Derzeit erfolgt eine Reduzierung von deutscher Kapitalertragsteuer (KESt) bei bestimmten unbeschränkt Steuerpflichtigen (Steuerinländer) i. d. R. durch Freistellung, während bei beschränkt Steuerpflichtigen (Steuerausländer) i. d. R. nur nachträglich ein Erstattungsantrag gestellt werden kann. Die Antragswege führen je nach Sachverhalt meist entweder zu dem Finanzamt, an das die KESt abgeführt wurde, oder zu dem Bundeszentralamt für Steuern (BZSt).
Die USA hingegen haben bereits seit fast 20 Jahren ein System implementiert, in dem durch Banken als qualifizierende Abzugsverpflichtete von dem Einbehalt von US-Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden bei Zahlung Abstand genommen wird („Qualified Intermediary“). Ein ähnliches Verfahren hat die OECD mit TRACE („Treaty Relief and Compliance Enhancement“) vorgeschlagen, nach dem bei Zahlung von Streubesitzdividenden lediglich der DBA-Satz angewendet wird und über einen Informationsaustausch des jeweiligen Quellenstaates an den Ansässigkeitsstaat eine Kontrollmöglichkeit sichergestellt werden soll.
Das BMF hat jedoch deutliche Vorbehalte gegenüber einem solchen Verfahren und möchte die Prüfung der Voraussetzungen für eine Reduzierung von deutscher KESt nicht an die Kreditwirtschaft auslagern. Um die Kontrollen effizienter durchzuführen, sollen die Prozesse von der Bescheinigung der KESt über die Beantragung einer Erstattung digitalisiert werden. Mit der Digitalisierung werden automatisierte Kontrollen erst möglich. Dazu benötigt die Finanzverwaltung allerdings detailliertere Angaben.
Daher sind mit dem vorgelegten Referentenentwurf im Wesentlichen folgende gesetzliche Änderungen im Bereich der Kapitalertragsteuer mit Wirkung ab 2024 vorgesehen:
- Steuerausländern soll der Einbehalt von KESt auf bestimmte inländische Kapitalerträge (z.B. Dividenden auf girosammelverwahrte deutsche Aktien oder Zinsen auf bestimmte Teilschuldverschreibungen) nicht mehr in der Steuerbescheinigung für die Erstattung bescheinigt werden. Stattdessen soll die auszahlende Stelle (depotführende Stelle oder Depotbank) die relevanten Angaben elektronisch an das BZSt übermitteln, damit das BZSt bei der Bearbeitung eines Antrags auf (teilweise) Erstattung überprüfen kann, ob und in welcher Höhe KESt einbehalten wurde.
- Steuerinländer erhalten weiterhin eine Steuerbescheinigung von der auszahlenden Stelle und zusätzlich sind die relevanten Angaben durch die auszahlende Stelle elektronisch an das BZSt zu übermitteln. Bei bestimmten inländischen Kapitalerträgen (s. o.) sind insbesondere folgende Angaben zu ergänzen: Steuer-Identifikationsnummer bzw. Wirtschaftsidentifikationsnummer des Gläubigers, Depotnummer, Bruttoertrag je Wertpapiergattung, Zahlungstag, ISIN, einbehaltene KESt und SolZ vor Verrechnung, Steuersatz, Stückzahl der Wertpapiere je Gattung und Zahlungstag. Bei Wertpapierleihgeschäften bzw. Wertpapierpensionsgeschäften sind bestimmte Zusatzangaben zu machen. Im Fall von Zwischenverwahrern in der Verwahrkette sind ebenfalls weitere Angaben notwendig (Depotnr., Firma, Rechtsform und Anschrift des jeweiligen Zwischenverwahrers). Bei Hinterlegungsscheinen (z.B. ADR) sind ebenfalls Zusatzangaben notwendig.
- Jeder Datensatz für Steuerinländer bzw. Steuerausländer ist mit einer Ordnungsnummer nach amtlichem Muster zu kennzeichnen. Die Datensätze für Steuerinländer sind bis zum 31.7. des Folgejahres elektronisch an das BZSt zu übermitteln. Die Datensätze für Steuerausländer sind auf Verlangen des Gläubigers für jeden Zufluss unverzüglich inkl. dessen Steuer-Identifikationsnummer seines Ansässigkeitsstaates (bzw. Wirtschaftsidentifikationsnummer) an das BZSt zu übermitteln. Wird für Steuerinländer bis zum 31.7 des Folgejahres keine Steuerbescheinigung ausgestellt oder durch Steuerausländer die elektronische Übermittlung an das BZSt nicht verlangt, ist die auszahlende Stelle ungeachtet dessen verpflichtet, die wesentlichen Angaben über die Kapitalerträge und den vorgenommenen KESt-Einbehalt elektronisch an das BZSt zu übermitteln.
