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Kein Aufrechnungsverbot nach Beendigung des Insolvenzverfahrens

BFH 13.12.2016, VII R 1/15

Das Auf­rech­nungs­ver­bot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO be­steht nach Ein­stel­lung des In­sol­venz­ver­fah­rens nicht mehr. Das Fi­nanz­amt kann ge­gen eine ab­ge­tre­tene For­de­rung der In­sol­venz­masse un­ter den Vor­aus­set­zun­gen des § 406 BGB auch ge­genüber dem neuen Gläubi­ger die Auf­rech­nung erklären.

Der Sach­ver­halt:
Im März 2006 wurde über das Vermögen der GmbH das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net und ein In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt. Das Fi­nanz­amt mel­dete zu­letzt un­ter dem 16.8.2008 Um­satz­steu­er­for­de­run­gen i.H.v. rd. 5.000 € für März 2006 zur In­sol­venz­ta­belle an. Zu­guns­ten der GmbH setzte das Fi­nanz­amt im Sep­tem­ber 2008 gem. § 37 Abs. 5 KStG ein Körper­schaft­steu­er­gut­ha­ben i.H.v. rd. 5.000 € fest. Das Gut­ha­ben sollte in zehn Ra­ten zu je 500 € je­weils zum 30. Sep­tem­ber bis zum Jahr 2017 aus­ge­zahlt wer­den.

Zur Fällig­keit des Gut­ha­bens für das Ka­len­der­jahr 2008 am 30.9.2008 zahlte das Fi­nanz­amt aus dem Gut­ha­ben den an­tei­li­gen Be­trag von 500 € dem In­sol­venz­ver­wal­ter der GmbH. Das rest­li­che Körper­schaft­steu­er­gut­ha­ben trat der In­sol­venz­ver­wal­ter der Kläge­rin ab. Diese über­mit­telte dem Fi­nanz­amt im Au­gust 2009 eine Ab­tre­tungs­an­zeige auf amt­li­chem Vor­druck. Das Gut­ha­ben für 2009 i.H.v. 500 € wurde der Kläge­rin über­wie­sen. Im Fe­bruar 2010 wurde das In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der GmbH nach An­zeige der Mas­se­un­zuläng­lich­keit ein­ge­stellt. 2011 teilte das Fi­nanz­amt der Kläge­rin mit, es habe ge­gen das an­tei­lige Körper­schaft­steu­er­gut­ha­ben für 2010 und 2011 mit sei­ner For­de­rung aus Um­satz­steuer 2006 ge­gen die GmbH auf­ge­rech­net.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Aus­zah­lungs­beträge zur Körper­schaft­steuer 2010 und 2011 seien we­gen des in­sol­venz­recht­li­chen Auf­rech­nungs­ver­bots des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht durch Auf­rech­nung er­lo­schen. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG hat den Ab­rech­nungs­be­scheid zu Un­recht geändert. Nach Ein­stel­lung des In­sol­venz­ver­fah­rens hat das Fi­nanz­amt wirk­sam ge­genüber der Kläge­rin mit sei­ner Um­satz­steu­er­for­de­rung aus 2006 ge­gen die GmbH auf­ge­rech­net. Da­durch sind die der Kläge­rin ab­ge­tre­te­nen For­de­run­gen aus Körper­schaft­steu­er­gut­ha­ben 2010 und 2011 er­lo­schen.

Das Auf­rech­nungs­ver­bot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO gilt nur während des In­sol­venz­ver­fah­rens; nach Auf­he­bung des In­sol­venz­ver­fah­rens können In­sol­venzgläubi­ger gem. § 201 Abs. 1 InsO ihre For­de­run­gen ge­gen den Schuld­ner un­be­schränkt gel­tend ma­chen. Hier­nach kann ein Gläubi­ger nach Auf­he­bung des In­sol­venz­ver­fah­rens die Auf­rech­nung ge­gen For­de­run­gen des Schuld­ners erklären, die zwar während des In­sol­venz­ver­fah­rens begründet, je­doch nicht er­mit­telt bzw. nicht bei­ge­trie­ben wur­den und über die der Schuld­ner nun­mehr wie­der frei verfügen kann, da sie nicht mehr der In­sol­venz­be­schlag­nahme (§ 80 Abs. 1 InsO) un­ter­lie­gen. Glei­ches gilt nach Ein­stel­lung des In­sol­venz­ver­fah­rens nach An­zeige der Mas­se­un­zuläng­lich­keit gem. § 215 InsO.

Der In­sol­venz­ver­wal­ter hat die zukünf­ti­gen Körper­schaft­steu­er­er­stat­tungs­an­sprüche der Kläge­rin ab­ge­tre­ten, die in­fol­ge­des­sen Gläubi­ge­rin der An­sprüche ge­wor­den ist. Eine Auf­rech­nung ge­gen diese An­sprüche ist gem. § 406 BGB zulässig, der über § 226 AO auch im Ab­ga­ben­recht gilt. Bei § 406 BGB han­delt es sich um eine Schutz­vor­schrift zu­guns­ten des Schuld­ners, die sein Ver­trauen in eine ge­genüber dem bis­he­ri­gen Gläubi­ger be­ste­hende Auf­rech­nungs­lage so­wie die Aus­sicht auf eine künf­tig mögli­cher­weise ent­ste­hende Auf­rech­nungs­lage schützt; die Rechts­stel­lung des Schuld­ners darf sich durch die Ab­tre­tung nicht ver­schlech­tern. Die Rechts­stel­lung des Schuld­ners ver­schlech­terte sich aber, wenn aus einem ohne die Ab­tre­tung be­ste­hen­den zeit­lich be­grenz­ten Auf­rech­nungs­ver­bot ein im Fall der Ab­tre­tung un­be­fris­te­tes Auf­rech­nungs­ver­bot würde. Eine Aus­nahme gem.§ 406 Halbs. 2 BGB ist vor­lie­gend nicht ge­ge­ben.

Ein zeit­lich un­be­schränk­tes Auf­rech­nungs­ver­bot im Fall ei­ner Ab­tre­tung lässt sich we­der mit den an­zu­wen­den­den Vor­schrif­ten noch mit dem Sinn und Zweck des In­sol­venz­ver­fah­rens recht­fer­ti­gen. Will der In­sol­venz­ver­wal­ter das Ver­fah­ren be­en­den, aber gleich­wohl künf­tig ent­ste­hende For­de­run­gen zur Masse zie­hen, kann er gem. § 203 InsO bzw. § 211 Abs. 3 InsO die An­ord­nung der Nach­trags­ver­tei­lung be­an­tra­gen. Zieht er statt­des­sen die Ver­wer­tung der künf­ti­gen For­de­run­gen durch Ab­tre­tung vor, sind die da­hin­ter ste­hen­den prak­ti­schen Erwägun­gen bzw. Schwie­rig­kei­ten bei der Mas­se­ver­wer­tung nicht ge­eig­net, die Schuld­ner­schutz­vor­schrift des § 406 BGB zu sus­pen­die­ren. Der Zes­sio­nar trägt nach § 406 BGB das Ri­siko ei­ner "Be­las­tung" der ihm ab­ge­tre­te­nen For­de­rung in­so­weit, als ge­gen sie auch mit ge­genüber dem Ze­den­ten be­ste­hen­den An­sprüchen auf­ge­rech­net wer­den kann.

Link­hin­weis:

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