Miss­verhält­nis den Vor­wurf der sit­ten­wid­ri­gen Über­vor­tei­lung begründen.

Die vom OLG her­an­ge­zo­ge­nen wei­te­ren Umstände sind in­des­sen nicht ge­eig­net, im Ver­ein mit einem auffälli­gen Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung den Vor­wurf der sit­ten­wid­ri­gen Über­teue­rung zu begründen. Dass der Kläger den Kauf­preis voll fi­nan­ziert, macht den Kauf­ver­trag nicht sit­ten­wid­rig. Das gilt auch in An­be­tracht der Tat­sa­che, dass die Be­klagte die Fi­nan­zie­rung von ei­ner Wert­er­mitt­lung des Woh­nungs­ei­gen­tums abhängig ge­macht hat. Nach ständi­ger Recht­spre­chung des Se­nats prüfen Kre­dit­in­sti­tute den Wert der ih­nen ge­stell­ten Si­cher­hei­ten im ei­ge­nen In­ter­esse so­wie im In­ter­esse der Si­cher­heit des Ban­ken­sys­tems, nicht im In­ter­esse des Kun­den. Daran ändert die Kund­gabe des Vor­ha­bens, eine Wert­er­mitt­lung durchführen zu wol­len, nichts. Ent­spre­chend kann die Durchführung ei­ner Wert­er­mitt­lung die Be­wer­tung des fi­nan­zier­ten Ge­schäfts als sit­ten­wid­rig nicht be­ein­flus­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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