- Inländische börsennotierte Gesellschaften dürfen nach § 67d AktG von den Verwahrern die Identität ihrer Aktionäre zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses verlangen. Diese Daten sollen sie direkt dem BZSt übermitteln.
- Außerdem hat die auszahlende Stelle einschließlich der Clearstream Banking AG, Frankfurt jährlich zusammengefasste Mitteilungen über die Summen der Kapitalerträge je Wertpapiergattung und Zahlungstag sowie der einbehaltenen KESt bis zum 31.7. des Folgejahres an das BZSt vorzunehmen.
- Die auszahlende Stelle haftet für die Richtigkeit der (zusätzlichen) Angaben in der Bescheinigung bzw. der Datensätze. Das Haftungsprivileg in den Fällen des § 45a Abs. 7 Satz 3 EStG wird gestrichen.
- Darüber hinaus sollen die bestehenden Vorschriften des § 50d EStG über die Erstattung von KESt in den Fällen eines DBA, der Mutter-Tochter-Richtlinie nach § 43b EStG, der Zins- und Lizenz-Richtlinie nach § 50g EStG und des § 44a Abs. 9 EStG (für Körperschaften im Nicht-DBA Fall) in einem neuen § 50c EStG wesentlich neu gefasst werden. Die Anti-Treaty-Shopping Regelung des § 50d Abs. 3 EStG bleibt bestehen und wird neu gefasst. Freistellungs- und Erstattungsanträge sowie Freistellungsbescheinigungen oder Freistellungsbescheide sollen grundsätzlich elektronisch an das BZSt übermittelt werden.
Bereits mit Wirkung ab 1.7.2021 ist eine Änderung bei den Erstattungsmöglichkeiten von KESt bei Investmentfonds vorgesehen: In- und ausländische Investmentfonds unterliegen bei Vorlage einer Fonds-Statusbescheinigung nur 15 % KESt auf deutsche Dividenden. Soweit bei Zahlung eine Fonds-Statusbescheinigung nicht vorlag, besteht derzeit die Möglichkeit der nachträglichen Vorlage (§ 7 Abs. 5 InvStG) oder der Erstattung der zu viel einbehaltenen KESt durch das Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen, i. d. R. der Verwahrstelle (§ 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InvStG). Ausländische Investmentfonds könnten bei Vorliegen der Voraussetzungen neben den beiden genannten Erstattungsverfahren zusätzlich das Erstattungsverfahren des § 50d Absatz 1 EStG (DBA mit i.d.R. 15% bei Dividenden) in Anspruch nehmen. Das Verfahren der nachträglichen Vorlage einer Fonds-Statusbescheinigung nach § 7 Abs. 5 InvStG soll nur noch bei inländischen Investmentfonds gelten. Die Erstattung gemäß § 11 InvStG soll für inländische Investmentfonds weiterhin beim Betriebsstättenfinanzamt des Entrichtungspflichtigen erfolgen, während für ausländische Investmentfonds das BZSt zuständig sein soll (§ 11 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Diese Änderung soll bereits ab dem 1.7.2021 gelten. Inländische Verwahrstellen und inländische Objektgesellschaften können bei nachträglicher Vorlage einer Fonds-Statusbescheinigung eines ausländischen Investmentfonds ab diesem Zeitpunkt zwecke Erstattung auf ihr Finanzamt verweisen.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes soll das BZSt auch für die Erstattung von KESt bei den sogenannten Fokusbank-Anträgen sachlich zuständig sein sowie in den Fällen des § 37 Abs. 2 AO, in denen KESt ohne rechtliche Verpflichtung einbehalten und abgeführt wurde und das vorgelagerte Korrektur- und Erstattungsverfahren nach § 44b Abs. 5 EStG tatsächlich nicht erfolgte. Insoweit wird dann auch Rz. 307 des Abgeltungsteuer-Schreibens vom 18.1.2016 anzupassen sein.